Weiss verspeiste seinen Text

"Blätterliebe" - der Text des Österreichers Philipp Weiss beleuchtet die "Liebesmomente" im eigenen Schreiben, das Schaffen und Zerstören. Der Autor bewies diese "Blätterliebe" auch - und aß den Text "coram publico" auf.

"Eine nicht ganz unanstrengende Lesung"

Der 27-jährige Wiener ist heuer der jüngste Autor. Nach seiner "sicher nicht ganz unanstrengenden Lesung" (Clarissa Stadler) ging es an die Kritik. Zu diesem Zeitpunkt konnte allerdings noch niemand - außer dem Autor - ahnen, wie "anstrengend" es noch werden sollte.

Philipp Weiss
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IPB_Clarissa Stadler (Bild: ORF/Puch)IPB_Clarissa Stadler (Bild: ORF/Puch)

Sulzer fühlte sich "gut unterhalten"

Alain Claude Sulzer bemerkte, er habe diesen Text jetzt zum dritten Mal "mit großem Vergnügen" gehört. "Mir kommt das Ganze als ein sehr lustvolles Auf-der-Stelle-Treten vor, die Katze beißt sich hier in den eigenen Schwanz". Er sei "gut unterhalten" worden, auch wenn er den Schluss "nicht ganz verstehe".

Text bewies Fingerfertigkeit, aber nervte

"Schöpfung und Vernichtung gehen hier in eins", so Ijoma Mangold: "Wir haben es mit einer typischen Geschichte über eine schriftstellerische Schaffenskrise zu tun". Wort und Zeichen, Fleisch und Liebe würden zwar als Gegensatzpaare fungieren, im Inneren des Textes sei - wie im Magen des Protagonisten - aber nur "Papier" vorzufinden: Ein komplizierter Prozess, den der Text hier mit "großer Fingerfertigkeit" darstelle: Die habe ihn aber auch genervt, weil der Mechanismus der Pointen "spätestens auf Seite vier" durchschaut sei.

Karin Fleischanderl setzte zur Verteidigung an: Der Text demonstriere den Zustand der postmodernen Literatur - dass alles bereits geschrieben sei - auf eine neue Art und Weise. Das Bild vom "Papier im Magen" sei ihr neu. Das Grundprinzip der "Wiederholung" sei Merkmal einer artifiziellen Sprache, betonte die Jurorin.

IBP_Philipp Weiss (Bild: ORF/Johannes Puch)IBP_Philipp Weiss (Bild: ORF/Johannes Puch)

Ein Text zum Anhören, nicht zum Lesen

Hildegard Elisabeth Keller ging es "ähnlich wie Ijoma Mangold". Beim Lesen habe sie der Text genervt, im Vortrag wiederum habe dieser ihr sehr gut gefallen. "Wir haben es hier mit einem ganz hinterhältigen Märchen auf den Bachmannpreis selbst zu tun": Der 33-jährige Oskar produziert laufend Text, dann gibt es eine Endoskopie, es wird also etwas "durchleuchtet". Diese Allegorese sei am Text interessant. Nicht unerwähnt bleiben dürfe auch der "magische Akt der Einverleibung" durch das Aufessen des Papiers, auf den die Mediävistin extra hinwies. Für sie eine "uralte magische Tradition".

Jandl von "Zwangsorganilität genervt"

"Nichts nervt mehr, als Humor, den man nicht teilt", kritisierte dann Paul Jandl. Ihn hätten diese "Zwangsoriginalität", diese "Redundanzen" genervt. "Der Text will klüger und origineller sein, als er imstande ist zu leisten".

Feßmann attestierte "Charme und Humor"

Meike Feßmann merkte an, der Text arbeite eben nicht parodierend, sondern würde die Arbeit des Autors am Schreiben selbst beleuchten: "Während das passiert, entsteht eben Text. So nach dem Motto: Und wieder habe ich drei Zeilen mehr". Trotzdem hätten ihr die slapstickartigen Krankenhausszenen sehr gut gefallen. Was ihr beim Lesen als zu viel "Textgebossele" negativ aufgefallen sei, habe im Vortrag wieder geklappt.

IBP_Burkhard Spinnen (Bild: ORF/Puch)IBP_Burkhard Spinnen (Bild: ORF/Puch)

Eine Variation und keine Etüde

Burkhard Spinnen meinte dann in Richtung Feßmann: Der Text konfrontiere mit dem Erscheinen von Literatur als "vorgelesener Text" - eine wichtige Angelegenheit. Im Text münde das Schreiben des Protagonisten in einer "Lebensbehinderung". Es sei eine Variation und keine Etüde, so Spinnen. Auch hier werde, wie im Text zuvor, ein bekanntes Thema aufgegriffen, reiche aber über dessen schiere Erfüllung hinaus: Eine "Abdominalgeburt".