Startschuss für den Bachmannpreis 2009

Was vor 33 Jahren im Klagenfurter Stadthaus als Experiment begann, ist eine nicht mehr wegzudenkende Größe des Literaturbetriebs: Der Bachmannpreis. Die Eröffnung der Bewerbes stand heuer ganz im Zeichen des Aufbruches Richtung Europa und der Kritik.

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Lesen live (25. - 28. Juni ab 10.00 Uhr)
Aufzeichnung der Eröffnung vom 24. Juni
Klagenfurter Rede zur Literatur

Das geschriebene Wort, es lebt:

Der Bachmannpreis wendet sich wieder Richtung Europa, mit ihm die Stadt Klagenfurt. ORF-Kulturmoderatorin Clarissa Stadler begrüßte heuer zur Eröffnung - sie wird heuer durch den Wettbewerb führen. In drei Ländern - Deutschland, Belgien und Österreich - aufgewachsen, kann man sich nicht nur deshalb keine passendere Moderatorin für die Austragung dieses "Festes" der Literatur wünschen.

Clarissa Stadler (Bild: ORF)Clarissa Stadler (Bild: ORF)

Erstmals werden die Tage der deutschsprachigen Literatur von ORF-Literaturexpertin Clarissa Stadler moderiert.

"Ich selbst bin übrigens auch neu"

Stadler ging in ihrer Moderation auf die allerorts wahrnehmbaren veränderten Vorzeichen für die Literatur ein: Die "Finanzkrise" zwinge die Kunst zur Umkehr, "Visionen und Utopien" wären gefragt - der Fokus liege auf dem schöpferischen Prozess, nicht mehr auf den Befindlichkeiten des "Ich". Gefragt sei "ein Utopia der Sprache" - ganz so, wie es Ingeborg Bachmann einst in ihrer Poetik-Vorlesung gefordert hatte.

Stadler stellte die vier neuen Jurymitglieder vor und meinte dann lapidar: "Ich selbst bin übrigens auch neu". Auch auf die Performance vier neuer Jurymitglieder darf man gespannt sein: Paul Jandl, Karin Fleischanderl, Meike Feßmann und Hildegard Elisabeth Keller werden das Juryteam rund um den Vorsitzenden Burkhard Spinnen vervollständigen.

Ehrengäste (Bild: ORF/Johannes Puch)Ehrengäste (Bild: ORF/Johannes Puch)

Ein bis auf den letzten Platz gefülltes ORF-Theater und zahlreiche Ehrengäste zeugten von der Bedeutung der Veranstaltung in Klagenfurt.

"Mehr Gewicht für die Macht der Wortes"

ORF Landesdirektor Williy Haslitzer gab "sachdienliche Hinweise" zu diesem "Betriebsausflug der Literaturszene", der von ORF, der Landeshauptstadt Klagefurt und 3sat gemeinsam veranstaltet wird. Durch das Internet-Projekt "Bachmannpreis goes Europe" werde der "Macht des Wortes", so Haslitzer, noch mehr Gewicht verliehen.

Das Experiment des Vorjahres habe sich angesichts der vielen Übersetzungen - etwa von Markus Orths Zimmermädchen oder Tillmann Rammstetts "Der Kaiser von China" - als "Volltreffer" erwiesen, beinah müsse man deshalb von "bachmannpreis goes worldwide" sprechen. Jeder Autor sei durch die qualitativ hochwertigen Übersetzung in sieben Sprache bereits "Sieger" zu nennen.

Wie es der Brauch verlangt, übergab Haslitzer wie jedes Jahr ein Bücher-Geschenk an die Organisatorin des Bachmannpreises, Michaela Monschein und meinte: "Madame Bachmannpreis, sie hat es wieder hingekriegt". Sie wurde von Haslitzer liebevoll eine "Literaturimperialistin" genannt und erhielt als Präsent ein wertvolles Buch.

Willy Haslitzer (Bild: ORF)Willy Haslitzer (Bild: ORF)

ORF-Landesdirektor Willy Haslitzer bestätigte, dass sich das Experiment 'Bachmannpreis goes Europe' als "Volltreffer" erwiesen habe.

Erfolg ist abhängig von "richtiger Plattform"

Dann bat Haslitzer - nicht ohne den Autoren vorher noch zu wünschen, nicht im "Wörter-See" baden zu gehen - die Vorstände der Sponsoren von "Kelag" und "Hypo Group Alpe Adria", Werner Pietsch und Kurt Makula, auf die Bühne.

Hypo-Vorstand Makula betonte, dass Erfolg immer von der richtigen "Plattform" abhängig sei: Dass Kroatisch als achte Sprache zum Bewerbe hinzukomme, passe perfekt zum Sponsor angesichts der Tatsache, dass auch die Hypo ihre ersten Expansionsschritte in Richtung Kroatien gesetzt habe.

Querpass zwischen Literatur und Fußball

Werner Pietsch verwies auf den "Querpass" zwischen Literatur und Fußball, dem auch heuer wieder mit einem Fußballmatch der Österreichischen Literatennationalmannschaft gegen die Mannschaft "Tddl-Literatur" Tribut gezollt wird.

Willy Haslitzer, Kurt Makula, Werner Pietsch (Bild: ORF/Johannes Puch)Willy Haslitzer, Kurt Makula, Werner Pietsch (Bild: ORF/Johannes Puch)

Die Vertreter der Hauptsponsoren (im Bild Landesdirektor Willy Haslitzer mit Kurt Makula und Werner Pietsch) bekräftigten, wie wichtig ihnen das Engagement beim "Wettlesen" in Klagenfurt sei.

Ein "Zugang in eine andere Welt"

Die politischen Grußworte wurden in diesem Jahr von Finanz- und Kulturreferent Albert Gunzer überbracht. Er unterstrich den "besonderen Stellenwert" der Literatur. Im Lesen komme man aus der Einbahnstraße "Stress" heraus, erhalte Zugang in eine "andere Welt".

Programmdirektor bekannte sich zum Bewerb

wolfgang Lorenz, Clarissa Stadler (Bild: ORF/Johannes Puch)wolfgang Lorenz, Clarissa Stadler (Bild: ORF/Johannes Puch)

Der Programmdirektor des ORF, Wolfgang Lorenz, outete sich als "Skeptiker der ersten Stunde", der Ernst Willner und Humbert Fink einst von der Idee, einen Literaturwettbewerb abzuhalten, abgeraten habe. Heute, müsse man sich "zum Bewerb bekennen".

Clarissa Stadler ließ die Anwesenden in Richtung Lorenz dann noch wissen: Gottseidank setzen Sie sich so selten durch, Sie haben mir damals auch von einer Bewerbung beim ORF abgeraten" - und erntete Lacher.

Höhepunkt: Die Klagenfurter Rede zur Literatur

"Der Katzensilberkranz in der Henselstraße" des Kärntner Autors Josef Winkler geriet den politischen Vertretern von Land und Stadt zum dunkelgrauen Vorwurf, brachte das Publikum aber dazu, minutenlang zu applaudieren.

Mehr dazu in kaernten.ORF.at:
Winklers Text gegen die Mächtigen in "K"

Buchstäblich warf Winkler den Politikern "Ks" (eine auch von Ingeborg Bachmann verwendete Abkürzung für Klagenfurt) ihr "Katzensilber" vor die Füße, prangerte deren Geldverschwendung in Form von Fußballstadien und Steuerberaterhonoraren an.

Josef Winkler (Bild: ORF/Johannes Puch)Josef Winkler (Bild: ORF/Johannes Puch)

Die 'Klagenfurter Rede zur Literatur' von Josef Winkler, der nicht mit Kritik an den Verhältnissen in 'K' sparte, sorgte für Begeisterung unter den im Saal anwesenden Zuhörern.

Kritik am "sinnlosen Tod eines kleinen Buben"

Die Hauptkritik des Autors galt aber dem zwei Jahre zurückliegenden Tod des kleinen Buben Lorenz Woschitz auf einer Baustellenkreuzung in der Klagenfurter Radetzkystraße.

Weil, so Winkler "immer wieder Personal zu Arbeiten ins Fußballstadion abgezogen" worden sei, man wochenlang keine Arbeiter auf nämlicher Baustelle gesehen habe und die verantwortlichen Straßenbauer - Winkler nannte sie "die Sensenmänner von Klagenfurt" - "schließlich den Tod eines Schulkindes buchstäblich aus dem Asphalt gestampft" hätten.

totale ORF Theater (Bild: ORF/Johannes Puch)totale ORF Theater (Bild: ORF/Johannes Puch)

Detonation mit "langen Nachbeben" erwartet

Mit einem Seitenblick auf die herrschende politische Kultur stellte Winkler fest, dass die Kinder "keine Zukunft" haben würden. "Sie (die Politik, Anm.) haben kein Geld für eine Bibliothek für Kinder und Jugendliche. Sie haben kein Geld für Bücher. Sie haben kein Geld für die Bücher von Ingeborg Bachmann.

"Diese Detonation wird in Klagenfurt noch lange für Nachbeben sorgen", stellte Clarissa Stadler nach Winklers Rede fest.

Auf Wunsch des Autors Josef Winkler wurde die 10. Klagenfurter Rede zur Literatur: Der Katzensilberkranz in der Henselstraße von der Site genommen.

    
Man erwartet "eine gnadenlos-humane Jury"

Burkhard Spinnen (Bild: ORF/Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: ORF/Johannes Puch)

In seiner "Antrittsrede" sagte Juryvorsitzender Burkhard Spinnen dann, es falle ihm nun schwer, mit einer "eleganten Wendung" zum Betrieb zurückzukehren. Auch wenn man sich zuhause vorbereite - "in Klagenfurt ist dann wieder alles anders als man denkt".

Es sei nicht einfach, die hohen Ansprüche in Klagenfurt zufriedenzustellen. Man erwarte sich 14 literarische Meisterwerke brillianter Autoren, die bisher im Verborgenen gewerkt hätten, um nun entdeckt zu werden und eine gnadenlos-humane Jury.

Aber: Literatur bedeute eben auch "sehr viel Scheitern und Versuchen, und ein wenig Gelingen", Klagenfurt sei auch ein fortwährendes "Ringen um die Möglichkeiten zeitgenössischer Literatur".

Barbara Johanna Frank

Die Reihenfolge der Lesungen

 

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