36. Wettlesen im Zeichen von Kindheit und Pubertät
Der eine herausragende Text, der zwingend den Bachmann-Preis nach sich ziehen muss, war diesmal so nicht dabei. Als zumindest leichte Favoritin gilt aber Olga Martynova. Die gebürtige Russin, die Lyrik in russischer und Prosa in deutscher Sprache schreibt, lieferte eine stringente Erzählung von großer sprachlicher Genauigkeit, der nebenbei noch einen Streifzug durch die Menschheitsgeschichte liefert.
Preisverdächtig ist auch Lisa Kränzler, deren Erzählung ebenfalls das Thema Kindheit und Pubertät verhandelt, allerdings in der weiblichen Ausprägung. Andreas Stichmann, der von einem jungen Mann erzählt, der gerne eine bürgerliche Existenz hätte, werden ebenfalls Chancen zugebilligt.
Zumindest für einen der weiteren Preise in Frage kommen weiters Inger-Maria Dahlke und Matthias Nawrat. Wer gerne auf Außenseiter wettet, könnte auf Sabine Hassinger, Stefan Moster oder Matthias Senkel setzen.
Österreicher schnitten weniger gut ab
Nicht so glücklich lief es für die österreichischen Teilnehmer, von denen Cornelia Travnicek noch am meisten Zuspruch der Jury erhielt. Sie könnte es auch auf die berühmte Shortlist schaffen, was für den gebürtigen Kärntner Hugo Ramnek eher schwierig werden dürfte.
Leopold Federmair brachte auch sein zweites Antreten in Klagenfurt kein Glück, und die vierte im Kreis der heimischen Teilnehmer, Isabella Feimer, wurde zum Abschluss von der Jury ziemlich verrissen. Leer ausgehen dürfte wieder einmal auch die Schweiz - weder Mirjam Richner, noch Simon Froehling scheinen in Preisnähe.
Corina Caduff, die in diesem Jahr Alain Claude Sulzer ersetzt, fand sich schnell ins Team ein, ihre Diskussionsbeiträge blieben stets sehr nahe bei den Erzählungen. Einmal gab sie ihrer Verwunderung Ausdruck, was ihre Kollegen so alles in einen Text hineininterpretieren würden.
Die Juroren entscheiden traditionell am Samstag über die Liste der Kandidaten, die für die Preisverleihung am Sonntag nominiert werden, bewahren aber ebenso traditionell absolutes Stillschweigen.
Ganz und gar nicht still waren die sieben an den drei Wettbewerbstagen. In der Diskussion über den jeweiligen Text entspannen sich gar literarische Grundsatzdebatten.
Juryvorsitzender Burkhard Spinnen erledigte seinen Job mit gewohnt pointierten Einwürfen, als Streitschlichter musste er nicht eingreifen. Auch Moderatorin Clarissa Stadler machte einen souveränen Eindruck.