Lob und Kritik für Katharina Born
Mit Katharina Borns "Fifty-Fifty" ging es an diesem letzten Lesenachmittag in Klagenfurt weiter. Der Text spinnt ein Beziehungsgeflecht von der Zeit der 68er bis in die Gegenwart und erzählt von den "verpassten Gelegenheiten" im Leben. Mutter und Tochter - beide "hasslieben" denselben Mann: Die Chancen auf Liebe stehen dabei "fifty-fifty".
Katharina Born
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Viele Holprigkeiten und falsches Timing
Alain Claude Sulzer machte den Anfang: "Das ist eine Geschichte über Vaterliebe und das Verlassen des Elternhauses, es gibt aber eine ganze Reihe von Merkwürdigkeiten, die mir - bei dem Anspruch des Textes, hochrealistisch zu sein - sauer aufgestoßen sind". Dass etwa im Text eine 19-Jährige die Übersetzung eines bekannten Autors übernehmen solle, sei vollkommen unrealistisch: "Das gibt es auf der ganze Welt nicht".
Die geschilderte Situation "spießiger 68er" werde hier mit derselben spießigen Sprache erzählt. "Konventionell, ohne Doppelbödigkeit - die vorgestellte Gewalt finde ich nicht in der Sprache wieder", so Sulzers Urteil. "Zu viel Holprigkeiten und falsches Timing".
"Zu saubere und nette Atmosphäre"
"Der überfahrene Hund hat mir gut gefallen", sagte Paul Jandl - das sollte jedoch das einzige Lob des Jurors an dem Text bleiben. Die Geschichte sei zwar ein 68er Text, könnte aber auch in den 30er- oder 40er-Jahren spielen, so Jandl, um dann auch noch mit Verweis auf das Ende der Geschichte festzustellen: "Ich kann mir nicht vorstellen, wie überhaupt jemand in dieser sauberen und netten Atmosphäre schwanger werden kann".
Für Feßmann ein "ausgezeichneter" Text
Meike Feßmann widersprach: Der Text besitze sehr wohl einen "erotischen Unterton". Die Jurorin lobte die sprachlich schön gemachten Details und den "beweglichen Erzählfokus". Die Tragik sei, dass der Tochter dasselbe Schicksal wie der Mutter wiederfahre: Die Demütigung durch einen abgelebten Liebhaber. "Ausgezeichnet!".
Spinnen sah den Text als Film-Treatment
Burkhard Spinnen polemisierte: Der Text erinnere ihn an das "Treatment" für einen Film, einen Entwurf: Für ihn ein "dramatisch kurzer Text", in dem viele Probleme gebündelt werden. "Elf Seiten müssen 30, 40 Jahre packen". Die Figuren würden mit dem geschichtlichen Hintergrund ausstaffiert. Die Frage sei, so Spinnen: "Funktioniert das als Literatur, oder ist das ein Trick, mit dem vor dem Hintergrund einer Folie von Klischees erzählt wird?"
"Das Konkrete der 68er hat gefehlt"
"Der Text bleibt zu sehr an der Oberfläche", kritisierte auch Karin Fleischanderl. Sie hätte sich gewünscht, die Strukturen dieser "schlampigen Verhältnisse" von der Autorin auch vorgeführt zu bekommen. "Das Spezielle, konkrete der 68er hat mir gefehlt".
Mangold: "Spannungsfeld bleibt stets spürbar"
Ijoma Mangold verteidigte: "Es ist kein Trick, wenn ein zeitgeschichtlicher Kontext an die Figuren gelegt wird". Er betonte, die Geschichte sei von "unglaublichen Gewaltstrukturen" durchzogen, wobei das Spannungsfeld, in dem sich die Figuren bewegen würden, stets "spürbar" bleibe.
Barbara Johanna Frank