"DIE LUST
AM ERZÄHLEN" 25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.
Die Jurorinnen und Juroren 1998
Eingespieltes Ritual In den Pausen zwischen den Lesungen sieht man die Juroren manchmal in der Zeitung blättern: ein neutralisierender Schluck Wasser zwischen den Gängen einer Weinprobe. Wenn sie dann wieder hinter ihren blauen Pulten sitzen, entwickelt sich das Gespräch zumeist nach einem eingespielten Ritual. Hardy Ruoss, für den das Adjektiv "hemdsärmlig" erfunden worden sein könnte, eröffnet den Gang der Diskussion beinahe jedes Mal mit einem gutmütigen Urteil, doch wenn es ernst wird, steigt er aus wie ein Hase beim Langstreckenlauf. Iso Camartin legitimiert seine Autorität als Sprecher der Jury durch die gegenteilige Strategie: Fast immer hält er sich lange zurück, wartet ab, bis sich die konträren Positionen herausgebildet haben, um dann mit souveräner Geste abzuwägen und zusammenzufassen. Thomas Hettche sitzt vielleicht nicht zufällig
am äußeren Rand der Jurorenrunde: Seine Beiträge, präzise
und angenehm unprätentiös, würden ihren Charakter des unerwarteten
Einwurfs ein wenig einbüßen, kämen sie aus der Mitte der
Runde. Silvia Bovenschen und Iris Radisch wiederum, die etablierte Literaturwissenschaftlerin und die etablierte Literaturkritikerin, repräsentieren auf jeweils eindrucksvolle Weise ihre Disziplinen und bilden die beiden Pole der Jury im Umgang mit den vorgetragenen Texten. Man könnte von zwei verschiedenen Beglaubigungstechniken des Urteils sprechen: Argumentation und Tautologie; das Vertrauen in die Substanz der eigenen Rede und das Vertrauen in die Instanz der eigenen Position. Wenn Silvia Bovenschen spricht, versucht sie dem Text in seiner Struktur und in seinem Tonfall gerecht zu werden. Wenn Iris Radisch spricht, kann man mitverfolgen, wie das Bewusstsein, einflussreiche Kritikerin zu sein, jedes Argument überflüssig macht. Sie kritisiert, indem sie ohne Kommentar zwei oder drei Stellen vorliest. Sie lobt, wie ein Trainer, dessen Autorität über jeden Zweifel erhaben ist, einen jungen Spieler lobt. [Andreas Bernard, Süddeutsche Zeitung, 29.6.1998]
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