25. Tage der deutschsprachigen Literatur 2001
Die Seele Robert Musils Die Wahl begann mit der Vergabe des 25. Ingeborg Bachmannpreises, der von der Landshauptstadt Klagenfurt gestiftet wird. Denis Scheck stimmte für Michael Lentz, einen Erzähler, der zum Quellcode des Betriebssystems Mutter vorgedrungen ist, so Scheck. Burkhard Spinnen gab seine Stimme ebenfalls Michael Lentz, denn dieser vereine in so wunderbarer Weise, was in der Literatur so oft getrennt scheine - Empfindung und Sprachartistik, Emotion und Konstruktion, ja Robert Musils Genauigkeit und Seele. Hier spreche jemand wahrlich mit allen Mitteln der Kunst gegen die Verzweiflung an, und gleichzeitig werde er sich erst im Sprechen klar, was der tiefere Grund seiner Verzweiflung ist. Der Text beweise, wie unendlich schwer es ist das zu sagen, was einem auf der Zunge liegt und wie großartig es ist, wenn einmal ein Schmerz zu seiner Sprache kommt, so Spinnen. Elisabeth Bronfen stimmte für Norbert Müller. Im Text werde mit tragischem Witz und präzisen Details die Angst um die Unzulänglichkeit des Schreibens umkreist, und dabei eine furiose Fantasie entfacht. Robert Schindel stimmte für Jenny Erpenbeck. Eine Geschichte, in der sich die Katastrophe des Jahrhunderts im Mikrokosmos eines Dreiecks spiegle, wie Schindel in seiner Begründung sagte.
Konstanze Fliedl begründet ihr Wahl für Jenny Erpenbeck damit, dass es im wirklichen Leben bekanntlich oft weder fair noch diskret zugehe. Ein Wettbewerb wie dieser ließe sich überhaupt als Anstalt beschreiben, in deren Natur es liege, dass Fairness und Diskretion willkürlich verletzt werden müssen. Die einzige Möglichkeit dieses zu heilen sei die Literatur, manchmal auch hinter dem Rücken des Autors. Der Text von Jenny Erpenbeck zeige und verbinde diese Qualitäten. Halluzination, Hypochondrie und Hysterie - mit großem Amüsement begleite er einen fiktiven Autor auf dem Weg in seinen Wahn, so Thomas Widmer in seiner Begründung. Deshalb stimme er mit großer Freude für einen realen Autor, bei dem Kafka wieder auftauche, als neuer Mann am Rande eines Nervenzusammenbruchs und als Stadtneurotiker mit Schreibdiarrhoe - also für Norbert Müller.
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