Nina Bußmann (D) Jurydiskussion

Die Deutsche Nina Bußmann las als erste Autorin des zweiten Lesenachmittages den Text "Große Ferien". Sie war auf Einladung von Paul Jandl in Klagenfurt, die Jury lobte ihren Text.

Nina Bußmann (Bild: Johannes Puch)Nina Bußmann (Bild: Johannes Puch)

Videoporträt
Lesung
Diskussion

 

Nähe wird Lehrer zum Verhängnis

Nina Bußmanns Text "Große Ferien" erzählt von der intellektuellen Intimität zwischen zwei "abgesonderten Existenzen": Dem Lehrer "Schramm"  und seinem hochbegabten Schüler "Waidschmidt". Eine Nähe, die dem Lehrer schließlich zum Verhängnis wird. Schramm verliert seine Stelle, vor ihm liegt, was immer schon vorgezeichnet schien: Ein Leben als einsamer Sonderling.

Feßmann: "genau gearbeitet, genau gedacht"

Eine junge Autorin setzte sich hier "schreibend und denkend" im Verhältnis zur Welt, begann Meike Feßmann den Text zu loben. Dieser sei "genau gearbeitet, genau gedacht". Hinter allem stehe der philosophische Grundgedanke, dass die Wahrheit dem Menschen niemals zugänglich sei.

Winkels: Was ist zwischen ihnen passiert?

Auch Hubert Winkels gefiel es. Der Text, der seinen Ausgang ausgerechnet beim Unkrautvernichten nehme, was ja für sich genommen ein bekannter Topos des Widerherstellens von Ordnung sei, besitze eine "große Klarheit", auch wenn überhaupt nicht sichtbar werde, was eigentlich zwischen Lehrer und Schüler passiert sei. Sichtbar würden nur die Projektionen des Lehrers - in seiner Konsequenz habe dieser Text ihm deshalb sehr gut gefallen.

Alain Claude Sulzer (Bild: Johannes Puch)Alain Claude Sulzer (Bild: Johannes Puch)

Sulzer: Pornografie im Text zu literarisch

"Das ist doch eine klare Sache", meinte dann  Alain Claude Sulzer: Der Schüler werde aufgegriffen und in eine Klinik gebracht - also sei es zu einem Vorfall zwischen den beiden gekommen, der auch homoerotischer Natur sein könnte. Er hätte dann doch "ein paar Probleme" mit dem Text, zum einen durch das klischeehafte Mutter-Sohn-Verhältnis ("Wie in Psycho"), zum anderen sei es etwas "fahrlässig", wie schnell gerade diese Beziehung im Text "abgehandelt" werde. Außerdem sei der Versuch, Pornographie dazustellen, ihm hier "zu literarisch" ausgefallen.

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

Spinnen: "Figuren abstrakt wie Rechenfiguren"

Er fürchte ebenfalls, es durch die Konstellation Lehrer-Schüler mit einer Reihe von Klischees zu tun zu haben, begann Burkhard Spinnen. Die Menschen könnten sich darin nicht frei entfalten. Die Figuren wirkten auf ihn "abstrakt wie die Rechenfiguren des Lehrers" selbst. Der Text, eine "Versuchsanordnung" erinnere ihn an einen Wissenschaftler, der mit großer Ruhe und Souveränität über seiner Arbeit stehe. Dabei löse der Text seinen "enormen Anspruch" "fulminant" ein. "Der Roman wird noch zu lesen sein", so Spinnen.

Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)

Jandl: "Enorm kluger Text"

Paul Jandl merkte an, dass ein "erotisches Verhältnis" zwischen dem Text und seiner Sprache bestehe, aus dem er seitenweise zitieren könnte. Im Großen wie im Kleinen sei hier alles "ausfabuliert" . Ein "enorm kluger Text", der bis in die kleinsten Details des Menschlichen reiche. Der Lehrer versuche, seinem Leben "Fasson" zu geben und verlange dasselbe auch von allen anderen - daraus entstehe gerade erst der Konflikt. "Der Text weiß, wo die Nuancen zu setzen sind, um die Imagination des Lesers anzustacheln", so Jandl beeindruckt.

Strigl: "Konstruktionen des Außenseiters"

Daniela Strigl merkte an, dass Opfer und Täter in der Geschichte in eins fielen, weil es der Schüler geradezu darauf anlege. Die beiden wären "spiegelbildliche" Konstruktionen des "Außenseiters". Strigl erinnerte schlussendlich aber doch noch daran, dass das "Spiel mit Klischees" auch Gefahren in sich berge. Denn die Geschichte "Lehrer-Schüler" sei eine "oft Erzählte", sie spüre die Gefahren, die hier anklängen.

Barbara Johanna Frank

TDDL 2011TDDL 2011