Thomas Klupp (D), Jurydiskussion

Thomas Klupp las den Text "9to5 Hardcore" auf Einladung von Hubert Winkels vor, konnte die Jury aber nicht von der Geschichte eines Mannes, der im Dienste der Wissenschaft Internet-Pornos schaut, überzeugen.

Thomas Klupp (Bild: Johannes Puch)Thomas Klupp (Bild: Johannes Puch)

Videoporträt
Lesung
Diskussion

Mit "9to5 Hardcore", dem Text des deutschen Autors Thomas Klupp, ging das Lesen um den Bachmann-Preis in seine letzte Runde.  Der Jury legte beim letzten Autor dieses Jahres noch einmal richtig los, wobei die Diskussion letzten Endes zu einer Abhandlung über das Wesen der Satire geriet.

Pornografie-Schauen im Dienst der Wissenschaft

Eingeladen von Hubert Winkels, erzählt Klupps Text vom wissenschaftlichen Mitarbeiter eines Kulturinstituts, der laut Auftrag von früh bis spät Pornos konsumiert  um die "Inszenierungsstrategien des Expliziten" im Internet zu erforschen; von einer Festanstellung genauso wie von weiblichen Geschlechtsteilen träumt und dabei dennoch versucht, nicht die Kontrolle zu verlieren.

Publikum (Bild: Johannes Puch)Publikum (Bild: Johannes Puch)

Feßmann: "Immer größere Reize, um zu gefallen"

"Ein witziger Text - am Anfang", schränkte Meike Feßman gleich zu Beginn ein. Man habe es mit einer Persiflage auf den kulturwissenschaftlichen Betrieb, auf Pornokonsum, Mann und Frau, das Genderthema und den Gehorsam einer ganzen Generation zu tun, die alles mitmache, was man von ihr verlange. Auch die Hauptfigur prostituiere sich in gewisser Weise - wie der Text allerdings auch, der auf "immer größere Reize und Effekte" setzen müssen, um zu gefallen.

Man habe es auch im Saal gehört, das Lachen des Publikums sei gegen Ende hin merklich weniger geworden, so Feßmann.  "Witzig und amüsant", habe der Text doch seine Grenzen, weil er auf die Sprache seines Protagonisten beschränkt sei und daher nicht aus seinem Konflikt ausbrechen könne.

Alain Claude Sulzer (Bild: Johannes Puch)Alain Claude Sulzer (Bild: Johannes Puch)

Keller: "Bruch auf Seite 11"

Hildegard E. Keller fand, bei diesem "witzigen und hybriden Text "habe man es vielleicht mit einer Art "Sozialreport für den DFB" zu tun. Ein Mann gebe sich Rechenschaft über sein Tun, was "raffiniert" gemacht sei, ab Seite 11 aber einen Bruch bekomme: Der Karrierismus der Figur trete in den Hintergrund, man bekomme es mit einer anderen Gattung zu tun und frage sich: Was hält die Figur, die ein Kenner ihrer Verhältnisse sei, an dieser Stelle - ob vielleicht in weiterer Folge wirklich eine "kleine banale Beamtenfigur" aus ihr werde?

"Dieser Bruch geht nicht ganz auf", so Keller. Der Protagonist leide an der Irrelevanz seines Tuns, wolle sich aber trotzdem darin einrichten.

Jandl langweilte sich bald

"Professor Faulstich - Nomen est Omen", ätze Paul Jandl, dem der Text allzu bald "langweilig" wurde. Wie es weiter gehe, sei allzu leicht erwartbar, dabei sei der Text weder satirisch "besonders produktiv" noch besonders ideologiekritisch. "Ich finde ihn banal - Entschuldigung".

Strigl: "Satire mit Beichtcharakter"

Nicht langweilig fand des Daniela Strigl, die ganz offenherzig meinte, selbst aus dem wissenschaftlichen Betrieb zu kommen, wobei die Satire - bei allem "Schindluder" der in der Kulturwissenschaft getrieben werde -  "hier nicht sehr übertrieben" dargestellt sei. Der Text habe einen Beichtcharakter, fuße auf einer an und für sich "großartigen Idee", wobei allerdings der Einwand zu machen sei, dass die Figur als "personifizierte Strategie" innerhalb des Wissenschaftsbetriebes viel zu überangepasst und mit allem einverstanden sei - dabei müsste diese viel "subversiver" sein, so Strigl.

Spinnen vermisst bessere Welt

Es sei schlimm für eine Satire, wenn dieser nachsagbar sei, dass sie ihren Gegenstand (Anm. den wissenschaftlichen Betrieb) gar nicht mehr übertreiben müsse, meinte daraufhin Burkhard Spinnen. Er habe gelernt, dass die Satire eine Utopie "ex negativo" sei - eine bessere Welt müsse zumindest durchscheinen, das sei hier aber nicht der Fall.

Sulzer: "Echte Widersprüche"

"Am Anfang war die Idee, dann kam die Figur", meinte Alain Claude Sulzer. Die Idee gebe dem Text das Kleid, wobei Sulzer darin jedoch "echte Widersprüche" zu erkennen glaubte, was allerdings nichts sei, was durch ein Lektorat nicht "zu beseitigen" wäre. Der Witz werde hier, der Lesezeit entsprechend, auf 25 Minuten "ausgebreitet".

Winkels von Kritik der Kollegen erschöpft

"Erschöpft von allem, was er gehört hatte (es sei alles ein wenig "lähmend") begab sich dann Juror Hubert Winkels daran, zu einer umfassenden Analyse des Textes anzuheben. Vergleichbar sei diese Rollenprosa mit jener Leif Randts, die Sprache gehe über in die zu beschreibende Welt: "Er will sich einklinken und ent-individualisieren, das ist seine Absicht", so Winkels. "Der Protagonist löst sich ins Nichts auf". Außerdem wolle er hier nicht das "Alphabet von vorne durchgehen", so Winkels etwas unwirsch angesichts des Unverständnisses gegenüber "seinem Autor".

Dadurch nicht aus dem Konzept zu bringen war Meike Feßmann die bei ihrer Meinung blieb: "Der Text wird schlechter, die Witze werden billiger". Wobei Daniela Strigl vor dem Ende der Diskussion noch anerkennend anmerkte, dass man heuer doch einige gelungene Satiren gehört habe - sogar welche aus Deutschland.

Barbara Johanna Frank

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