Philipp Schönthaler (D) Jurydiskussion
Es gibt Stargeiger, Starpianisten - warum also eigentlich keine Starflötisten? Philipp Schönthaler erfindet ihn in Gestalt des Star-Flötisten Metnev in seiner Geschichte und erzählt von dessen Deutschland-Tour aus der Sicht seines Simultanübersetzers, der ihn auf dieser Reise schattengleich begleitet und nur zwei Mal im Text in Erscheinung tritt.
Feßmann fühlte sich an David Garrett erinnert
„Eine postmoderne Künstler-Novelle“, sehr „schnell" und glatt“ über einen Künstler der "vom Markt absorbiert" wird, so Meike Feßmann, die sich mit dem Protagonisten an den Star-Geiger David Garrett erinnert fühlte. Das sei technisch präzise gemacht, mit der Lückenlosigkeit des Textes habe sie allerdings auch ihre Probleme. Trotz der lebendigen Vorlage sei ihr nicht ganz klar geworden, was der Text eigentlich mitteilen wolle. Bis auf ein Gegenbild: die Szene in der Zugtoilette, wenn der Künstler allein für sich spiele und zwei Tage später in der Zeitung stehe, dass es ein „Moment mit Aura“ gewesen sei. Insgesamt „ein bisschen schematisch“, so Feßmann.
Paul Jandl ätzte: "Dass der Text dynamisch ist, kann man ihm nicht gerade nachsagen". Dieser sei in seiner "Abschilderung verkümmert" und mache sich selbst "langweilig", weil er alles aufzähle und damit in seinen Details "zerbrösle". "Der Text könnte auch Wiederholungskonzert in Mannheim" heißen und sei – bis auf die Zugtoiletten-Szene langweilig . "Was der Flötenrebell sagt, ist so langweilig, ich hab nicht gewusst, was mich daran interessieren soll". Außerdem gebe es in der Geschichte rein sachliche Fehler, wie etwa beim umgekehrten "Levitationseffekt" oder dem "14 Karat reinen Gold" .
Keller: Interessant gemacht
"Eine verkappte Ich-Erzählung, interessant gemacht", meinte Hildegard Elisabeth Keller. Warum sich der Erzähler so spät zu erkennen gebe, sei ihr allerdings nicht klar, auch nicht wie er bei intimen Szenen des Geigers dabei sein und dann von diesen erzählen könne. Die Anlage sei aber trotzdem interessant. Formal sei zu sagen, dass sich der Text durch seine präzise Sprache dem Inhalt annähere: es gehe viel um Technik, sie habe gern an diesem David-Garret-Schicksal und seinen "kleinen gelehrten Exkursen über Musik" teilgenommen.
Winkels: Der Witz ist das Abgegriffene
Winkels erklärte den bei "Mörike" entlehnten Titel "Schläft ein Lied in allen Dingen" und Anspruch,. wonach der Welt Poesie nicht hinzugefügt werde, sondern Poesie in sich trage um sich dann mit den Kollegen doch auf Josef von Eichendorff zu einigen. "Der Text funktioniert wie der von Helle – hier werden die Außenbedingugnen einer Existenz vorgeführt. Er bewegt sich dabei möglichst weit weg von jeder Poesie, bleibt bei technischen Abläufen und Beschreibungen." Das Abgegriffene sei ja gerade der Witz. Der Künstler sei Funktionsrädchen in einem System, der Text bilde das in seiner Sprache ab. Das dieses Nicht-Künhstlerische am Ende mit dem angedeuteten Tod des Künstlers zur Implosion kommen müsse, zeige, dass die hier vorgeführte Welt der Langeweile vorgeführt werde.
Jandl: Schlagen ja, aber nicht im Koma liegen
Hier schaltete sich Paul Jandl wieder ein: "Schlafen ja, aber nicht im Koma liegen". Hubert Winkels ließ sich nicht beirren: "Diese Orientierung an vorgefertigten Sprachmustern muss man nicht mögen, aber man muss sie sehen".
Steiner mochte den Text, dann aber auch wieder nicht
Auch Juri Steiner war sich nicht sicher, was von dem Text zu halten sei: Er habe ihn beim Lesen gemocht, dann wieder nicht gemocht und so weiter. Der Künstler sei in eine tote Maschinerie eingespannt und müsse am Ende einfach aufs Schafott, und den Gang zur Guillotine antreten. „Auch Ikarus muss fallen“, und „gut, dass das kommt“, so Steiner, denn so werde die ganze tote Maschinerie hingerichtet. Das habe ihn auch mit den Widersprüchen und Fehlern des Textes versöhnt.
Spinnen: Was ist neu an der Künstlernovelle im postmodernen Zeitalter
„Furchtbar profan, wenn man versucht, Textstellen zu lösen - fällt er (Anmerkung: Metnev) da runter oder nicht?“, sagte Burkhard Spinnen. „Dem geht es gerechterweise an den Kragen“ und deshalb „wünschen wir uns auch, dass er fällt“ - auch wenn das Ende eigentlich offen bliebe. Doch, was sei eigentlich neu an dieser „Künstlernovelle im postmodernen Zeitalter“? Schon bei Mozart und Liszt habe es Glamour- und Marketing-Orgien gegeben. Der Künstler scheitert nicht an sich, sondern zerbreche an der Vermarktung. „Das ist so langsam und genau, man soll die Einzelheiten zur Kenntnis nehmen. Doch wo ist der Protagonist ausfindig zu machen? Der spricht so glatt, dass es die Sau graust“. Seine, Metnevs Schuld, liege in der vollständigen Anpassung an das System. Eine „extrem schwarze Bilanz“ einer Künstlernovelle.
Hoffen auf eine Pointe
„Wenn wir den Text wohlwollend lesen wollen, bleibt uns nichts anderes übrig, als ihn abstürzen zu lassen“, sagte darauf Daniela Strigl und meinte natürlich nicht den Autor, sondern Metnev. Meike Feßmann griff den Faden trotzdem auf: in diesem selbstreflexiven Künstlertext spiegle sich doch das Schicksal des Autors: Werde er hier von der Jury verrissen, habe er gewonnen, behalte gewissermaßen gespiegelt in der Geschichte, Recht. „Wir hoffen doch nur, dass der Text eine Pointe hat“, widersprach Jandl.