25. Tage der deutschsprachigen Literatur 2001
"Muttersterben"
"Muttersterben", so hatte Michael Lentz seinen Text übertitelt. Die Nachricht vom Tod der Mutter führt den Ich-Erzähler zurück in die Vergangenheit. Er beschreibt die Veränderungen, die er an der Mutter durch die Krankheit erlebte, aber auch wie die Krankheit sein Verhältnis zu ihr beeinflusste. "Stark gelungener Text" Thomas Widmer fand in diesem Text endlich die Mitte, die man tags zuvor in den Texten vergeblich gesucht hatte. Die Mitte sei der Schmerz über den Tod der Mutter. Der Schmerz werde in die Form einer Chronologie erzählt und der Text funktioniere über weite Strecken. Eine Einschränkung habe er, ihn störe nur die Einsprengsel eines zweiten, sprechenden Ichs. Dieses zweite Ich eher poetisierend, kalauernd bis klugscheißerisch, auch effekthascherisch, sei weniger gelungen als das Haupt-Ich. Übers Ganze wäre es ein starker gelungener Text.
Zwei Ebenen sah auch Konstanze Fliedl. Der Motor der Sprachproduktion ist hier die Sprachlosigkeit nach der Tod eines Menschen. Das wäre auch die Balance des Textes, dass er neben der persönlichen Ebene noch diese zweite Ich habe, das eher kommentierend ist. Der Text sei ungeheuer exakt komponiert. "Verknüpfung von Mutter und Sprache gut gelungen"
"Quellcode für Betriebssystem Mutter" Denis Scheck gratulierte dem Autor. Der Text gehe das Risiko ein, abzustürzen, hier sei es aber gut gelungen, den "Quellcode" für das "Betriebsystem Mutter" mitzuliefern. Die bildungsbürgerlichen Elemente als Brüche zu sehen, lehne er ab. Es gehe nicht nur darum, dass die Mutter hier aufbewahrt, ja zum Leben erweckt werde, es gehe ja auch um den Schatz der Seelen, die durch den Tod beschädigt werden. Zwar wären die Chronik des Todes und die Einschübe über die Heimatstadt Düren Brüche, aber in Entenhausen wäre ja auch Donald das Leben und Dagobert der Tod und Enkel gäbe dort gar nicht. "Titel zu schwach für den Text"
"Wir sind doch alle aus Düren" Burkhard Spinnen bedankte sich bei den Jurykollegen, sie hätten alle Argumente genannt, warum er den Autor eingeladen habe. Zu Düren fügte er erklärend an, wir würden doch alle aus einem Düren stammen, was leises Gelächter auslöste. Düren stehe für ihn als der Tod in der modernen Medizin. Der Autor habe dafür die richtige Wut gefunden, es sei die angemessen Darstellung des zeitgenössischen Wegsterbens, ohne einen Hauch von Medizinkritik. Der Text zeige einfach, wie entsetzlich dieses Steren sei. Im Schlussbild sehe er das Bild des abgeheftet werden nach dem Tod. "Unaufhörliches Weinen durch Sprache verhindern" Es müsse doch einen Sinn haben, dass ein Text so eine kalte Ouvertüre habe, so Robert Schindel. Für ihn sei der Text eine einziger Versuch, das unaufhörliche Weinen durch Sprache zu verhindern und das sei das Großartige an dem Text. Er wäre auch ein Beispiel, wie durch wütende Sprache, durch bildungsbürgerliche Elemente und das Hilfesuchen bei anderen, die so etwas schon hätten, Angst und Schrecken gebannt würden, um leben zu können. Ein wunderbaren Beispiel, wie das Angsthaben, das er hier sehe, wobei aber in der Sprache die Angst und die Wut enthalten ist, das fände er großartig, schloss Robert Schindel. Alle Fotos: ORF Kärnten Kontakt: Webmaster:
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