Cordula Simon (A) Jurydiskussion

Cordula Simon, die zweite Österreicherin im Bewerb, las den Text "Ostrov Mogila". Sie wurde von Daniela Strigl nach Klagenfurt eingeladen. Der Text fiel bei der Jury größtenteils durch. Damit teilt sich das Schicksal der anderen Österreicherin, Nadine Kegele.

Cordula Simon (Bild: Johannes Puch)Cordula Simon (Bild: Johannes Puch)

Aus dem Nest „Ostrov Mogila“ gibt es kein Entkommen - genauso wenig wie aus den eigenen magischen Fäden zusammengehaltenen Familienbanden. Das muss die Ich-Erzählerin in Cordula Simons gleichnamigen Text erfahren, in der auch ein toter Bruder und eine Unheil-prophezeiende Urgroßmutter eine Rolle spielen.

„Das ist ein gefaktes Märchen“, begann Hildegard Elisabeth Keller, „ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mir hier jemand einen Bären aufbinden will“. Der Fluchtwunsch werde als eine Art Geburtsvorgang beschrieben. „Was mich stört ist, dass in der Geschichte alles böse und magisch ist“. Das sei wie bei der Entfaltung der typischen Matroschka-Figuren, folkloristisch und „einfach Kitsch“.

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

Jandl: Seltsamer Kontrast von Vortrag und Text

Paul Jandl fiel der performative, recht zügige Vortrag auf, der in „seltsamen Kontrast“ zur Ruhe des Textes gestanden wäre. Das Matriarchat in diesem Dorf werde tatsächlich wie in den Matroschka-Figuren gespiegelt. Ein böses Märchen, so Jandl, „alles was stört wird ausgemerzt“. „Der Geist der Urgroßmutter ist zwar in der Tat pfiffig, ihre Sprache ist aber langsam. „Es gibt Motive die mich interessieren, auch was man daraus in einem Roman machen könnte.“ Aber: Die Sprache komme durchwegs „altmodisch“ daher und werde an keiner Stelle im Text durchbrochen, das hätte dem Text, der etwas "hexenhaftes" an sich habe, „gut getan“, so Jandl.

Winkels fehlt das Eintauchen in die Welt des magischen Sprechens

Hubert Winkels schloss sich der Kritik in großen Teilen an: Wenn man eine magische Welt in so einem engen Setting beschränke, müsse dies auch irgendwo in der Sprache sichtbar werden. Das Eintauchen in die Welt magischen Sprechens fehle ihm hier.

„Motivisch gut“ gefiel der Text Juri Steiner. Auch die Frage: wie enstehen Hass und Gewalt in einer weiblich dominierten Welt. Die Antwort des Jurors: „Aus Plumpheit, Gleichgültigkeit“. „Sehr spannend und interessant“ sei das, wenn die Protagonistin zur „Schuld“ regelrecht „konditioniert“ werde, um dieses Schicksal – eine Mörderin zu sein – möglicherweise später einmal im Roman tatsächlich zu erfüllen. „Ich fände es lesenswert da weiterzumachen“.

Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)

Strigl: Apokalyptische Geschichte einer Flucht

Daniela Strigl erklärte das von den Kollegen bemängelte Fehlen des Magischen in der Sprache durch den Umstand, dass die Protagonistin sich eben von dieser Welt frei machen und flüchten wolle. „Sie setzt sich gegen dieses magische Denken zur Wehr, sie will nicht so sein wie die Urgroßmutter“. Das sei die Geschichte einer gescheiterten Flucht, eine „apokalyptische Geschichte“, in der die Prophezeiungen der Urgroßmutter immer eintreffen würden, bis auf die eine, dass die Welt bald untergeht. „Das Unheimliche, um Freud zu bemühen ist etwas, das deswegen wirkt weil es uns auf eine Stufe zurückkehren lässt, die wir glaubten überwunden zu haben. Beim Lesen wird man irgendwie mit zurückversetzt, so Strigl, und: „Unheimlich ist, das diese Blumenschürzen-Hölle etwas fürsorgliches hat und es eigentlich keinen Grund gibt, wegzugehen“.

Die Sprache sei nicht spektakulär, weil sie den inneren Widerstand der Protagonistin, zur Prophetin gemacht zu werden, widerspiegle. „Eine rätselhafte Geschichte aus der zeitgenössischen Welt, die mit dem Archaischen spielt und nur scheinbar hinter den sieben Bergen spielt, eine Endzeitgeschichte die einen unheimlich packt“, so Strigl.

Spinnen findet Großstadtkrimis überraschender

"Also, mich stimmt es immer ganz traurig, wenn der Tatort am Sonntag im Dorf spielt, aber ich schalte dann trotzdem nicht ab“, zog Burkhard Spinnen Parallelen. Das, weil er dann immer in Sorge habe, es werde etwas erzählt, was er schon kenne. Im Tatort sei es die Kellnerin, die die Flucht nicht geschafft habe. „Großstadtkrimis sind überraschender“. Dennoch habe er auf die dahinterstehende Allegorie schauen wollen, aber: die Geschichte füge den Fluchtgeschichten, die er schon kenne, nichts hinzu. "Obwohl ich Hubert Winkels aus Prinzip nie Recht gebe: auch ich bin bei diesen Sätzen hängengeblieben." "Leider Gottes" würden sie das Magische nicht vermitteln, er hätte das magische Sprechen gerne gehört und gewusst, warum die „Jungs und Mädels“ vom Dorf nicht von dort wegkommen.

Strigl erklärte: Dass der Texte deshalb keine aufregende Sprache verwende, weil er „zähflüssig und erdig“ sein müsse. Die Energie zur Flucht fehle der Figur, das sei das Beklemmende daran.