"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Der Wahnsinn als Zufluchtstätte, die Beschäftigung mit dem Sinnlosen als demonstrativer Zeitvertreib derer, die keinen Sinn sehen, der Versuch, sich ohne Hoffnung auf eine (politische) Veränderung mit sozialer Realität abzufinden, die man ablehnt: So etwa lassen sich die thematischen Schwerpunkte der Texte beim diesjährigen Wettlesen um den Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preis formulieren.


Im Jahr der Fische

Der zweiundzwanzigste Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt

Das Klagenfurter Bestiarium wächst. Viele Jahre lang hatte man beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb vor allem über scheue Autorenrehe und hochmütige Kritikerhirsche gesprochen, die Sechzehnender des Literaturbetriebs, die Reviere eroberten, verteidigten und wieder verloren - ein Schicksal, dem kein Hirsch entrinnt. Im vergangenen Jahr war der Hase hinzugekommen oder vielmehr das Häschen, das tief drinnen den Autorenhirsch in sich röhren hörte und sich frohgemut aufmachte zum ersten Klagenfurter Literaturkurs, einer Art Talentbörse für Nachwuchsschriftsteller, mit der der Bertelsmann-Konzern eine Berliner Literaturagentur sponsert. Nun, in diesem Jahr, dem zweiundzwanzigsten des Bachmann-Wettbewerbs, ist es an der Zeit, vom Fisch zu sprechen.

Am Abend, wenn der Berichterstatter auf der kleinen Brücke steht, die einen Seitenarm des Wörthersees überspannt, sieht er ins Wasser und ist ganz still. Bald schon lösen sich Schatten vom Ufer, und die freien Bewohner des Sees zeigen sich: die schlanke Reinanke, der geschniegelte Saibling, die fröhliche Forelle und der dicke, alte Wels, grindig und wohl schon altersblind. Nur ein paar Schritte weiter, auf der Terrasse des legendären Ausflugsrestaurants, in dem sich allabendlich der Literaturbetrieb versammelt, kann man den Tieren ins Auge blicken. Dicht an dicht drängen sie sich im Aquarium zusammen und warten auf den Gast, der sie verzehrt. Nicht jeder Fisch ist ein freier Fisch.

Als John von Düffel, der später mit dem Ernst-Willner-Preis ausgezeichnet werden sollte, von der Kunst des Forellenfischens las, dachte noch niemand daran, dass es auch weniger elegante Arten des Fischfangs gibt. Düffel las einen Auszug seines Romans "Vom Wasser": Eine ruhige, detailverliebte, mitunter etwas zu schmuckreiche Prosa, deren Stärke vielleicht weniger in der Präzision der Anschauung als in dem Geschick besteht, mit dem hier ein Autor Figuren entwirft, in Beziehung zueinander bringt und so die Neugier des Lesers weckt.

Warum die Jurorin Iris Radisch, engagiert und temperamentvoll wie schon in den Jahren zuvor, gerade diesen Text mit großen Gesten und kleinen Argumenten verriss, gehört zu den Mysterien ihrer Profession.

Düffels Roman wird im Herbst im ersten Programm erscheinen, mit dem der DuMont Verlag sich in die Gefilde der Belletristik begibt. Die Leseexemplare für den Buchhandel und die Kritik sind bereits ausgeliefert, und damit den Klagenfurter Gesetzen Genüge getan wird, die auf unveröffentlichten Wettbewerbstexten bestehen, hat der Verlag kurzerhand jene Seiten, die der Autor vortrug, weiß gelassen.

[Hubert Spiegel, FAZ, 29.6.1998]
Foto: Anita Schiffer-Fuchs


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