Eine zweite Geschichte über den Tod

Mit "Auszeit" von Andreas Schäfer ging der zweite Lesetag zu Ende. Sicher war sich die Jury nur über eines: Der Text mache zwar "Lust auf mehr" - ein bisschen mehr "Wildheit" (Mangold) hätte aber nicht geschadet.

Der Text des deutschen Autors erzählt vom sozialen Absturz eines Piloten, der nach dem Tod seines Sohnes aus seiner selbstgeschaffenen Unverbindlichkeit und Distanz ins gesellschaftliche Abseits fällt.

Andreas Schäfer
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Fleischanderl: "Dieser Text berührt nicht!"

"Ich finde das ist ein sehr starker Text, der besonders zeitgenössisch und unspektakulär ist", eröffnete Hildegard Elisabeth Keller die Diskussion. Zögerlich ging es weiter: Karin Fleischanderl nannte den zwar "pannen-, aber auch spannungsfreien Text" Schäfers ein "deutsches Fernsehspiel". In linearer Erzählweise abgehandelt, berühre sie der Text im Gegensatz zu dem Petersens "überhaupt nicht".

Meike Feßmann, Alain Claude Sulzer (Bild: ORF/Johannes Puch)Meike Feßmann, Alain Claude Sulzer (Bild: ORF/Johannes Puch)

In diesem Text ist Tod nur "Nebenauslöser"

Heike Feßmann meinte: "Der Text ist in jedem Detail sehr gut erzählt - auch als gutes Männerporträt". Der Tod des Sohnes habe hier allerdings nur die Rolle eines Nebenauslösers, damit der Vater aus der Bahn geworfen wird. "Das macht mir die Sache etwas unheimlich. Während der andere Text ein bisschen mit dem Tod erpresst, geht mir dieser zu locker damit um".

"Die Prosa entspricht nicht einem Fernsehspiel"

"Das Thema ist hier aber auch ein anderes", verteidigte Alain Claude Sulzer. "Es geht um eine Auszeit von einem Beruf, der in aller Ausführlichkeit geschildert wird - die Unverbindlichkeit ist hier ein dem Piloten "zugestandener" Teil des Berufes". Sehr präzise gemacht, sei der Text trotzdem nicht um seine "sprachliche Originalität" bemüht - gerade das mache ihn besonders.

Die "Fülle an Bildern" trage jeweils eigenes zur Geschichte bei - Prosa, die "überhaupt nicht einem Fernsehspiel entspricht", so Sulzer in Richtung Fleischanderl. "Die Trauer hat den Mann autonom gemacht, das ist im Formalen des Textes umgesetzt. Das ist so glatt und genau, wie es auch das Leben des Mannes ist".

Andreas Schäfer (Bild: ORF/Johannes Puch)Andreas Schäfer (Bild: ORF/Johannes Puch)

Eine klare und glaubwürdige Geschichte

"Der Text hält sich so zurück - die Distanzhaltung ist wirklich pannenfrei, aber inwieweit erhebt sich der Text darüber hinaus?" fragte daraufhin Burkhard Spinnen. Vom psychologischen Standpunkt sei die Geschichte "sehr klar und glaubwürdig erzählt".

Paul Jandl verglich den Text mit jenem von Jans Petersen: "Hier werde hier mit wesentlich geringerer Tiefe erzählt."

Ijoma Mangold (Bild: ORF/Johannes Puch)Ijoma Mangold (Bild: ORF/Johannes Puch)

Mangold wünschte sich "etwas Wildes"

Auch Ijoma Mangold zeigte sich derselben Meinung: "Das ist sorgfältig und einfühlsam gearbeitet und erfüllt das eigene Erzählprogramm - es bleibe allerdings der Wunsch danach, ob man sich nicht "etwas mehr hätte vornehmen können" - er hätte sich noch "irgendetwas Wildes" gewünscht.

Barbara Johanna Frank