Hugo Ramnek Jurydiskussion
Mit dem Text des einzigen Kärntner Autors, dem in Zürich lebenden Hugo Ramnek, blieb man erneut im Land - genauer gesagt ging es mit Ramneks „Kettenkarussell“ auf den Bleiburger Wiesenmarkt, wo das drei Tage währende Volksfest Schauplatz der durch die Sprache geteilten Verhältnisse in der Grenzstadt wird. Die Mehrheit der Jury wollte allerdings lieber zuhause bleiben.
Winkels: "Bei dem Rumgemache kann nichts Gescheites passieren"
Hubert Winkels meinte als erster, den Text seiner „schönen Stellen“ und „wunderbaren Beschreibungen“ wegen durchaus zu schätzen – allerdings werde hier leider „zu viel Gas“ gegeben – der Autor übertreibe es damit.
„Das geht fast ins Kitschige hinein“, so Winkels, dessen „größtes Problem“ die „übertriebene Symbolik“ des Textes war. Die „Kellerechse“ im Text, Symbol für die sexuelle Erregung des Protagonisten, komme zu oft vor, das sei zu viel des Guten. Auch die „klare soziale und ethnische Einteilung“, die Zweiteilung dieser Welt in Slowenen und Deutsche, in die „Dreckseite“ und die andere, sei problematisch: „Bei dem Rumgemache kann nichts Gescheites passieren“. Zu „drastisch und massiv“ sei das alles erzählt.
Strigl: "Der Hund ist hier die Kellerechse"
"Ich klaube auf, was Herr Winkels fallen gelassen hat, begann Daniela Strigl, sich gleich über die „Kellerechse“ und damit das massive Vorkommen von Sexualität im Text zu beschweren. „Das ist hier der Hund - der innere Hund ist hier die Kellerechse“. Man habe es mit einer „Grenzerfahrung“ zu tun, einem „literarischen Ausnahmezustand“ der versuche, den dörflichen Ausnahmezustand zu beschreiben. Das sei zwar „in vielen Szenen“ gut gelungen: „Die Bewegung des Jahrmarktes wird in Bilder umgesetzt, auch der Rauschzustand ist schön gestaltet“, aber, so Strigl: seine Symbolik sei zugleich eine Belastung für den Text. „Schön gemacht, aber eine Spur zu deutlich“.
Caduff: Das Ziel des Textes ist nicht klar
Corina Caduff bemängelte, dass bei diesem Texte über „Heimat und Fremde“ das Politische ausgespart worden sei. Außerdem sei das Thema derart omnipräsent, dass man sich fragen müsse, was die Literatur hier noch beitragen könne. Die „Grenze“ sei als Thema überstrapaziert . Auch Caduff war wie Strigl der Meinung, dass die Symbolik den Text belaste: diese sei geradezu ein Stilprinzip dieser „Romeo –und- Julia-Konstruktion“. Das sei zwar konsequent durchgezogen und gemacht, allerdings müsse man sich fragen, welches Anliegen der Text habe – was sowieso immer ein schlechtes Signal sei. „Geht es um Zustände, um Aufklärung, die Gesellschaft? Die Zielrichtung ist hier nicht klar“, so Caduff.
Jandl: "Erzähler setzt sich selbst auf das Ringelspiel"
„Hier gibt es im Text nicht nur ein sexuelles Ungeheuer, sondern auch einen politischen Kellernazi“, sagte Paul Jandl. Das Problem des Textes: der literarische Rummel in seinen Wörtern, seiner Stilrichtung und den Tempowechseln. „Der Erzähler setzt sich mit auf das Ringelspiel“, die Wortschöpfungen ließen ihm den Text verdächtig werden. „Alles dreht sich, alles bewegt sich“.
Meike Feßmann verteidigte zwar das „Wort für Wort gesetzte Schreiben“ des Textes. Die „aufdringliche Symbolarbeit“ erzeuge aber einen paradoxen Effekt – schließlich solle Symbolik normalerweise etwas maskieren und verschleiern, hier werde einem die Sexualität durch den inflationären Gebrauch der 'Kellerechse' dauernd vor Gesicht geführt. „Zu viel, das wirft mich aus der Freude heraus“, so Feßmann.
Spinnen: Ein barock gebauter Text
Burkhard Spinnen hob schließlich zu einem Diskurs darüber an, ob es derart barock gebaute Texte ihrer Machart wegen in der heutigen Zeit nicht viel schwerer als andere hätten: „Ist das nicht ein Text der schön sein will? Haben wir nicht automatisch Vorbehalts-Reflexe gegen so forcierte Texte?“ Bei Arno Holz gäbe es schließlich ganze Bücher voller Wortschöpfungen. Der Barock in der Literatur befände sich eben momentan in einer „Talsohle“, der Text hier erinnere ihn an eine „Marching-Brass-Band“, hier werde ein „Jahrmarkt 1975“ nach gezeichnet, in Form eines „onomatopoetischen Gebildes“ – wofür ihm Respekt gebühre.
Keller: "Ein Text, der Jugend atmet"
Hildegard Elisabeth Keller zeigte sich nach der Performance des Autors restlos vom Texte überzeugt: schließlich sei nun deutlich geworden, wie der Text „atme“ – dieser Atem „trage den Text“ über die Welt eines Jugendlichen. Einem "expressionistischen Maler" werfe man den "groben Pinselstrich" neben dem Zarten auch nicht vor. Bis auf den Umstand, dass die Echse auch ein Tier sei, gebe es keine Parallelen mit dem ersten Text. Die poetische Erzählperspektive, die hier eingenommen werde sei die Suche nach der Kindheit, das Ausgraben der eigenen Kindheit. "Das etwas märchenhaft-poetische Gemälde einer Provinzstadt".