Roman Marchel (A) Jurydiskussion

Der österreichische Autor Roman Marchel kam über die Rockmusik zur Literatur. „Feuer, Geduld und Vertrauen“ brauche man zum Schreiben, so der Autor. Sein Text „Die fröhlichen Pferde von Chauvet“ wurde von Arno Dusini für Klagenfurt vorgeschlagen.

Roman Marchel (Bild: Johannes Puch)Roman Marchel (Bild: Johannes Puch)

„Es ist nämlich nicht leicht, das Leben“, das weiß die „alte Hermine Gruber“, Hauptfigur in Roman Marchels Text, die ihren Mann aus Mitleid tötet. Die Jury war von diesem ersten Text - von wenigen Einwänden abgesehen - sehr angetan und Moderator Christian Ankowitsch fragte am Ende denn auch: „Was kann uns Besseres passieren als dieser Auftakt?“

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Winkels: "Schwer nicht beeindruckt zu sein"

Bedenken kamen vor allem von Hubert Winkels, obwohl es „schwer sei, nicht beeindruckt zu sein“. Man sei hier in einer Todeszone und werde Zeuge eines Mordes aus Mitgefühl, doch „um es vorweg zu sagen, mich erinnert dieser Text fatal an Michael Hanekes Film „Liebe“. In Aufbau und psychologischer Spannung verfüge dieser Text „nicht sicher“ über seine Mittel und setze zu sehr auf „gefühlsevozierende Marker“. Dabei werde die personale Erzählsituation aber zu oft zugunsten eines auktorialen Erzählens verlassen, und zwar „an ungefähr zehn Stellen“.

Noch gravierender sei aber, so Winkles dass die „leicht aufdringlichen Mittel“ des Textes „viel kaputt“ machen würden. Das sei insgesamt „zu gemacht und gewollt“ und nicht aus der Erzählperspektive entstanden. „Das Tigermuster aus Zebrastreifen und Asphalt habe ich mir lange vorzustellen versucht.“

Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)

"Hohe Männersterblichkeit in der Familie"

Daniela Strigl war die nächste: „Ein Familienmodell, in dem es eine hohe Männersterblichkeit gibt“. Die Tötung aus Mitleid oder Erschöpfung habe Haneke „nicht gepachtet“. „Das darf man schon machen“. „Ich finde nicht dass der Text zu dick aufträgt“, „angenehm unspektakulär“ sei das, wobei die von Winkles kritisierte, changierende Erzähler-Sache „kein Problem“ sei. Das sei „gut gemacht“ und passe zu Tonlage, wobei es „sehr schöne Stellen“ gebe in diesem Text, der von „Understatement“ geprägt werde.

Auch Hildegard Elisabeth Keller empfand den Text als „still“ und „diskret“. Sie sah eine große Analogie zu Werner Herzogs Film über die Höhlen von Chauvet. Der Text führe in eine völlig dunkle Welt, eine erste Menschheitsskizze, in die man mit vielen Taschenlampen bewaffnet erst eindringen müsse, um sie zu entziffern. Sie habe den Text aus der Distanz schätzen gelernt, und habe „großen Respekt“ vor dessen Technik der Andeutungen – das brauche aber Zeit.

Auch Meike Feßmann widersprach Winkels: Der Autor könne in dieser erlebten Rede in die verschiedenen Bewusstseinsströme hineingehen. „Im Detail sehr genau gebaut“ sei das, in einer Zeitschleife werde eine ganze Beziehungsgeschichte erzählt. „Ausgezeichnet gemacht“, so Feßmann.

"Die Männer sind tot"

Juri Steiner sah „ewige Nostalgie“ in dem Text, in dem das Leben längst vergangen sei. Die Frauen erleben, die Männer sind tot. „Für mich ist das nicht empathisch, das ist keine Tötung aus Mitleid, diese Frau ist derb geworden, sie legt sich am Ende auf den Man drauf um ich zu töten, ein starkes Stück, ich möchte nicht so enden“ . Diese „Mutter-Tochter-Geschichte“ habe eine grandiose Brutalität und Derbheit, die sich durch die ganze Geschichte ziehe. „Mich hat fasziniert zu sehen, wie derb Frauen in Wirklichkeit sind – in der Literatur natürlich“.

Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)

"Text über das Altwerden"

Burkhard Spinnen meinte: „Ein Text über das Alt-Werden“ und die Abwesenheit von Menschen, mit denen man das Leben irgendwann selbstverständlich begonnen habe. Die Frauen würden mit dem Elend des Alleinseins und der Desertion zurückgelassen. Spinnen warnte in Richtung Winkels: „Aufpassen, es ist Literatur und kein Beitrag zur sozialpsychologischen Bewältigung des Umstandes, dass die Männer früher sterben. Was wir brauchen sind diese Sätze, die durch die Blechdecke der Wirklichkeit stoßen – auch wenn mir nicht alle gefallen haben.“ Dieser Text bekenne sich dazu, zwei Ebenen zu haben. Er stimme solchen Texten „sehr zu“.

Arno Dusini (Bild: Johannes Puch)Arno Dusini (Bild: Johannes Puch)

„Der Text geht der Frage nach: Was ist Tod und Sterben“, erklärte Arno Dusini, und mache das „sehr diffizil“. „Ich halte das für einen wunderbaren Text und könnte das noch ausführen, aber es ist 11.35 Uhr“.