Anna Maria Praßler (D) Jurydiskussion

Anna Maria Praßler las als erste Autorin des ersten Lesenachmittags den Text "Das Andere" über den Tod eines Freundes. Sie las auf Einladung von Burkhard Spinnen.

Anna Maria Praßler (Bild: Johannes Puch)Anna Maria Praßler (Bild: Johannes Puch)

 

Videoporträt
Lesung
Diskussion

 

Vom Verlust einer Liebe

Der Text erzählt von der Erinnerung der weiblichen Ich-Erzählerin an die Ereignisse im Jahr ihrer Dissertation, dem Sterben ihres einstigen Geliebten "Björn", eines verheirateten Mannes, an Krebs und vom Verlust dieser Liebe durch ihre Erfüllung.

Feßmann: "Große Themen aufgegriffen"

Eine Menge "großer Themen" wie Liebe, Tod, Zwänge und Betrug würden hier aufgegriffen, begann Meike Feßmann. Fraglich sei allerdings, wie und ob das alles auch in den Text "reinpasse". Problematisch sei, dass durch den protokollarischen Stil kein Erzählraum entstehen könne. Nachdem die Autorin ja auch Drehbücher schreibe, habe sie beim Lesen auch den Eindruck eines "Storyboards" gewonnen. Zwar generiere der Text "starke Bilder", funktioniere aber nicht als Geschichte . Die "Entfaltung" der Figuren fehle, wie Fessmann später noch hinzufügend ergänzen sollte.

 

Sulzer: "Angereichert mit Trivialitäten"

Er habe beinah dasselbe sagen wollen, stimmte auch Sulzer in die Kritik mit ein. Die Sätze würden beinah "beiläufig" klingen, er sei sich allerdings nicht sicher, ob das auch beabsichtigt sei. "Eigentlich eine spannende Geschichte, aber angereichert mit Trivialitäten", so Sulzer. Hier habe man es nur mit Behauptungen zu tun, erzählt werde nichts. "Nirgendwo habe ich so viel anstreichen müssen".

Hubert Winkels gab sich "verstimmt"

"Ja, man spürt die Absicht und ist verstimmt" schloss sich auch Hubert Winkels dem negativen Tenor an. Der Text sei so aufdringlich gemacht, dass es einem ins Auge springen müsse. Alles laufe allein darauf hinaus, dass die weibliche Hauptfigur, die zuerst nur um die symbolische Dimension des Todes wisse, dessen Faktizität schließlich durch den Tod ihres Freundes erkenne -  und losweinen könne. Aber auch das müsse einem noch umständlich auf den letzten Seiten erzählt werden, weil die Autorin es nicht schaffe, dieses Unvermögen ihrer Protagonistin noch zu Beginn zu etablieren.

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Keller lobte "gepflegte, glaubwürdige Sprache"

Hildegard E. Keller versuchte den Text ein wenig vor den Kollegen in Schutz zu nehmen: Der Texte erzähle von der Insiderin einer universitären Welt, die beginne ein subjetkives Verhältnis zu ihrem Gegenstand zu entwickeln. Ohne Ironie oder Distanzierung werde von der Welt in der dieses Subjekt lebt und seinem Erkenntnisprozess erzählt. Das alles werde in einer "sehr glaubwürdigen, sehr gepflegten Sprache" erzählt.

Hildegard E. Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard E. Keller (Bild: Johannes Puch)

Jandl: "Graue Maus im Universitätsbetrieb"

"Das sind doch Schlagersätze!" mischte sich Paul Jandl dann in die Diskussion ein. Er müsse Alain Claude Sulzer Recht geben - die Figur sei eine graue Maus im Universitätsbetrieb, ähnlich "papieren" komme auch die Geschichte daher. "Sehr existenziell kommt mir das nicht vor", so Jandl.

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

Spinnen eilte zur Verteidigung

Er habe alles andere als eine trivialen Text nach Klagenfurt einladen wollte, hob Burkhard Spinnen zur Verteidigung  "seines" Textes an. Ihm habe die Figurendarstellung dieser Rollenprosa imponiert. Die Figur, die an vielen Stellen "Unsinn rede" offenbare  ihr geradezu dramatisch zu nennendes Reflexionsniveau bei dem Versuch, "Ordnung" in das eigene Leben zu bringen.

"Das Protokoll eines Zusammenbruchs", so Spinnen, das aus seiner Sicht "zeitgenössische Psychogramm" Prasslers erläuternd. Hier wolle sich das Ich sich durch den anderen "ergänzen", weil das nicht funktioniere, werde der andere - ganz der Warenhausmentalität der heutigen Zeit entsprechend,  eben "umgetauscht" - der Tod des anderen komme dem dazwischen und füge dem Ganzen eine eigene Dimension hinzu.

"Eine interessante Exegese - aber gibt es dafür auch irgendwelche Anhaltspunkte im Text?" widersprach Feßmann dem Juryvorsitzenden. Jandl schlug in dieselbe Kerbe: Spinnens Ausführungen hätten ihm besser gefallen als der Text selbst, was einem zu denken gebe müsse.

Strigl: "Schöne Idee streckenweise gelungen"

Einzig Daniela Strigl gewann Prasslers Text am Ende noch positive Seiten ab: Dieser erzähle von "existenziellen Dingen", es löse sich etwas, Gefühl werde am Ende "verflüssigt". Die Geschichte der "Katharsis" einer "brillianten Studentin" die merke dass sie etwas verpasst habe, weil ihr der Mann weggestorben sei. Streckenweise sei diese "schöne Idee" gut gelungen. "Eine posthume Ohrfeige", so Strigl.

Nein, das sei insgesamt zu knapp und formal erzählt, ließ Hubert Winkels nicht locker, a la' Susan Sonntag werde hier Krankheit als Metapher verwendet: "Knapp, trocken, frugal", das Existenzielle werde nicht ästhetisch sichtbar gemacht, das sei ein "konventionelles Ding", so Winkels.

 

Barbara Johanna Frank

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