Steffen Popp (D) Jurydiskussion

Steffen Popp war der letzte Autor des zweiten Tages und las den Text "Spur einer Dorfgeschichte". Er wurde von Meike Feßmann nominiert.

Steffen Popp (Bild: Johannes Puch)Steffen Popp (Bild: Johannes Puch)

Lesung
Diskussion

Versuch einer Inventarisierung eines Dorfes

Der Text unternimmt den Versuch, der literarischen Inventarisierung eines Dorfes, "um etwas zu sehen, zu durchdringen, du weißt nicht was", wie es in dem Text heißt. Dementsprechend vielfältig waren auch die Interpretationen, die der Text bei der Jury auslöste.

Winkels: "Text halbfertig"

Als "halbfertig" habe er diesen Text empfunden, begann Hubert Winkels, auch wenn dieser sich als "endgültig" zu erkennen gebe. Der Leser gerate bei dieser Machart in den Zwang, die "aneinandergehefteten" Bilder oder Perlen selbst miteinander verbinden zu müssen. Ihm fehle der "trigonometrische Punkt" von wo aus die Geschichte ihren Ausgang nehme. "Der Text steht eine Stufe vor allen anderen und überlässt das Finishing des Leser, alles ist im Entstehen - eine Geschichte als "rekapitulierendes Erinnern".

Daniela Striegl (Bild: Johannes Puch)Daniela Striegl (Bild: Johannes Puch)

Winkels: "Steffen Popp ist Lyriker"

Der "litaneihafte Ton" des Vortrags habe seine Befürchtungen bestätigt, hob dann Alain Claude Sulzer zur Kritik an. Ihn hätte interessiert, wie der Text im Inneren des Autors klinge, der Vortrag selbst hätte ihm diesen nicht viel mehr als beim Lesen erschlossen. Er lese das zwar "Satz für Satz" hab aber keine wirkliche Meinung zu diesem Text, der eigentlich keine Prosa, sondern vielmehr Lyrik sei. Dass die von Sulzer gelegte Spur zu Lyrik "zwingend" sei, wurde dann noch von Winkels bestätigt: Steffen Popp sei Lyriker.

Publikum (Bild: Johannes Puch)Publikum (Bild: Johannes Puch)

Feßmann erklärte den Text

Meike Feßmann sah sich durch die Wortmeldungen der Kollegen in die Lage versetzt, erst einmal erklären zu müssen, worum es in dem Text überhaupt geht.  "Ungeheuer dicht" werde hier Ordnung hergestellt, "jeder Satz, jeder Gedanke sitzt", das brauche aber auch eine intensive Lektüre. Der Text sei die Rekonstruktion der Geschichte eines Dorfes in Thüringen, das von dem Trio Cordelia, Berthold und Dirk in einem alten Golf befahren werde.

Dabei erzähle der Text in "unglaublich poetischen Bildern" (das Dorf als Vampir, das auf einem Bergrücken sitzt) die Geschichte dieses Dorfes. Die von Winkels als "fehlend" kritisierte Grundidee des Textes sei einleuchtend: Im Dorf wurde Glas hergestellt, das sei zugleich die poetologische Grundiee: Luftig, leicht und transparent in der Sprache, werde das in die Geschichte übersetzt, was das Hirn des "denkenden Schreibenden" am Weg "aufgesammelt" habe.

Diese "raffinierte" Erzählweise mache den eigentlich "statischen" Text erst "dynamisch". Der Erzähler spreche sich selbst als "Du" an, was auch an die Lyrik erinnere.

Steffen Popp (Bild: Johannes Puch)Steffen Popp (Bild: Johannes Puch)

Spinnen fühlte sich an Jazzmusiker erinnert

Burkhard Spinnen fühlt sich durch Popps Text an einen Jazzmusiker erinnert,  der mit "bewundernswerter Sicherheit" seine Motiv variiere und immer wieder in die Harmonie des großen Ganzen zurückfinde. Bei ihm bleibe allerdings die blöde prosaische Frage hängen: Ja und, Thüringen? "Eine Gratwanderung", so Spinnen, der er lange Zeit gerne gefolgt sei. Trotzdem sei vor der Erstarrung vor dem "allzu Virtuosen"  zu warnen - man werde als Leser zum Analytiker der Machart des Textes reduziert.

Jandl: "Immer wieder neue Motive entdeckt"

Keller kritisierte, dass Popps Text sein Material nicht "organisiere"  - Paul Jandl wiederum sah darin auch das "legitime Anliegen" den Leser "auch mal was machen zu lassen". Er habe den Text mehrfach gelesen und darin immer neue Motive und poetische Bilder entdeckt. Wie bei einem "gewebten Teppich" bereite ihm hier das Lesen Vergnügen.

Strigl: "Leser können sich einmal bemühen"

Daniela Strigl kritisierte zwar, dass die Differenzierung der Figuren nicht gelungen sei (sie sei von vier Protagonisten ausgegangen), fand es aber auch gut, dass einem durch den Text "etwas zugemutet", einem "anderen Ton" Platz gegeben werde. Sie sei froh, dass hier etwas mit den Mitteln der Lyrik erzählt werde, das weit von den Klischees des Dorfes wegführe. "Ich will mich anstrengen, und die Leser können sich auch einmal etwas bemühen".   

 

Barbara Johanna Frank

TDDL 2011TDDL 2011