Leif Randt (D) Jurydiskussion
Der deutsche Autor Leif Randt las den Text "Schimmernder Dunst über Cobycounty". Ein Text, der so manch einen in der Jury das Fürchten im Lachen lehrte. Er wurde von Alain Claude Sulzer vorgeschlagen.
Ausgehend vom 65. Geburtstag der Mutter des Ich-Protagonisten Wim Endersson breitet Randt das Lebens-Panorama von "Cobycounty" aus. Eine Geschichte über das Zusammenleben der Generationen in einer Stadt, in der das "leichte Leben" vorherrscht, eine "Wellnesswelt" ohne jede Höhen und Tiefen.
Winkels: "Gelungener Auftakt für den Tag"
"Das ist ein schöner, ein gelungener Auftakt für diesen Tag" begann Hubert Winkels. Ein Text in "mittlerer Frequenzlage", in dem alles Schmerzhafte und Tragische "verschluckt" oder "wegoperiert" sei, eine Welt der Wellness-Oasen und Kreuzfahrten. Durch seine Genauigkeit werde der Text aber dennoch nie langweilig. "Ein sprachliches Kunstwerk", das "äußerst gelungen" sei, so Winkels. "Das kennen wir doch alle", das sei Teil unser aller Lebenswirklichkeit, wie sie sich in Lifestyle- Magazinen und Medien darstelle. Die sich daraus ergebenden Probleme würden "authentisch durchgespielt".
Strigl: "Angetan von 'Generation Obstkorb'"
Auch Daniela Strigl war von der Geschichte über die "Generation Obstkorb" angetan, in der sie eine Art Literarisierung der Truman-Show verwirklicht sah. Hier werde nur in Versatzstücken gesprochen, von der Jugend selbst werde bereits eine Art "retrospektive Trendforschung" betrieben. Schön sei auch die "Spitze" gegen das Leipziger Literaturinstitut. Eine "gelungene Satire", zugleich habe diese "kapitalistische Utopie des neuen Menschen" etwas "sehr Ernstes" an sich.
Feßmann: "Possenspiel über die 68er-Generation"
Ein "Possenspiel über die 68er-Generation" sah Meike Feßmann, die Ähnlichkeiten zum Text Antonia Baums feststellte. Allerdings sei hier im Gegensatz dazu die ältere Generation so entspannt und hedonistisch, dass den Jungen nur noch die Melancholie übrig bleibe. Sie müsse sich allerdings fragen, ob das "Generationenthema" als "Marketingthema" mittlerweile nicht zu einem "einfachen Selbstbedienungsladen" in der Literatur geworden sei. "Der Text demontiert sich so letzten Endes selbst, obwohl er Provokation sein will", so Feßmann.
Jandl fehlte das Authentische
Paul Jandl begann damit, sich Gedanken über die räumlichen Voraussetzungen des Textes zu machen. Der Ich-Erzähler erzähle die Geschichte seiner und der älteren Generation, meist in Anführungszeichen. Was ihm, Jandl, fehle, sei das Authentische an der Geschichte, die Bezüge zu Wim Wenders, Stephen Soderbergh oder Holden Caulfield herstelle, gleichzeitig selbst aber keinen "Boden" besitze. "Was haben wir denn erfahren? Wo ist der ontologische Kern (die Lehre, das Sein, Anm.) des Textes?"
Keller: "Welt auf Oberfläche reduziert"
"Aber das ist doch gerade die Pointe" widersprach Hildegard E. Keller dem Kollegen. Hier werde die Welt auf ihre pure Oberfläche reduziert - das sei purer Lifestyle, eine Feier der Oberfläche. Es gebe nur den Erfolg auf der ganzen Linie, dabei habe aber nichts wirklich eine Chance.
"Ja aber wird dann nicht der Text selbst zu einer bloßen Oberfläche?" stieß Jandl nach. "Das ist ein Sekundärleben durch und durch", die Antwort Kellers.
Hier mischte sich Hubert Winkels wieder in die Diskussion mit ein: Die Geschichte sei eine "Dystopie in Gestalt einer Utopie", die Erheiterung sei das, was an ihr wirklich "weh" tue. "Im Publikum war aber wenig Schmerz", widersprach Keller.
Sulzer: "perfekt gemachter Text"
Schließlich ging Alain Claude Sulzer, der den Text eingeladen hatte, daran, diesen zu analysieren: Es sei ein "perfekt gemachter Text" über die "wahrgewordene Globalisierung" und eine "sedierte Gesellschaft" in deren Perfektion sich jedoch schon erste "Irritationsmomente" ankündigen würden.
"Eine Insel, es könnte auch Berlin in zehn Jahren sein", so Sulzer über diese "Science Fiction"-Geschichte Randts. Die hier dargestellte Gesellschaft stehe kurz vor ihrem Zusammenbruch.
"Aber das ist doch harmlos", ließ sich Paul Jandl nicht überzeugen.
Spinnen: "Durch und durch ironischer Text"
"Selbstverständlich kommt der", meinte dann auch Burkhard Spinnen. Der nachfolgende Zusammenbruch sei geradezu eine "klassische Angelegenheit" - "wie sollte das auch 400 Seiten so weitergehen?" Ein durch und durch ironischer Text. "Schön, lustig, unterhaltsam - aber gerade das ist das Problem", so Spinnen, denn im Kopf des Protagonisten" sei diese Welt eben nicht ironisch.
Strigl: "Man fürchtet sich und kann darüber lachen"
"Der Text bleibt auf der Oberfläche seiner Coolness, die auch noch ausgestellt wird", so Jandl. Daniela Strigl war anderer Meinung: Man dürfe dem Text doch nicht die Souveränität seines Erzählers vorwerfen. Hier werde eben mit Distanz und Ironie gearbeitet. "Diese Welt lehrt mich schon das Fürchten - wenn der Höhepunkt der Individualität darin besteht, keinen Yoga-Kurs zu besuchen - ich finde das großartig", so Strigl. Man fürchte sich und könne zugleich darüber lachen".
Barbara Johanna Frank