"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Ingeborg-Bachmann-Preis
ATS 150.000

Hermann Burger
"Die Wasserfallfinsternis von Badgastein"

Foto: ORF Kärnten

 

Nachdem Hermann Burger die "Wasserfallfinsternis von Badgastein", ein Hydrotestament in fünf Sätzen, gelesen hatte, waren sich alle einig: Damit war der Ingeborg?Bachmann?Preisträger 1985 geboren. Erzählt wird von Carlo Schusterfleck, einem Krüppel mit der Bechterewschen Krankheit. Da quoll eine wilde, verzweifelte Suada aus einem Menschen, der, wie Peter Härtling bemerkte, bald nicht mehr sprechen wird. Diese Wortmächtigkeit und Intellektualität, aus dem Geist der Schubertschen Verschollenheit, ist von ganz ungewöhnlicher Virtuosität und stellt eine Vision des drohenden Untergangs der Welt dar. Da rächt sich einer für das, was ihm angetan wurde. Ein geschlossenes und zugleich transparentes Stück Prosa, voll von der Spannung, in der wir Leben spüren, aber auch ein Trauerlied über die korrumpierte Erde. Von einer "Naturheilrangelei" ist darin die Rede, "von halbwissenschaftlichen und dennoch pflanzlich geschützten Patienten, die, in Wirklichkeit kerngesund, vom Wahn angesteckt sind, einer möglichen Spondylarthritis vorbeugen zu müssen, Gastein ist, vielmehr war ein Sammelbecken von Profil?Prophylaxis?Profit?Profi?Neurotikern, jeder versuchte, dem andern das Radonwasser abzugraben, dabei wäre genug da gewesen . . .".

Marcel Reich-Ranicki meinte, "modern ist, was gut ist". Hermann Burgers enthusiasmierte Geschichte vom Nachtportier war absolut kongruent.


Dann entstand ein großer Graben zwischen jenem brillanten Preisträger und den in Frage kommenden anderen. Viele langweilige Texte sind gelesen worden, und das, was die Jury hinterher zu sagen hatte, dann nämlich, wenn ein Autor mit seinem Vortrag fertig war, ist sowieso das Spannendste, hörte man in den Lesemarathonunterbrechungen sagen. Draußen im Garten des ORF-Gebäudes wurde in den Pausen beratschlagt und gerätselt, wem wohl der Preis des Landes Kärnten, und der Preis der Kärntner Industrie zuerkannt werden würde.


Preis des Landes Kärnten
ATS 75.000

Birgit Kempker
"In der Allee"

Foto: privat

Eine einfache Geschichte einfach erzählen, ist das Schlüsselrezept. Aber wie macht man das? Die Stärke des Erzählens liegt in der Reduktion. Einfache Geschichten, kompliziert angelegt, werden von den Jurymitgliedern mit Unmut aufgenommen. Ein Autor muss aufpassen, dass er seine Themen nicht mit zu vielen Nebengeschichten überfrachtet. Solche Arbeiten bleiben auf der Strecke. Man sieht, während ein Autor liest, auf den Gesichtern der Juroren bereits, was sie vom Gelesenen denken und halten. So war es dann auch für alle sehr erquicklich, dem Beitrag von Birgit Kempker "In der Allee. Das Niedersachsenrennen" zuzuhören. Endlich etwas zum Anfassen. Das schmeckte. Traf den einfachen Ton. Da öffnete sich der doppelte Boden. Ein Märchen von heute kräuselte sich in kleinen Wellen an den Zuhörerstrand. Man hörte aufmerksam zu, musste schmunzeln, und war sofort in dieser Geschichte zuhause. Ein Genrebild kleinbürgerlichen Milieus wurde in einem reizvoll überdrehten und verdrehten Ton zum Ausdruck gebracht. Man spürte gleich, diese Autorin ist ihren Protagonisten zugeneigt, deswegen kommt auch kein arroganter Ton auf oder eine Entgleisung. Der zweite Preis ging an diese Autorin, der ich wünsche, dass sie den Zopf ihrer Geschichte mit dem gleichen Witz und der feurigen Spannung weiter zu flechten versteht.


Preis der
Industriellenvereinigung
ATS 60.000

Ginka Steinwachs
"Das postbarocke Temperament in seinem Barceloneser Element"

 

Als Ginka Steinwachs las, witterte jeder gleich die Preisverdächtigkeit. Sie führte uns in die bildungsträchtige Prosa "Das postbarocke Temperament in seinem Barceloneser Element". Eine Prosa über die blinde Wollustmaschine Mensch. Eine surreale Vision. Ein Ausverkauf der postmodernen Elemente. Die Stadt im Kopf der Autorin, in der sie beliebig herumspazierte, entfaltete sich zur dadaistischen Bilderwelt. Auch bei ihr hörte jeder genau zu. Das war auch nicht schwer, denn Ginka Steinwachs untermalte ihren gut artikulierten Vortrag, wie Marcel ReichRanicki festhielt, mit choreographischem Talent. Dieser Text ist auf Pointen zugeschnitten. Man kann sich beim Amüsieren auch strangulieren, bemerkte Joachim Kaiser. Trotzdem, diese Vision einer erotisierenden und einer untergehenden Welt, der kunstvolle Aufbau war schon sehr intelligent und raffiniert zusammengefügt. Es hatte etwas Flimmerndes, Flatterndes, auch etwas Salonhaftes, Elegantes: eine Apologie der Phantasie.


Ernst Willner Stipendium
2 x ATS 45.000

Lilian Faschinger
"Die neue Scheherazade"

Dante Andrea Franzetti
"Cosimo und Hamlet"


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© 17.06.2001
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