Petersens Text - Kitsch oder Kunst?

Jens Petersens erzählt in seinem Romanauszug "Bis dass der Tod" die Geschichte einer verzweifelten Liebe im Prekariat, die in einem Euthanasie-Akt mündet. "Kitsch oder Kunst" war die Frage, über die sich die Jury nicht eing wurde.

Petersens - im Brotberuf übrigens Facharzt für Neurologie -wurde von Burkhard Spinnen eingeladen.

Jens Petersen
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Auslöser für seltsame "Prärie-Romantik"

"Ein sehr beklemmender Text, der klaustrophobische Zustände in mir ausgelöst hat", stellte Meike Feßmann als erstes fest - ein Moment, das an der Erzählung zu akzeptieren sei. Dem Präsens als Zeitform konnte die Jurorin allerdings nichts abgewinnen: "Man muss die Schraube nicht noch extra anziehen". Verwirrt zeigte sich die Jurorin darüber, dass der Text, mit seinen "Kolportageelementen" und "Fertigbauteilen" in ihr eine "seltsame Prärie-Romantik" ausgelöst habe. "Ich bin da im völligen Zwiespalt, das passt nicht".

Kameramann Anton Wieser (Bild: ORF/Johannes Puch)Kameramann Anton Wieser (Bild: ORF/Johannes Puch)

Eine "Ingredienzienliste des Todes"

"Ich glaube, ich kann ihnen weiterhelfen", begann daraufhin Paul Jandl. Die Bilder - der alte VW-Bus, der bankrotte Pharmakonzern, die verfallen Mühle, das ausgetrocknete Bachbett - wären "Spuren einer ganzen Ingredienzienliste des Todes". "Viel mehr wäre nicht gegangen, das ist auch mein Problem mit dem Text", so Jandl.

Paul Jandl (Bild: ORF/Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: ORF/Johannes Puch)

Sulzer: "Ich bin restlos begeistert"

Alain Claude Sulzer stellte fest, dass die gewählte Zeitform - der Präsens - Präsenz schaffe: "Ich habe das aus dem Bauch heraus gelesen und glaube dem Text jedes Wort. Es geht um den Tod - das vermittelt der Autor klar und präzise, ich bin restlos begeistert!".

"Bei diesem Thema sind die Gefahren sehr groß", begann Karin Fleischanderl ihre Kritik - um dann festzustellen, dass der Text es schaffe, unbeschadet zwischen "Scylla" und "Charybdis" hindurch zu schiffen. "Plastisch und sinnlich, sehr gut umgesetzt", lautete ihr Urteil.

"Eine wild-romantische Geschichte"

"Ich habe den Text nicht ganz verstanden", meinte dann ein dennoch vom Text eingenommener Ijoma Mangold, und fügte ergänzend hinzu: "Aber das macht nichts".

Eine rein psychologisch-realistische Deutung greife zu kurz. Die "post-apokalyptische Peripherie", in der der Text spiele, sei für ihn zwar nicht ganz einordenbar, aber beeindruckend. "Eine wild-romantische Geschichte, die mit dem Liebestod-Motiv spielt".

Burkhard Spinnen meinte dann: "Mir läuft es bei dieser sehr präzise gemachten Geschichte jedesmal eiskalt den Rücken hinunter. Ich bin sowas von gespannt, wie diese Figur im Roman weiterlebt!".

Jens Petersen (Bild: ORF/Johannes Puch)Jens Petersen (Bild: ORF/Johannes Puch)

Keller: "Irgendetwas ist unangenehm an dem Text"

Paul Jandl ortete im Text "eine gewisse Künstlichkeit" der Motive. Diese "postzivilisatorische Landschaft könne mit einem bösen Blick aber auch "Kitsch" genannt werden - diese ambivalente Deutung wäre im Text selbst angelegt. "Kitsch oder Kunst? Ich habe den Kampf darüber in mir noch nicht ganz ausgefochten".

Hildegard Elisabeth Keller schloss sich dieser Kritik an und sagte: "Irgendwas ist unerhört unangenehm am Text, das ist durch und durch trüb - ein zwar mit großer Kunst geschaffener, aber vollkommen lichtloser Text. Und: Wo sind die Gefühle des Protagonisten? Und welche Krankheit hat diese Frau überhaupt?

Clarissa Stadler (Bild: ORF/Johannes Puch)Clarissa Stadler (Bild: ORF/Johannes Puch)

Stadler: "Es muss nicht alles beziffert werden!"

Hier griff Moderatorin Clasissa Stadler in die Diskussion ein und meinte: "In einem Ausnahmezustand muss doch nicht alles beziffert werden!" Replik aus der Jury: "Wir reden hier aber über Literatur!".

Barbara Johanna Frank