Gunther Geltinger (D) eröffnet Lesungen 2011

Gunther Geltinger eröffnete die Tage der deutschsprachigen Literatur 2011 mit einer Entschuldigung an Publikum und Jury: Er stottere, wie der Protagonist in seinem Romanauszug, der - in "lebenslänglicher Kälte" erstarrt - den Tod seiner Mutter heraufbeschwört. 

 

Gunther Geltinger (D) (Bild: Johannes Puch)Gunther Geltinger (D) (Bild: Johannes Puch)

 

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Lesung
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Strigl: "Blut-und-Kotze-Literatur"

Daniela Strigl hob als erste an, das sei nicht "Blut-und-Boden", wohl aber "Blut-und-Kotze-Literatur" Sie hegte gleich zu Anfang den Verdacht, dass der Autor Radikalität durch die im Text vorkommende Menge an Körpersäften generieren wolle. Dieser enthalte "einige gelungene Bilder", aber auch missglückte Metaphern, die zu genau zeigen würden, in welche Richtung es gehe. Zudem gebe es Widersprüche in der Figurenzeichnung - "im Kleinen zeige sich das Scheitern des großen Projekts", so Strigl.

Winkels lobte stockenden Vortrag

Hubert Winkels lobte den Vortrag des Autors, dieser habe zum "Stockenden" des Textes gepasst. 

Allerdings sei dieser in seiner Verstärkung des Unheils fast schon komisch zu nennen. Er hege den Verdacht, man habe es mit der Karikatur einer Schilderung einer untergehenden Dorfwelt zu tun. Als "Trashtext" hätte dieser für ihn funktionieren können, das sei aber wohl nicht im Sinne des Autors.

Hildegard E. Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard E. Keller (Bild: Johannes Puch)

Keller: "noch nicht verdaut"

"Die Rekonstruktion einer Kindheitsperspektive" meinte Hildegard E. Keller über den Text, der sich in einem "Zwischenzustand" zwischen dem "noch nicht verdauten" und dem Erbrochenen einer dramatischen Kindheit befinde: Das allerdings müsste stärker ausgeführt sein, wolle der Text funktionieren.

Feßmann: "Gut gemacht"

Meike Feßmann widersprach Daniela Strigl: Das sei ein enges, fatales Mutter-Sohn Verhältnis, vor allem die dieser Beziehung eigene Ambivalenz sei dabei wichtig: zwar sei der Text manchmal überinstrumentalisiert, weil es sich um einen Romananfang handle, aber wie hier Gegenwart und Erinnerung gegeneinander verschoben würden, sei "gut gemacht".

 

Jury (Bild: Johannes Puch)Jury (Bild: Johannes Puch)

 

Jandl: "Text will Literatur sein"

Paul Jandl meinte, "sehr starke Szenen" in dem Text gelesen zu haben, das Problem: Der Text wolle Literatur sein und müsse deswegen zu anfangs "seitenweise Literatur produzieren", um sich die eigenen Gefühle zu erzählen." Die existenzielle Betroffenheit werde hier zuerst in Literatur überführt, das sei "seltsam".

Sulzer verteidigt seinen Autor

"Warum soll es im hohen Norden nicht auch mal zugehen wie in Österreich", fragte Alain Claude Sulzer, Geltingers Text gegen die Einwände der Kollegen verteidigend. Es sei mit der vegetativen und der geografischen Ebene zwar alles von den Kollegen angesprochen worden, nur nicht das Artifizielle des Textes. Die klischeehafte Beschreibung der Landschaft spiegle sich in den Figuren wider. Dass dieser "Trash" sein wolle, würde er von sich weisen. 

 

Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)

Spinnen: "Text geht eine Menge Risiko ein"

Burkhard Spinnen meinte, dass der Text auf seinen Gegenstand hin zu befragen sei. Er attestierte dem Text, eine Menge Risiko einzugehen und gute Ansätze zu enthalten. "Hier hängt die Latte ziemlich hoch", der Text habe sich "schwierige Feinde" ausgesucht - "Respekt dafür", so Spinnen. 

Barbara Johanna Frank

TDDL 2011TDDL 2011