"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Einmal jährlich, so einfach ist das, sollte das gute Buch erscheinen. Man dürfte mit dem Finger darauf zeigen, es Seite für Seite zerreißen oder sich an die Wand nageln, das deutschsprachige Buch: Nur lesen müsste man's können. Dann gäb's kein Gaga, kein Blabla, kein Trallalla. Dann gäb's aber auch keine "21. Tage der deutschsprachigen Literatur" und keinen Bachmannn-Preisträger 1997


Erster Verschnaufer nach vier Tagen und Nächten Klagenfurt. Irgendwo zwischen den Ups und Downs, die sich für jeden hier aus seiner idealen Kombination aus Weißweinschorle, Espresso und Zigaretten ergeben, lagen die 16 Lesungen mit anschließender Jurorendiskussion und Publikumsapplaus: Wir sind alle gut fertig.

Da steht der deutschsprachige Literaturbetrieb vor dem ORF-Theater in Klagenfurt und reibt sich die Augen. Der Preisträger, von Kameras und Sony-Professionals-Recordern umstellt, versucht sich dem Tremolo der Fragen durch 360Grad-Umdrehungen seines Preisträger-Kopfes zu stellen. Rot angelaufen ist der gerade und bringt nur Fetzen seiner preisgekrönten Sprache hervor: "... eine Medienkritik, ja klar ... die Literatur muss sich dem Zugriff der Massenmedien auf den einzelnen entgegenstellen!" Dann, vollkommen sympathisch, mitten aus dem Preisträger-Herzen heraus: "Grüß Gott und auf Wiederschaun! Ich habe nicht mit dem Preis gerechnet."

250000 Schilling (etwa 37000 Mark) kriegt Norbert Niemann, 36, der auf niederbayerischen Wiesen beim Städtchen Landau zu Hause ist, für seinen Text, einen Auszug aus seinem ersten Roman, der wird im Frühjahr bei Hanser erscheinen.

Mit 120000 Schilling ist der Preis des Landes Kärnten dotiert: Die kassiert Steffen Kopetzky, 26, aus Berlin, für seinen Essay "Einbruch und Wahn". Der Ernst-Willner-Preis (100000 Schilling) geht an Bettina Galvagni, 21, aus Bozen, das 3-sat-Stipendium (6000 Mark) an Zoe Jenny, 23, aus Basel.

Durchwegs sympathische, irgendwohin weggetretene Menschen haben hier drei Tage lang gelesen. Unter anderem auch Thomas Meinecke. Der lehnt sich gleich zu Beginn der Veranstaltung an die Pappsäule "Bachmann Preis 97", da gibt die Säule nach, weil sie aus Pappe ist, und Meinecke schaut die Säule an: sieht lustig aus und voll daneben. Zwei Autoren rauchen Pfeife, der Rest, mit den Ausnahmen Galvagni, Krohn und Meinecke, Zigaretten - immerhin etwas hat sich die Literatur aus ihrer guten alten Zeit bewahrt.

Kopetzky trägt unter der Klagenfurter Mittagssonne bei 28 Grad einen V-Schnittpullover auf nackter Haut und räkelt sich - das ist sein großer Moment. Galvagni, jüngste und bleichste im Wettbewerb, sieht aus, als könne sie jederzeit in Tränen ausbrechen. Ansonsten trägt deutschsprachige Literatur bevorzugt Pferdeschwanz (männlich) und hennarot gefärbtes Haar (weiblich). Kaum wurde übrigens außerhalb der Jury über Favoriten diskutiert: Verdient, hieß es, hätte jeder jeden der vier Preise, gewinnen sehen konnte man letztendlich aber jeden der vier Preisträger.

Einen Autor gab es - der war zu gut. Wolfgang Schlüter, Jahrgang 48, sitzt irgendwo in einer Steinhütte auf Irland an der Übersetzung eines in Vergessenheit geratenen Shakespeare-Vorläufers und hat ein wahres Wunderwerk an Bildungswut, philosophischen Zitaten und Formulierlust vorgelegt.

[Moritz von Uslar, Süddeutsche Zeitung, 1.7.1997]


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