Der 37. Ingeborg Bachmann-Preis ist eröffnet
Die TDDL 2013 haben auch einen neuen Moderator: Christian Ankowitsch hieß die Gäste und alle "Exzellenzen" der Eröffnung herzlich willkommen.
Man weiß wieder, was man aneinander hat
In diesem Jahr habe es "ein paar Gespräche mehr" als sonst vor dem Bewerb gegeben, so Ankowitsch auf das mögliche Aus für den Bewerb anspielend, über dessen Zukunft nun auf vielen Ebenen "ernsthaft und intensiv" gesprochen werde. Ein Gutes habe die Sache: "In dem Augenblick, wo über etwas geredet wird, weiß man, was man aneinander hat". Dann bat Ankowitsch Landesdirektorin Karin Bernhard auf die Bühne, die unter allen Ehrengästen vor allem zwei Damen namentlich genannt wissen wollte: Ulrike Fink, die Witwe des Bachmannpreis-Erfinders Humbert Fink und Bachmann-Preis-Gewinnerin-Maja Haderlap.
Bernhard betonte die Wichtigkeit der Kooperationspartner, ohne die der Bewerb nicht stattfinden könne und begrüßte Vizebürgermeister Albert Gunzer, Kelag-Vorstand Manfred Freitag und BKS-Generaldirektor Heimo Penker.
Land Kärnten heuer erstmals wieder mit an Bord
Nach jahrelanger Pause sei auch das Land Kärnten heuer erstmals wieder mit an Bord - anwesend in der Person der Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig, des Kulturlandesrates Wolfgang Waldner und des Landesrates Rolf Holub.
Klare Worte Bernhards zur Zukunft des Bewerbes
In Anlehnung an Bernhards Lieblings-Zitat von Ingeborg Bachmann ("Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar") sprach die Landesdirektorin klare Worte zur Zukunft des Bewerbes: Die Wahrheit sei, dass der ORF zu einem rigiden Sparkurs gezwungen sei. Die Wahrheit sei aber auch, dass der Ingeborg Bachmann-Preis ein unverzichtbarer und wertvoller Bestandteil des literarischen Lebens sei. Die öffentlich laut gewordenen Aufschreie angesichts seines möglichen Endes nannte Bernhard "gut", da diese deutlich machten, dass der Bewerb möglicherweise auf "mehrere breite Schultern" verteilt werden müsse. Generaldirektor Alexander Wrabetz habe jedenfalls seine Bereitschaft zur Fortsetzung signalisiert. Durch die TDDL würden jedes Jahr nicht nur Preisträger sondern auch moralische Instanzen öffentlich.
"Der Bachmann-Preis muss weiterbestehen"
Kulturstadtrat Albert Gunzer machte deutlich: "Der Bachmann-Preis muss weiterbestehen". Die Stadt stünde zu "100 Prozent" hinter dem Wettbewerb, der einer der bedeutendsten Literaturwettbewerbe im deutschsprachigen Raum sei.
"Über Einstellung des Bewerbes nicht gesprächsbereit"
Nicht umsonst sei im Gemeinderat eine einstimmige Resolution dazu verabschiedet worden. "Kultur ist das Lebenselexier und die Visitenkarte jedes Landes", so Gunzer. Deshalb müsse der Bewerb auch hier, im Geburtsland Ingeborg Bachmanns, stattfinden - und nicht anderswo, wie beizeiten gemunkelt werde. Die Stadt selbst steuere auch heuer ein hervorragendes Rahmenprogramm bei, sei aber auch durchaus bereit für weitere Gespräche in Hinblick auf die Finanzierung: immerhin vereine er in seiner Person auch den Finanzreferenten der Stadt, so Gunzer. Er freue sich jedenfalls auf alle Gespräche, "über die Einstellung des Preises bin ich aber nicht gesprächsbereit".
Es wechseln die Zeiten...
"Interessant, in spannenden Zeiten zu Leben", begann 3sat - Österreich-Chef Hubert Novak und erinnerte daran, dass es "Zeitenwenden" sowohl in der Weltpolitik als auch im Privatleben gebe. Auch die Menschen des Fín de sieclé (Anmerkung: der vorigen Jahrhundertwende) hätten nicht gewusst, dass ihnen "zwei Weltenbrände" bevorstehen. Die Zeiten wären rasant in Bewegung, das Internet mit seinen Mechanismen stelle das Fernsehen vor große Herausforderungen. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen werde zwar noch heute als Träger eines kulturellen Selbstverständnisses betrachtet, manches sei jedoch obsolet geworden, anderes habe man sich von anderen "abjagen" lassen.
"Öffentlich-Rechtliche mehr denn je unter Druck"
Die "Öffentlich-Rechtlichen" stünden angesichts der durch das Internet forcierten Gratiskultur unter zunehmenden Rechtfertigungsdruck. Novak: "Das Fernsehen muss unverwechselbar bleiben, sonst geht es unter". Und: Nachdenken über Effizienz sei eine unternehmerische Sorgfaltspflicht. Wer glaube, Ergebnisse vorhersagen zu können, sei "ein Kandidat für den Bauchfleck". Der Bachmann-Preis müsse mit den Augen des 21. Jahrhunderts betrachtet werden. "Es muss uns erlaubt sein, darüber zu reden, welche Rolle das Fernsehen, welche Rolle 3sat in Zukunft bei dem Bewerb spielen wird. Aber ja: es soll ihn weiter geben, den Bachmann-Preis". Zurufe von außen wären allerdings nicht sehr hilfreich. Die Entscheidung liege außerdem ausschließlich bei den Veranstaltern. Am Ende folgte dennoch ein Bekenntnis Novaks zum Bewerb: "3sat will weiter Medienpartner sein und den Bewerb in den gesamten deutschen Sprachraum tragen." Man übertrage den Bewerb schließlich heuer zum 25 Mal live, "es werden nicht die ganz großen Zeitenwenden sein", so Novak abschließend.
Dann rief Moderator Christian Ankowitsch Kelag-Vorstand Manfred Freitag, BKS-Direktor Heimo Penker und Kulturreferent Wolfgang Waldner auf die Bühne, um sie nach ihren Lesegewohnheiten, vor allem aber nach ihren Gründen für die Unterstützung des Bewerbes zu interviewen.
Die heurige Jury weist neben der "alten Mannschaft" einen Neuzugang auf: Juri Steiner aus der Schweiz. DIE JURY. Auch Juryvorsitzender Burkhard Spinnen hielt nach altbewährter Tradition seine Eröffnungsrede.
Spinnen: Zwei gute Gründe für den Bachmann-Preis
"Schön, dass alle wieder da sind. Schön, dass ich noch da bin. Schön, wenn wir wieder da sein werden", begann Burkhart Spinnen, um sich dann, ganz nach seiner Gewohnheit, "extrem kurz zu fassen". Die Jury habe in ihrem Zimmer allen vorgebrachten Argumenten "via Direktleitung" gelauscht: "Habt Dank, das klingt gut", so Spinnen.
"Was Wasser ist, weiß nur der Durstige"
Der Literaturbetrieb habe in den letzten eineinhalb Wochen hauptsächlich das Sprichwort "Was Wasser ist, weiß nur der Durstige" variiert. Er habe unzählige Interviews zum Bachmann-Preis geben müssen, wobei sich die Argumente dafür natürlich wiederholt hätten. Zwei seien ihm aber am Weg nach Klagenfurt noch eingefallen. Erstens: er sei seit 15 Jahren viel an Schulen unterwegs und es sei ihm in all den Jahren nie passiert, dass ein Lehrer oder eine Lehrerin nicht gewusst hätte, was der Bachmannpreis sei. Allein diese Menschen wären "hunderte Multiplikatoren" für den Bewerb. "Nicht viele Formate erfreuen sich einer solchen Bekanntheit", so Spinnen. Zweitens habe er vor ein bis zwei Wochen mit dem Lektor eines Verlages gesprochen und dieser habe ihm gesagt, was Klagenfurt für ihn ausmache: eine Woche über Texte nachdenken zu dürfen, ohne gleich "an das Ökonomische" des Verlagswesens denken, und sich für seine Meinung zu Texten rechtfertigen zu müssen. Das mache den Wettbewerb einzigartig. "Ich mache Schluß, aber nur weil ich Schluss machen muss, ich hätte noch mehr", so Spinnen.
Dann kündigte Moderator Christian Ankowitsch einen der Höhepunkte des Abend an: die Klagenfurter Rede, die in diesem Jahr von Michael Köhlmeier gehalten wurde. Text (PDF) Klagenfurter Rede
Die Klagenfurter Rede von Michael Köhlmeier
In seiner Rede zur Eröffnung des Ingeborg Bachmann-Wettbewerbes erinnerte Michael Köhlmeier an den Schriftsteller Jörg Fauser, dessen "radikale Art" zu leben er hervorstrich und dabei gleichzeitig zur Neu- und Wiederentdeckung dessen Werkes aufrief.
Die beiden Autoren, Köhlmeier und Fauser, hatten 1984 gemeinsam am Klagenfurter Literaturwettbewerb teilgenommen. Außenseiter Fauser sei vor die Jury, "den Klagenfurter Literaturgerichtshof" getreten und "von den Richtern verissen worden" wie "kein anderer vor ihm und kein anderer nach ihm", so Köhlmeier. Dabei habe der Veriss nicht Fausers Text gegolten, sondern dessen Person gemeint. "Denn die Richter hätten ihm nicht verzeihen können wie er war". Fauser sei, so Köhlmeier, mit einer Haltung aufgetreten, die der Jury signalisiert hätte: "Ich brauche euch nicht". Marcel Reich-Ranick habe die Stimmung in der Jury damals mit den Worten "Dieser Autor hat hier nichts verloren!" auf den Punkt gebracht. Auch die Autorenkollegen wollten, bis auf wenige, mit "dem da" nicht gesehen werden.
Mysteriöser Tod auf der Autobahn
Drei Jahre später, am 17. Juli 1987, fand der 43-jährige Fauser den Tod: Er war, "wie es in den Nachrichten hieß, betrunken" auf der Autobahn "spazieren" gegangen, als ihn ein Lkw überrollte. Köhlmeier stellte in seiner Rede Überlegungen an, wonach Fauser davor Recherchen über Verbindungen zwischen der "deutschen Drogenmafia und deutscher Politik und Wirtschaft" angestellt hatte. Sein mysteriöser Tod sei einer gewesen, "der zu einer von Fausers Figuren gepasst hätte". Gegen Ende seiner an Kritik reichen Rede leistete Köhlmeier schließlich doch seinen "Gewissensdienst" und protestierte gegen die, wie er es nannte, "Abmurksung des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbes", um letzten Endes noch einmal zur an das Auditorium gerichteten Bitte zurückzukehren: "Jörg Fauser nicht zu vergessen".
Köhlmeiers Rede erntete langen Applaus. Alle Aufmerksamkeit werde in dieser Woche auf die Literaten und die Gespräche über Literatur gerichtet sein, meinte Christian Ankowitsch, der nicht darauf vergaß, das in jedem Jahr neu gestaltete Bühnenbild zu erwähnen. Heuer wurde es zum zweiten Mal von Hanno Kautz gestaltet. Nachdem fünf Preise zu vergeben seien, sei die Wahrscheinlichkeit für die Autoren hoch, selbst einen zu bekommen: DIE PREISE. Die Abstimmung für den BKS-Publikumspreis finde am Samstag, dem 6.Juli, im Internet statt. Schließlich ging es zur Auslosung der Lesereihenfolge: LESEREIHENFOLGE 2013
Mit Hinweisen auf den ersten Lesetag - Beginn ist um 10.15 Uhr - und die Live-Übertragung in 3sat und im Internet eröffnete Christian Ankowitsch schließlich das Gartenfest mit dem vom Land Kärnten gesponserten Buffet: TERMINE UND RAHMENPROGRAMM