Julya Rabinowich (A) Jurydiskussion
Julya Rabinowich wurde vorgeschlagen von Daniela Strigl und las den Text "Erdfresserin". Die Jury war geteilter Meinung, fand den Text "schwierig", aber auch Anklänge zu Schnitzler.
Autorenporträt
Lesung
Diskussion
Eine Frau in einer Wüstenlandschaft, eine osteuropäische Prostituierte, die die Nähe zu Sohn und Mutter ebenso wenig erträgt wie jene des ans Bett gefesselten Leos, den sie jedoch nicht verlassen kann, bevor sie nicht seine Sparbücher an sich gebracht hat.
Winkels: "Die Frau als Gorgo"
Hubert Winkels versuchte als erster, sich diesem "schwierigen Text" anzunähern. Die Beschreibung der Frau gehe mit mythischen Verkleidungen einher und gebe dem Ganzen eine andere Dimension: Diese erscheine als Gorgo, als Vampir, als paschtunische Erdgottheit, die "unbefleckt" in die Schöpfung zurück wolle, aber auch als "Black Widow" oder banale Hexe.
Gerade diese mythologische Aufgeladenheit lasse sich für ihn mit der Alltagssituation dieser Frau nicht in Einklang bringen. "Zu viele heterogene Elemente auf zu kleinem Raum", so Winkels.
Sulzer: "Schwierig zu verstehen"
Auch Alain Claude Sulzer meinte, der Text sei "schwierig" zu verstehen, schloss aber andere Schlüsse: Offenabr handle es sich um eine Frau aus Osteuropa, die an das Geld des Mannes den sie pflege heranwolle - das sei, konterkariert mit diesem mythischen Hintergrund - spannend zu lesen.
Meike Feßmann meinte, es hier mit einem "weiblichen Intensivtext" zu tun zu haben, der "starke Bilder" über Körperlichkeit und den weiblichen Ekel vor einem Männerkörper generiere.
Striegl: Charakter der heutigen Welt
So schwierig sei der Text nicht, griff Daniela Strigl den vorher aufgenommenen Faden wieder auf: Auch die Diana sei im Reigen der mythischen Figuren noch zu erwähnen, dabei handle es sich bei der Hauptfigur um einen Charakter der heutigen Welt. Diese "merkwürdige" Frau, an der keine Spur von Wehleidigkeit zu erkennen sei, trage eine geballte, explosive Aggressivität in sich und versuche gleichzeitig, sich ihre Unentbehrlichkeit für andere zu erhalten.
In ihrer "sensationellen Sinnlichkeit" stelle sie sich doch selbst in den schwärzesten Farben dar - gleichzeitig versuche die "Erdfresserin", rein und unbefleckt wieder in der Erde zu verschwinden , ein "utopisches Element", so Strigl.
Jandl: "Erinnert an den Film 'Misery'"
Paul Jandl darauf, der Text mache es einem einfach, sich aus dieser Vielzahl an Motiven eines rauszunehmen, ihn erinnere das Ganze an den Film "Misery". Seine "verschwurbelte" Lesart sehe so aus, dass dier Frau versuche, sich in eine Genealogie einzuschreiben - "wie ein Apfel an den Stammbaum", aber das zeige sich vielleicht später noch deutlicher.
Spinnen: Erinnerung an Schnitzler
Juryvorsitzender Burkhard Spinnen fühlte sich bei Rabinowich' Text an Arthur Schnitzlers Roman "Therese. Chronik eines Frauenlebens" erinnert. Wie dort sei auch hier die Frau durch ein uneheliches Kind "gezeichnet" und versuche irgendwo in einer bürgerlichen Existenz "anzudocken", sei dabei aber auf das Wohl anderer Menschen angewiesen.
Die Story, der Plott seien also "eigentlich toll", so Spinnen, um dann ein großes "Aber" folgen zu lassen: Die Geschichte sei so hochinstrumentiert, dass nur wenig Zeit bliebe, beim Lesen auf die wunderschönen Details zu achten. Der "große Aufwand" für den "Überbau" habe ihn "aus der Kurve getragen", er verliere die "Geschmacksorientierung". "Die Autorin gibt ihrem Kind zu viel mit".
Auch Hildegard E. Keller fand den Text zu "überorchestriert".
Strigl: "Ich möchte das ganze Buffet"
Daniela Strigl griff den von Spinnen gelegten Deutungs-Pfad noch einmal auf: Schnitzler sei "keine schlechte Spur", auch angesichts der Tatsache, dass die Autorin ein Buch mit dem Titel "Herznovelle" publiziert habe, dass natürlich an die "Traumnovelle" denken lasse. Sie meinte, allen Einwänden zum Trotz: "Ich möchte das ganze Buffet".
Barbara Johanna Frank