Kritik am Text, Lob für den Vortrag

Karsten Krampitz ging mit "Heimgehen" an den Start. Sein Novellenauszug brachte die Frage aufs Tapet, wie Texte mit "open end" in Klagenfurt zu beurteilen seien: Nach dem, was da ist, oder dem was noch kommen könnte?

Guter Film aus mittelmäßigem Drehbuch

"Für mich sind Lesen und Hören des Textes schwer miteinander in Einklang zu bringen" hieß es zuerst von Alain Claude Sulzer. Vorher habe ihn der Text "nicht so brennend" interessiert - jetzt sehe man aber, dass ein guter Regisseur auch aus einem mittelmäßigen Drehbuch einen guten Film machen könne. "Rollenprosa, die eine Weile fesselt", so Sulzer.

Meike Feßmann meinte daraufhin: Auch ihr habe diese "Märtyrer- und Spitzelgeschichte" am Anfang gut gefallen, schließlich werde der Text aber Opfer seiner selbstgewählten "einfachen Mittel".

Karsten Krampitz
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Jury (Bild: ORF/Johannes Puch)Jury (Bild: ORF/Johannes Puch)

Der Text kam nicht sonderlich gut weg

Paul Jandl zufolge fehlt es Krampitz` Text an "Kontur", man wisse nicht, wohin sich diese Biographie noch entwickeln könne. Er könne in der Figur keinen politischen Menschen entdecken - genau das hätte ihn aber interessiert.

Karin Fleischanderl ortete in der "Stimmung" des Textes eine "durch und durch deutsche Biederkeit", von der sich auch der Autor nicht distanziere. Alles laufe auf die Pointe am Schluss hinaus.

Karin Fleischanderl (Bild: ORF/Johannes Puch)Karin Fleischanderl (Bild: ORF/Johannes Puch)

Einigkeit bei der Jury: "Vortrag war toll"

Ijoma Mangold versuchte die doch herbe Kritik seiner Kollegen zu entschärfen und meinte: "Ich habe den Eindruck, dass der Text die ganze Zeit so schlecht abschneidet, weil der Vortrag so toll war".

Altbekannte Probleme mit Textauszügen

Burkhard Spinnen thematisierte dann das alte Klagenfurter Problem des "Textauszugs". Die Novelle biete eine gewisse "Vorausschau", die aber nicht Thema der Diskussion sein dürfe. Die Figur des Protagonisten sei "nicht verortbar", auch wenn sich für später weitere interessante Konturen abzeichnen würden: "Ich fühle mich so, als hätte ich jedes meiner Beine in einem kleinen Kanu und schön langsam gehe ich in den Spagat über", so Spinnen.

Burkhard Spinnen, Karsten Krampitz (Bild: ORF/Johannes Puch)Burkhard Spinnen, Karsten Krampitz (Bild: ORF/Johannes Puch)

Hildegard Elisabeth Keller dankte Spinnen für die "grundsätzliche Klarstellung", was die Problematik des Textauszugs betreffe und meinte dann, dass wohl das innerdeutsche dialektale Erlebnis beim Vortrag zu Spinnens "Spagatgefühl" beigetragen habe. Sie sei fasziniert von dem "krimihaften Auftakt" gewesen, die emotional-sachliche Nähe dieser "von Innen heraus geschriebenen" Geschichte habe sie überzeugt.

Empörtes Raunen aus dem Publikum

Schließlich meldete sich auch der Autor zu Wort und meinte, "Das Stasi-Motiv ist nur ein Aufhänger" - "Dann ist der Text zu harmlos", lautete die Replik Meike Feßmanns. Dem Publikum ging diese negative Besprechung des Textes zu weit, im ORF-Theater wurde empörtes Raunen hörbar.

Moderatorin Clarissa Stadler meinte schließlich: "Eine sympathische Diskussion, alle rede durcheinander und auch das Publikum mischt sich ein. Eine positive Wendung im 33. Jahr des Bewerbes!".