Bönt geht als Favorit ins Rennen
Mit Ralf Bönts "Fotoeffekt" ging es an diesem zweiten Lesevormittag weiter: Der Berliner Autor wurde von Meike Feßmann für den Bewerb vorgeschlagen. Die Jury zeigte sich zum Großteil von dem Text fasziniert - ein erster Favorit?
Bönts Novellenauszug erzählt die Geschichte der Physiker Michael Faraday und Heinrich Hertz aus der ungewöhnlichen Perspektive eines Lichtteilchens. Es geht darin um Elektromagnetismus, Quecksilberdämpfe und die Irrwege und Opfer der Wissenschaft.
Ralf Bönt
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Lesung
Diskussion
Für Keller ein "tollkühner Erzähler"
"Hier haben wir es mit einem Kamikaze-Text zu tun", bemerkte Hildegard E. Keller in Anspielung auf das "Erzähler-Photon". "Es gibt tolle, es gibt kühne - und es gibt tollkühne Erzähler" - hier werde ein Ich konstruiert, dessen Identität erst am Ende gelüftet werde. "Ein Kaninchen, das der Autor da aus dem Hut zaubert". Einziger Einwand: "Die Frage ist, wie früh so etwas in einem Text angekündigt werden muss."
Drehschwindel, Zeitebenen und Inkohärenzen
"Ich bin ein Opfer des im Text angesprochenen Drehschwindels" bekannte dann Paul Jandl: "Ich weiß nicht, was mir der Text erzählen will". Die verschiedenen Zeitebenen würden "aneinander gezwungen", die Sprache sei voller "schräger Bilder" und "Inkohärenzen".
Viele schlampige und falsche Bilder
Auch Karin Fleischanderl war nach Bönts Lesung gar nicht überzeugt: "Diese Sprache operiert mit leeren Bedeutungen. Die Sätze glänzen an der Oberfläche, ihr vorgestellter Tiefsinn hält aber einer näheren Überprüfung nicht stand". Der Sinn werde hier dem "Preziösen" geopfert. Zudem gebe es "viele schlampige und falsche Bilder" und "Regelbrüche", die "keinen poetischen Mehrwert" bieten würden. "Zu aufgebrezelt das alles", lautete ihr Urteil.
Feßmann erklärte
Heike Feßmann versuchte daraufhin Ordnung in die Sache zu bringen: Durch die gewählte Erzählerperspektive sei klar, warum der Text und sein Erzähler an allen Orten zugleich sein könne: die Leben der beiden Wissenschaftler - einer in Hamburg, der andere in London - würden so miteinander verknüpft.
"Neuzeitliche Teufelsverschreibungsgeschichte"
Ijoma Mangold gehörte zu den Befürwortern des Textes: "Dass ich nicht alles an einem Text verstehe, hat mich noch immer für diesen eingenommen". Er zeigte sich "stark beeindruckt" von Bönts Text. Der einzige Vorwurf, dem man diesem machen könne sei vielleicht, dass er in die Fußstapfen Daniel Kehlmanns trete. Aber dieses neue Genre "Wissenschaftsliteratur" gebe viel her. "Ich sehe hier eine neuzeitliche Teufelsverschreibungsgeschichte auf der Ebene des Materialismus: Das Quecksilber bringt die Wahrheit ans Tageslicht, aber es versetzt den Entdecker gleichzeitig in die Dämmerung". Dieser Text sei "preziös" im spannenden Sinne zu nennen.
Spinnen äußerste sich vorsichtig
Burkhard Spinnen schlug sich auf die Seite der vorsichtigen Befürworter, befand die Perspektive des "Photons" für "toll" und "unverschämt". Gerade die Wissenschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts sei interessant, weil sie uns viel darüber erzähle, "wie sind wir diese Gesellschaft geworden, aus welchen Köpfen und Körpern sind wir entstanden". Sein großes Aber: "Mir gefällt dieser Gestus des Verfügens über Geschichtsmaterial nicht - so a la` "Hier kommt der große Zampano". Außerdem, monierte Spinnen "Ich muss immer machen was der Text mir sagt, ich hoppel da so hinterher".
Sulzer ließ sich "gerne verführen"
Auch Alain Claude Sulzer zeigte sich eingenommen: "Was der Text mit erzählt ist so elegant geschrieben, ich glaube ihm alles und lasse mich von diesem Erzähler gerne verführen". Kleine Fehler wie falsche Alterszahlen wären da zu verschmerzen, so Sulzer.
Barbara Johanna Frank