1. Juli 2001

Die Wahl begann mit der Vergabe des 25. Ingeborg Bachmannpreises, der von der Landshauptstadt Klagenfurt gestiftet wird. Denis Scheck stimmte für Michael Lentz, einen Erzähler, der zum Quellcode des Betriebssystems Mutter vorgedrungen ist, so Scheck.

Burkhard Spinnen gab seine Stimme ebenfalls Michael Lentz, denn dieser vereine in so wunderbarer Weise, was in der Literatur so oft getrennt scheine - Empfindung und Sprachartistik, Emotion und Konstruktion, ja Robert Musils Genauigkeit und Seele. Hier spreche jemand wahrlich mit allen Mitteln der Kunst gegen die Verzweiflung an, und gleichzeitig werde er sich erst im Sprechen klar, was der tiefere Grund seiner Verzweiflung ist. Der Text beweise, wie unendlich schwer es ist das zu sagen, was einem auf der Zunge liegt und wie großartig es ist, wenn einmal ein Schmerz zu seiner Sprache kommt, so Spinnen.

Elisabeth Bronfen stimmte für Norbert Müller. Im Text werde mit tragischem Witz und präzisen Details die Angst um die Unzulänglichkeit des Schreibens umkreist, und dabei eine furiose Fantasie entfacht.

Robert Schindel stimmte für Jenny Erpenbeck. Eine Geschichte, in der sich die Katastrophe des Jahrhunderts im Mikrokosmos eines Dreiecks spiegle, wie Schindel in seiner Begründung sagte.

Birgit Vanderbeke meinte, die Welt könne einem Sorgen bereiten und das Wesen dieser Sorgen ist es, sich selbstständig zu machen - manisch zu werden, und sich unterschiedslos um jede Kleinigkeit zu kümmern zu müssen. Wie jede Frage des gesellschaftlichen Beckenabstands zur Frage des Weltgerichts werde, zeige sehr beklemmend eindringlich und komisch Norbert Müller, dem sie deshalb den Preis zuerkenne wolle.

Konstanze Fliedl begründet ihr Wahl für Jenny Erpenbeck damit, dass es im wirklichen Leben bekanntlich oft weder fair noch diskret zugehe. Ein Wettbewerb wie dieser ließe sich überhaupt als Anstalt beschreiben, in deren Natur es liege, dass Fairness und Diskretion willkürlich verletzt werden müssen. Die einzige Möglichkeit dieses zu heilen sei die Literatur, manchmal auch hinter dem Rücken des Autors. Der Text von Jenny Erpenbeck zeige und verbinde diese Qualitäten.

Halluzination, Hypochondrie und Hysterie - mit großem Amüsement begleite er einen fiktiven Autor auf dem Weg in seinen Wahn, so Thomas Widmer in seiner Begründung. Deshalb stimme er mit großer Freude für einen realen Autor, bei dem Kafka wieder auftauche, als neuer Mann am Rande eines Nervenzusammenbruchs und als Stadtneurotiker mit Schreibdiarrhoe - also für Norbert Müller.

In der erforderliche Stichwahl zwischen Jenny Erpenbeck und Michael Lentz erhielt Lentz die Stimmen von Widmer, Spinnen, Scheck und Vanderbeke. So hieß das Finale um den Ingeborg Bachmann Preis Lentz gegen Müller. Im entscheidenden Wahlgang stimmten neben Denis Scheck, Burkhard Spinnen und Birgit Vanderbeke auch Robert Schindel und Konstanze Fliedl für Michael Lentz. Er fände hier die dichterische Bewältigung eines Abschieds begründete Robert Schindel seine Wahl und Konstanze Fliedl, meinte, dass der Text dort Worte fände,wo wir sprachlos sind und ohne Sentimentalität werde hier gezeigt, was es heißt, wenn einer verschwindet. Damit Stand Michael Lentz als 25. Gewinner des Ingeborg Bachmann Preise fest.

Alle Fotos: ORF Kärnten


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