Laudatio Hildegard Elisabeth Keller
Das tut Matthias Nawrats Erzählung Unternehmer auf ebenso souveräne wie wunderbare Weise, denn sie macht die Leser zu Komplizen eines zwielichtigen Familienidylls, eines Sondermüll-Unternehmens, wo man gut daran tut, in der Familie zu bleiben – man operiert in der Grauzone zwischen Kindesmissbrauch und Selbständigenglück und man erträumt gemeinsam eine Grünzone, die den schimmernden Molybdän mit den Wiesen Neuseelands verbindet und das Einverständnis der Kinder erschleicht. Denn – eben – Geschichten sind deshalb Geschichten, weil sie uns an Geschichten erinnern. Lipa wächst heran, erste Zeichen werden sichtbar, auch dass für sie ein neues Fenster aufgestoßen wird. Niemand will, dass ihm die Wipfel der hohen Schwarzwaldtannen oder die Mitgleider einer Jury in den Kopf schauen – und deshalb trägt er einen Hut. Matthias Nawrat, rufe ich ihnen nun zu: Lüften sie ihn, führen sie uns ins Herz der Schwarzwaldfinsternis und vielleicht mit Lipa auch wieder heraus. Denn sie wissen ja nun, nachdem sie das Gespräch der Jury angehört haben, eigentlich hat man nur beklagt, dass die Geschichte schon und auch so zu Ende gegangen ist. Die Erzählung Unternehmer zeigt eine für mich kostbarste Wahrheiten der Literatur, die Peter Bichsel in seiner Poetik-Vorlesung so benannt hat: Geschichten sind nur deshalb Literatur, weil sie uns an Geschichten erinnern. Ich gratuliere ganz herzlich zum Preis!