"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Dieter Bachmann, Arzo/CH
Silvia Bovenschen, Frankfurt a. M. /D
Thomas Hettche, Frankfurt a. M. /D
Ulrike Längle, Bregenz /A
Iris Radisch, Hamburg /D
Hardy Ruoss, Richterswil u. Zürich /CH
Robert Schindel, Berlin und Wien /A

 


Selten hatte es derart viele Akkreditierungen in Klagenfurt gegeben. Noch nie wurde für das Wettlesen derart viel Geld zur Verfügung gestellt. Für sowenig Literatur: Für soviel Irgendwie?Literatur.

Es gab irgendwie sehr schöne Texte (von Katharina Hacker), irgendwie sehr raffinierte (von Patricia Görg), irgendwie sehr lustige (von Thomas Kapielski), ein paar irgendwie schlechte und ganz viele irgendwie langweilige. Es ging irgendwie um Vereinsamung, um verlorene Identität und die Rettung der Erinnerungen, Fernseher kamen vor, und es wurde viel erbrochen. Viele hatten viel Zeit im Germanistikseminar vertan, viele erzählten viel zuviel. Sehr viel Kunstwollen gab's und nur wenig wirkliche Kunst.

Zumindest die Jury hatte es sich unter dem von ihnen eingeladenen großen Irgendwie recht gemütlich eingerichtet. Hardy Ruoss rettete mit riesigen Armbewegungen diverse todgeweihte Texte. Ulrike Längle lächelte viel. Dieter Bachmann nacherzählte gern. Iris Radisch giftete zum Glück wie immer.

Thomas Hettche schien sich auf seinen Ruhestand vorzubereiten. Silvia Bovenschen gab das intellektuelle Herz des im Irgendwie herumstochernden literarischen Septetts, Robert Schindel dessen seltsam verschwiegenen Jurysprecher.

Weitgehend führungslos debattierten sie pflichtbewusst ihre Minuten ab und stritten sich besonders gern über ihr kritisches Handwerkszeug. Ihnen die Texte einige Zeit vorher zum Lesen zu geben, hat der lähmenden Ausgewogenheit vielleicht, der Brillanz ihrer Beiträge aber nicht wirklich genutzt. So war man schon froh, wenigstens ein Thema zu haben, wenn gar nichts mehr getuschelt wurde über gerade verglühte oder noch ausstehende Geheimfavoriten, wenn das Grübeln über der Frage "Was tun, wenn Jörg Haider kommt, den Landespreis zu übergeben" in Verzweiflung geendet hatte, wenn man sich also schon sprach- und hoffnungslos dem Blubbern der Fische im Aquarium von Maria Loretto, der Klagenfurter Ultrahochpreis?Kantine des Literaturbetriebs, anheim geben wollte.

Zum Glück fürs Wachbleiben waren mit dem großen Irgendwie nämlich die Pferdeflüsterer eingeritten in Klagenfurt. Und da hörte man von sagenhaften Vorschußsummen, die für kaum fertiggestellte Manuskripte deutschsprachiger Autoren inzwischen ausgehandelt werden. Von den sich kolossal vermehrenden und dem Nachwuchs hinterherhungernden Agenten, die auf dem durchdrehenden Markt die Preise (mit?) bestimmen. Von Optionsverträgen, mit denen literarisches Frischfleisch, möglichst bevor es überhaupt zu schreiben begonnen hat, an Verlage gebunden werden soll. Selten wurde derart viel über Geld geredet in Klagenfurt. Ein Hauch Amerika wehte am Fuß der Karawanken.

[Elmar Krekeler, Die Welt, 28.6.1999]


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