Antje Strubel-Ravic

Mit der Geschichte einer jungen Fabrikarbeiterin aus dem Osten und ihrer Beziehungen zu zwei Männern trat Antje Ravic Strubel in den Lesering.

Konstanze Fliedl fand, der Text halte die Balance zwischen Durchsichtigkeit und geheimnisvoll, verliere nie die Balance, es werde detailgenau und milieusicher erzählt, ganz diskret. Wegen der Märcheneinlagen des Textes sei sie nicht ganz sicher. Die Arbeitsszenen seien aber sehr starke und ganz poetische Darstellungen .

Auch Thomas Widmer war voll Lob, aber auch er hatte Bedenken gegen die Märchenpassagen, die in den Text eingeschoben sind. Ihm war nicht klar, ob die Passagen nötig seien, vielleicht sollte man die Passagen mit Gefahr assoziieren? Er stelle die Frage aber eher an die Jury, als an die Autorin. Gut gefallen hätte ihm die psychologische Führung des Textes.

Elisabeth Bronfen bot eine Erklärung für die Märchen. Sie hatte immer die Märchenwelt als Antithese im tristen Alltag, als Vorstellung von der Machbarkeit der Veränderung gesehen. Sie habe auch an einen Film von Lars von Trier gedacht, im Text aber die Verflechtung von Alltag- und Arbeitswelt mit der Märchenwelt besser und wunderbar gelungen gefunden .

Birgit Vanderbeke urteilte, der Text sei von einer wunderbaren Tristesse, einer ganz spröden Tristesse, ergänzte sie. Das funktioniere, weil der Text alles sehe, aber blitzschnell die Perspektiven wechsle. Einen Einwand habe sie, dass der Prinz immer "huhu" sage, fände sie doch blöde, da könne doch Antje Ravic-Strubel nichts dafür.

Für Denis Scheck waren im Text viele schöne oszillierende Stellen vorhanden. Es ist ein Text über Märchen und Realität, über eine Dreiecksbeziehung. Dass das funktioniere, liege an der zeitliche Situierung des Textes. Für Scheck war es auch ein historischer Roman, aber einer ohne postmoderne Beliebigkeit.

Auch Robert Schindel war der Auffassung, dass es der Märcheneinsschübe nicht bedürfe. Es sei wunderbar, wie der Text vieles gleichzeitig erzähle, ohne gehetzt zu sein. Da werde vom Stillstand in der DDR erzählt, von einer Dreiecksbeziehung, vom Minderwertigkeitsgefühl gegenüber dem Mann aus dem Westen, alles in diskreter Weise. Auch der reizvolle Kontrast von Natur und Maschinenwelt wird gelobt. Schindel hatte nur einen kleinen Einwand, dass sich manchmal die Erzählerin einmische und verhaltenspsychologische Erklärungen gebe. Das sei entbehrlich bei einem Text, der sonst so schön schwebe.

Burkhard Spinnen schloss sich dem positivem Urteil der anderen Juroren an, er habe sich bei der Lektüre nur gewundert, dass trotz der Konzentration auf die Hauptfigur so oft in die Köpfe der anderen geguckt werde, aber das Märchen könne das. Das Schneiderlein könne nun mal kurz in den Kopf des Königs gucken. Spinnen sah den Text auch als Märchen über die zu dieser Zeit noch nicht untergegangene DDR. Eine nicht plakative Studie, warum es bis zum Untergang noch zwölf Jahre gedauert habe. Es gehe um Existentielles, um die Frage von Verrat und Loyalität, es sei ein ungemein interessanter Erklärungsversuch über die DDR. Nicht von herab sondern aus dem Hinterhof der Banalität der Alltäglichkeit.

Alle Fotos: ORF Kärnten


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