"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Einleitend, noch vor der ersten Lesung, ließ Iso Camartin aus Zürich, der Jurysprecher, drei Hämmer fallen. "... wollen wir der Komplexität von Texten mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen ..." - "... wird die Zeremonie in diesem Jahr von fünf auf vier Tage gekürzt und werden sieben statt elf Juroren die Texte von nicht mehr 22, sondern 26 Lesenden beurteilen ..." Der große Wumms: "... bekamen die Juroren die Texte der Autorinnen und Autoren vorher zugeschickt. Unter uns, das kann ich Ihnen versichern, gab es keine Absprachen über die Texte."

Fotos: ORF Kärnten



Klaus Amann, Klagenfurt /A
Silvia Bovenschen, Frankfurt a. M. /D
Iso Camartin, Zürich /CH
Barbara Frischmuth, Altaussee /A
Thomas Hettche, Frankfurt a. M. /D
Iris Radisch, Hamburg /D
Hardy Ruoss, Richterswil /CH

 


Da sitzt der erlauchte Halbkreis, von links nach rechts: Klaus Amann, Literaturprofessor aus Klagenfurt, eigentlich ein guter Mann, immer für eine saubere Ungerechtigkeit zu haben. Hardy Ruoss, Schweizer Fernsehkritiker, ein Showman, der redet gern. Silvia Bovenschen von der Universität in Frankfurt, ihre Kommentare sind so harmlos freundlich und bunt durchstrickt, wie ihre Kostümjacken. Professor Camartin, die schlichtende, Konflikte und Widersprüche einlullende, die integrierende Kraft. Barbara Frischmuth, freie Schriftstellerin und Übersetzerin: Totalausfall. Iris Radisch, Literaturkritikerin der Zeit. Thomas Hettche, Suhrkamp-Autor und die einzige Vollkraft in der Halbrunde, der hat vor drei Jahren selber mal in Klagenfurt gelesen. "Wie Sie den Hass als Selbsthass verankern und sich das alles in einer Geste der Zärtlichkeit auflöst!" (Camartin über Niemann) "Ein gelungener Versuch, das Denken schriftlich wiederzugeben" (Bovenschen über Kopetzky). "Kein souveräner Text. Damit machen Sie dem Bachmann-Preis alle Ehre." (Radisch über Galvagni). Irgendwann einmal zwischen die vorformulierten Urteile sagte Hettche den erlösenden Satz hinein: "Dazu fällt mir überhaupt nichts ein."

Keine Chancengleichheit mehr im ORF-Theater, aber auch keine Schrecksekunde, kein Pfiff, kein Ruf der Empörung: Es ist eine Qualität von Klagenfurt, dass alle überfordert sind, Autoren, Jury und das Publikum - da sitzen sie vor dem frisch verlesenen Text und müssten erst zu ihrer Sprache finden. Dabei konnte schon mal Geplapper rauskommen, falsches Lob, ein Fehlurteil. Nirgendwo gibt es Gerechtigkeit auf Erden. Bloß in Klagenfurt, da stirbt mit Einführung der Gerechtigkeit die Show.

Mag sein, dass es Lustigeres gibt, als sich so kurz vor Goethes 248. Geburtstag über deutschsprachige Literatur und deren wichtigste Förderer zu streiten: Ja nun! Nicht, dass deutschsprachige Literatur uns nichts zu sagen hätte. Sie tut das nur in einer Sprache, die es außerhalb der Literatur nicht gibt.

Gerade hat ein Freund am Telefon vom Bachmann-Preis auf 3sat einfach umgeschaltet zu MTVs "The Grind". Ein Bikinimädchen macht "Mmm ..." und fasst sich an den Bauch.

[Moritz von Uslar, Süddeutsche Zeitung, 1. 7.1997]


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