Maja Haderlap (A) Jurydiskussion

Die zweisprachige Autorin (slowenisch/deutsch) Maja Haderlap arbeitet mit der Metapher eines Waldes die Geschichte der Kärntner Slowenen und der Partisanen auf. Die Jury war angetan.

Maja Haderlap (Bild: Johannes Puch)Maja Haderlap (Bild: Johannes Puch)

Videoporträt
Lesung
Diskussion

Erinnerungen an den Krieg

Haderlaps autobiographischer Text erzählt aus der Sicht einer Kärntner Slowenin vom Leben im Lepener Graben in Eisenkappel. Der Krieg ist lange vorbei, doch die Erinnerung an das Leben der Partisanen im Wald - der Zufluchtsort und dunkle Bedrohung zugleich ist - ist den Überlebenden allgegenwärtig geblieben. Die Autorin erntet für ihren Text langanhaltenden Applaus, auch die Jury schien bis recht zufrieden, auch wenn ausgerechnet der Schlusssatz zu Diskussionen führte.

Hildegard E. Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard E. Keller (Bild: Johannes Puch)

Keller: "gemächlicher Rhythmus"

"Ein Text in einem unerhört langsamen, gemächlichen Rhythmus, der sich durch die Wanderung von Vater und Tochter durch den Wald ergibt", begann Hildegard E. Keller. Haderlaps Text sei unspektakulär und eindrücklich, gehe dabei aber doch in die Tiefe: Der kleine Wald vor der Haustür münde im Großen - wie die individuelle Geschichte in der Weltgeschichte.

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

Sulzer: "Makellos nostalgisch"

Alein Claude Sulzer schloss sich dem begeistert an: Ein makelloser, nostalgischer Text mit großem Sprachfluß und einer großen Metapher gleich zu Beginn. Die Landschaft öffne die Seele des Mädchens, der Konflikt liege in der Vergangenheit. Besonders gut gefallen habe ihm daher der kindliche Zugang zu "Dachau" - das ein "schönes" Gefühl evoziere.

Jandl: "Feine sprachliche Nuancen"

"Der Text hat drei zeitliche Schichten", erklärte Paul Jandl: Den Partisanenkampf, das Leben des Mädchens in den 60er und 70er Jahren und die Ebene des Erzählens. "Biografische Interferenzen" zu Peter Handkes Text "Immer noch Sturm" wären dem Text anzumerken, so Jandl, der dessen "feine sprachliche Nuancen" lobte. Besagte Landschaft sei auch heute noch mit Geschichte aufgeladen, was man am Ortstafelkonflikt sehen könne. Ein autobiographischer Text, so Jandl.   

Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)Meike Feßmann (Bild: Johannes Puch)

Feßmann: "Handke behandelte Thema besser"

Meike Feßmann zollte dem Text zwar Respekt hinsichtlich seines Themas, wollte diesen jedoch anders als die Kollegen "wesentlich tiefer" angesetzt sehen. Gerade die von Sulzer angesprochene Sache mit "Dachau" verrrate die Schwäche des Textes durch die kindliche Erzählerin. Peter Handke habe das Thema schon auf einem "völlig anderen Niveau" und besser behandelt - hier werde das "persönliche Archiv" geöffnet.

Daniela Striegl (Bild: Johannes Puch)Daniela Striegl (Bild: Johannes Puch)

Strigl: "Handke und Haderlap nicht ausspielen"

Da griff Strigl ein: Handke und Haderlap gegeneinander auszuspielen sei "absurd". Hier habe man es mit einer ganz anderen Sprache zu tun, gerade das kindliche Ich unterliege eben nicht den Gesetzen, wie sie im Journalismus herrschen würden (Stiuchwort: Dachau). Der Wald eröffne einen "großartigen Geschichtsraum" und überwuchere gleichzeitig alles.

Diese "tiefgründige" Geschichte sei in einer archaischen, von Frauen dominierten Welt angesiedelt; auf den Vater sei kein Verlass.  Haderlaps Text sei auch außerhalb der Literatur wichtig, da bis heute noch viel zu wenig bekannt sei, dass Österreichs Widerstandsbewegung von den Slowenen getragen worden sei. "Eine schöne Begleiterscheinung", so Strigl.

Kritik am Schlusssatz

Wie Meike Feßmann hatten auch Hubert Winkels und Burkhard Spinnen so ihre Einwände. Winkels meinte, auch wenn ihm der Text gut gefallen hätte, sich mit einigen Stellen doch nicht ganz einverstanden erklären zu können. "Ganz schlecht" sei der Schlussatz zum Tod, der durch nichts "rechtfertigbar" sei. 

Burkhard Spinnen betonte seinen Respekt vor der individuellen Geschichte, erinnerte aber daran, dass alle Kinder in den 50er und 60er Jahren "beschädigte" Eltern gehabt hätten.  Der Tod am Ende wirke auf ihn wie ein "Bleikern", diese Ungeheuerlichkeit am Ende müsse vom Text später "aufgefangen" werden.

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Strigl erklärte: "Der Tod ist ihr durch die Erzählungen nahe gerückt. Das scheint plausibel, wenn der Mord quasi vor der Haustür passiert ist".

Und Jandl ergänzte: "Die Geschichte ist ein Kontinuum. Die hier beschrieben Landschaft ist davon aufgeladen, auch heute noch".

Barbara Johanna Frank

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