Ulrich Schlotmann

Konstanze Fliedl zog den Hut vor der Vorlesung, der Text sei ganz außerordentlich. Ein witzige Studie zum Sprichwort, dass man Hasen mit Salz fängt. Sie sehe da das Nachdenken über Sprache in einer sehr witzigen Technik, aber auf die Dauer sei das Hakenschlagen ermüdend und anstrengend und viel mehr lasse sich auf dieser Versuchsebene nicht machen.

Birgit Vanderbeke sprach von einem metaphysischen Spaßhasenbraten. Die Zeichen des Textes, Klammer, Kursivstellung etc. sah sie aber ohne System in den Text hineingedonnert. Das sollte man in so einem Text nicht tun, er brauche das auch gar nicht.

Konstanze Fliedl widersprach, der Text brauche das durchaus, die Markierung durch verschiedene Zeichen müsse aber nicht nach einem Logiksystem funktionieren, meinte sie. Durch diese Zeichen würden die verschieden Bedeutungsebene hervorgehoben. Das Ganze sollte die Mechanik der Zusammenfügungen unterstreichen.

Thomas Widmer würde auf die Punktion durchaus verzichten. Der Text benötige sie nicht. Danach sagte er noch, dass ihm die Art der Sprechautomatik großen Spaß gemacht habe. Kritisch vermerkte er, er glaube aber, besser hätte der Text ohne diese Sprechautomaten funktioniert, dass dadurch die Gefühle effekthascherisch wirken würden.

Ein Sprechautomat sei nicht beabsichtig, erklärte Denis Scheck. Wenn man mit dieser Erwartung an den Text gehe, solle man doch seine eigenen Erwartungen noch einmal überdenken.

Ob der Text eindeutig genug gebaut sei, um ohne Sprechautomaten funktioniere, fragte Thomas Widmer. Er sehe auch Ausfälle in der Mitte des Textes und die Steigerung sei für ihn auch nicht deutlich genug gebaut.

Der Text müsse mit eingeschriebener Partitur gelesen werden, um die Maschinenhaftigkeit aufzuzeigen, meinte dann Burkhard Spinnen. Der Text sei eine große Übung in Nicht-Eleganz. Wie er zeige, was er alles weglassen könne aber dabei doch nichts weglasse und alles aufzeige. Er habe da an eine Ansammlung von Schnittfehlern gedacht. Er habe einmal ein Stück mit einer ein Miniatureinsenbahn gesehen und wie dann der Eisenbahner auf die Bühne gekommen sei, da habe er habe bald gewusst, das ist ein Nazi, es gebe da eben diese Enge der Darstellung und die finde er hier wieder. Das unterschwellige Böse breche durch, diese Verbindung kenne er. Diesen Grad des Aufschlusses von zwanghafter Grammatikfixiertheit habe er hier in einer nicht ganz neuen Technik wiederentdeckt, deshalb habe er Sorge, da sei nicht genug an Substanz.

Sind wir denn schon so verbohrt, dass wird nun psychologische Lesearten zulassen können, fragte Denis Scheck empört. Für ihn sei es keinesfalls der Versuch, einen Weidmann als Nazi darzustellen, es wäre natürlich ein Text aus dem Wald, aber doch kein Versuch, die deutschen Jäger als Nazis zu denunzieren, das sei eine Leseart, die er nicht wolle. Wir sind hier als Kritiker und sollen über den Text, der hier vorgetragen wird urteilen.

Robert Schindel stand dem Text ziemlich ratlos gegenüber, ihm schien er ein Kompendium des Unmenschen zu sein, eine Ansammlung der Barbarei in Worte gefasst, vor allem in der Art und Weise wie die Wörter nichts ausdrückten als Zwänge und Verbote. Es sei klar, das ist kein Nazi, aber das ist die Sprache des Unmenschen. Das fast Überraschende sei, dass der Text sehr komödiantisch sei, dabei aber in uns großen Schrecken auslöst, fuhr Schindel fort. Der ganze Text ist ein Kompendium von Anweisungen und schaumgebremsten Befehlen. Der Text komme einem Nestroy- oder Raimundsatz entgegen der besage, es gibt nix Dümmeres, als die Jagd.

Natürlich tue man sich mit so einem Text nicht leicht, er brauche aber von Zeit zu Zeit eine solche Sauerstoffdusche der Sprache, entgegnete Denis Scheck. Diese Art von Sprache und Texten scheinen in den letzten Jahren eher an den Rand gedrängt worden zu sein. Bei ihm bewirke der Text, dass er wieder eine Sprachgefühl entwickle.

Birgit Vanderbeke erklärte noch, sie habe dieser Anweisung mit ihrer Anweisungsgrammatik Folge geleistet, aber da fänden sich nun doch Grammatikfehler und sie führte Beispiele an. Da seien Albernheiten im Text und die Albernheiten fielen doch eigentlich unter Bürokratendeutsch, aber der Text wolle sie als witzig verkaufen. Vanderbeke war auch mit manchen Kochtipps des Autors nicht ganz einverstanden.

Burkhard Spinnen erklärte, er mache die allergrößte Verbeugung gegenüber der Forderung, zu einem größerem Ausmaß von sprachreflektierender und sprachirritierender Prosa zu kommen, die uns erinnert, dass man ohne Nachdenken eigentlich keinen Satz mehr schreiben kann, Hier seien aber nur die Anstrengung und das System dargestellt. Die Art, wie die Maschine in diesem Text funktioniere, wolle er nicht kommentieren.

Denis Scheck wandte sich noch an Birgit Vanderbeke, wie sie da Tippfehler angeführt, das wäre kleinlich.

Alle Fotos: ORF Kärnten


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