Daniel Wisser (A) Jurydiskussion

Der Kärntner Daniel Wisser las am ersten Lesevormittag als dritter Autor seinen Text "Standby". Die Jury war in Sachen des "Geschmacks" hier nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Daniel Wisser (Bild: Johannes Puch)Daniel Wisser (Bild: Johannes Puch)

 

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Lesung
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Winkels: "Inkonsistenter Text"

"Das überzeichnete Porträt eines Kleinbürgers" meinte Hubert Winkels aus Wissers Geschichte herauszulesen. Der für den Text gewählte "Passiv" als Form sei "mit einiger Konsequenz" durchgespielt, werde aber mit einer Systematik unterbrochen, die ihm nicht einleuchte. Ein "inkonsistenter" Text - in dem der Autor die "Standby-Existenz" seines Protagonisten mit den gewählten, "monotonen" Mitteln exekutieren wolle.

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Strigl: "Unheimlicher Protagonist"

Daniela Strigl war ganz anderer Meinung. Der Protagonist habe etwas Unheimliches, Ordnungsfanatisches an sich und sei versteckt aggressiv - was sie beim Lesen verstört habe. Seine offenbar "animistischen" Fähigkeiten, mit der er anderen Menschen den Tod wünschen könne, erinnerten sie an die Figur des "Adrian Monk". Außerdem fühle sich durch Wissers Text an Wilhelm Genazino oder Michel Houellebecq erinnert.

Daniela Striegl (Bild: Johannes Puch)Daniela Striegl (Bild: Johannes Puch)

Keller: "Immanente unheimliche Dimension"

Auch Hildegard E. Keller merkte die dem Text immanente unheimliche Dimension als positiven Aspekt an. Dieser zeige mehr von der Wirklichkeit  hier und heute, "als uns lieb sein kann", was auch durch die gelungene Präsentation des Autors, der den Text immer wieder durch kurze Pausen unterbrochen und teilweise auswendig vorgetragen hatte, deutlich geworden sei. Gleichzeitig sei dem Text sein hoher Aufwand, seine Künstlichkeit, anzumerken.  

Spinnen: Falsche Konjunktive

Burkhard Spinnen konnte und wollte dem so nicht zustimmen: der Text füge seinem gewählten Genre "bis auf das Callcenter" nichts hinzu. Gut, hier werde durch das Passiv deutlich, dass die Figur eben in die Passivität gerutscht sei. Die "falschen Konjunktive" hätten ihn aber teilweise "rausgehauen".

"Dieser Text hat nur einen Ausgang", so Spinnen, dem er später noch "hölzerne, mechanische" Sätze unterstellen sollte. Man merke dem Text die Transponierung in den Passiv einfach an und sei deshalb wie in der Schule versucht zu sagen: "Mach das mal anständig". Fast sei man versucht zu sagen, der "schlechten Stimmung" folge deshalb auch ein "schlechter Stil".

Vergleich an den Haaren herbeigezogen

Alle Vergleiche mit Genazino oder Houellebecq wären doch "an den Haaren herbeigezogen" monierte Meike Feßmann Strigls Vergleich. Dieser "Passiv" sei nichts als ein Vorwand für eine Prosa "erschütternder Schlichtheit"  "Ein Konglomerat an Misantrophie und simpelsten Einfällen", der Passiv halte das Ganze als "Dach" zusammen, mehr nicht, so Feßmann.

Strigl: "Sprache keineswegs schlicht"

Strigl hob daraufhin noch einmal zur Verteidigung ihrer Ansätze an: Die Sprache sei keineswegs "schlicht", deren Passivkonstruktionen würden sich "ausbreiten", die Dinge im Text "befallen". Hier habe man es mit einer "maschinenhaften Existenz" zu tun. "Er verdient die Sprache die er bekommt", so Strigl. Kleine Einwände hege sie nur gegen die Überspitzung dieser "Sonderlings-Haftigkeit". Insgesamt jedoch müsse man die Leistung des Textes anerkennen.

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

Jandl: "Kein Seminar für klinische Psychologen"

"Das hier ist kein Seminar für klinische Psychologen" begann Juror Paul Jandl seine Ausführungen, die Einwände der Kollegen entkräftend. Klar sei hier erkennbar, dass man es bei Wissers Text mehr mit einem ästhetischen denn einem psychologischen Versuch zu tun habe. Aus dem Subjekt werde durch das Passiv das Objekt, das sei auch "präzise", mit einer "ganz eigenen Grammatik" durchgezogen worden. Unter der Maschinenhaftigkeit  "poche immer noch das Herz"  - das sei "ganz klug konstruiert".

Spinnen: "Diskussion ein Gefecht"

"Ein Gefecht Rücken an Rücken" konstatierte Spinnen schließlich  über die Diskussion, in der sich die Jury zwar nicht ganz über die Qualität des Textes einig wurde - wohl aber darauf, dass es wohl eine "Geschmacksfrage" sei, ob Wissers Text einem gefiele, oder eben nicht.

Barbara Johanna Frank

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