Zè do Rock (BR), MÜNCHEN
Der Autor wurde von Burkhard Spinnen zum Wettlesen um den Ingeborg Bachmann-Preis eingeladen.
Zé do Rock: Gott is Brasilianer, Jesus anscheinend auch
vorgetragen bei den 37. Tagen der deutschsprachigen Literatur 2013
© Zé do Rock
A schweizer in Nepal erzählte mir mal von einem erlebnis in Brasilien: er wollte a zug nach Porto Alegre am folgenden tag um 12:30 uhr nehmen, er kaufte dás ticket und am näxten tag ging er um 12 uhr zum bahnhof, und sah wie der zug gerade wegfuhr. Er ging zu a bahnangestellten und protestierte entsetzt, wieso fährt der zug a halbe stunde früher weg als im fahrplan angegeben wird? Keine bange, sagte der bahnbeamte, der zug, der gerade weggefahren is, is der zug der gestern um 12:30 uhr hätte losfahren sollen.
Ja, die geschichte bestätigt das clischee, aber in diesem buch wird das clischee nich sehr oft bestätigt: die brasilianische bahn hat practisch aufgehört zu existieren, man fährt mit dem omnibus. Und die sind viel konfortabler als die Deutsche Bahn und pünktlich wi a schweizer uhr, falls die schweizer uhren noch pünktlich sind. Während die Deutsche Bahn... Einmal hab ich eine kleinstatistica gemacht und die pünktlichkeit von 10 zügen gemessen, die ich genommen hab: 2 waren pünktlich, 7 unpünktlich und einer is gar nich erschienen. Das clischee der incompetenz der brasilianer entspricht so der wahrheit wi dás clischee des perfeccionismus der deutschen - oder ihrer humorlosigkeit. Immerhin haben se sogar a museum, das einem humoristen gewidmet is, dás Valentin Musäum en München. Das müssen die brasilianer den deutschen erstmal nachmachen!
Dieses buch beschreibt meine trampreise durch Brasilien, von der venezolanischen grenze im norden bis zur uruguayischen grenze im süden. Der plan is, die fahrer, die mich mitnehmen, und sonstige interessante leute zu entreviewen, die mir über den weg laufen. Ich fliege nach Caracas und fahre mit dem bus bis zur brasilianischen grenze. Auf der venezolana seite werd ich gefilzt, ich muss sogar meine hose runterlassen, was man aba da findet is (noch) nich ilegal.
Ich tramp em der bewölkten schwüle nach Boa Vista, der capital des nördlichen bundesstades Roraima. Viele indio-gesichter hier - wenn ich se em Sao Paulo gesehen hätte, würd ich denken, die leute sind aus Paraguai oder Bolivia. Ah so ja, em manchen ländern Südamericas is dás wort 'indio' auch nich mehr politisch correcto, má sagt 'original'. Also sieht má hier viele originalgesichter.
Em Manaus begeb ich mich zu Camila, a bekanntschaft aus dem internet, die mich eingeladen hat. Petrópolis, dás viertel em dem se wohnt, is untere mittelclasse. Ich gurke ca. 20 minutos rum, komm an ca. 20 pfingstkirchen de diversas confissionen vorbei. Dá sind die groszen americanas kirchen wi die adventistas em diversas versões, die Assembléia de Deus (Gottesversammlung), die groszen brasileiras wi die Weltkirche der Macht Gottes, dá sind ao die Kirche vom Wort des Lebens, Kirche von Gott em Christus, Kirche von Gott em Brasil, Kirche Gott ist Liebe, die Verbleibende Dualistische Kirche der Erstgeborenen, Kirche des Viereckigen Evangeliums, Deuteropentecostalismus, Evangelische Pfingstkirche Die Letzte Trompete, Bewegung des Überlegenen Lebens, Wiederbelebung der Asuza-Strasze, Bewegung der Heiligkeit, die Wahre Jesus-Kirche, Schneball-Kirche, um nur a par wenige zu nennen. Der fantasia sind keine grenzen gesetzt. Die zahl der confissões geht vermutlich em die hunderte. Es gibt sogar católicas kirchen, die auf evangelical machen, haleluia und praise the lord singen, um die verluste der católica kirche zu stoppen.
Diese sectas verbieten vor allem zwei actividades, rauchen und trinken, sou vi die EU. Manche sind consequenter und verbieten ao café, fleisch, etc. Sou weit geht die EU nich, kommt aba vielleicht nó. Richtig consequente zu sein und softdrinks (dás sind mini-giftküchen), milch (verursacht krebs), açúcar (diabetes und krebs), salz (hoher blutdruck), fleisch (herz), eier (herz, allgemeine vergiftungen wegen arsenio, schwefel und salmonelas), autos (krebs und überfahrgefahr), stühle (darmkrebs), BHs (brustkrebs) etc zu verbieten, tut dann dó keine secta. Der vorteil is das die gläubigen keine bancos überfallen und leut ermorden, oder wenigstens nich sou oft. A propósito, die ganz grosze unter den evangelicais kirchen is die Igreja Universal do Reino de Deus, Universelle Kirche vom Reich Gottes, vom Bispo (Bischof) Macedo. Se hat TV-sender em Brasil und em einigen anderen ländern, milhões anhänger em Latinamerica, USA und África. Ma sagt, Gott is der weg, Bispo Macedo is die maut.
Ich bin für religionsfreiheit und dafür, das jeder den em meinen augen gröszten unsinn glauben darf. Aba sou sind dise kirchen nich, se sind a treibende kraft beim verbotswan, der Brasil und die welt grade überschwemmt. Jetz wurd ein evangelical pastor zum Vorsitzenden der Menschenrechtscomission im Congresso gewält. Er findet, schwulis sind a degeneracion der naturez und negris stammen von a son Noahs ab, der von disem verflucht wurde. Danach versuchte er die wogen zu glätten, indeem er erklärte, nich alles in África is sou schlimm, weil da aoch weisse leben. Das va kein meistiwerk der wogenglättung.
Ich komme bei Camila an, sie wont in a studi-WG. Sie va a betribsunfall: der papai va 17, die mama 21, sie waren nur curz zusammen. Als Camila 8 va, bekam sie ein stifvater. Zu dem zeitpunkt va die mama 29, der stifvater 15. Klar va das nich der grosze hit bei der familie, aba mit der zeit gewönte ma sich dran, und der bua is ja auch älter geworden.
Die familie gehört zu den 'espíritas', a zimlich eigenartigen religion. Angeblich is es ein mix aus religion, filosofie und wissenschaft, mir scheint es ein mix aus kristianismo und budhismo. Ma glaubt an Gott, an Jesus, andrerseits glaubt ma nich an himmel und hölle sondern vie die budhis an reincarnationen, die ma durchmacht um die perfektion zu erreichen. Und vie bei den budhis felt das messianischu der kristlichen und der islamischen religion, ma schickt keine missionare in die welt um die neue heilslere zu verkünden und die menschheit zu beglücken. Man is auch tolerant gegenüber andren religionen bzw filosofien. Und ma spricht über ein medium mit den toten. Espíritas oder espiritistas sen sich als kristis, auch wenn die andren groszen kristlichen kirchen das nich so sen. Gegründet wurde die religion mitte des 19. jarhunderts vom francês Allan Kardec. In France leben nur 17 000 anhängis, in Brasil fast 4 milionen. Apropo, die espíritas ham proporcional die meisten hochschulabschlüsse. Das hat Camila trotzdem nich davon abgehalten, religionsfrei zu werden. Sie hatte aber keine finanziellen gründe, im gegensatz zu einer andren brasileira, die in Deutshland lebte und die ich mal nach der religion gefragt hab. Die erzälte, "Früher war ich catolica, né, aber dann bin ich nach Deutshland gekommen, und hir muss ma dafür ZALEN! Und so bin ich momentan religionslos."
Ich far zum hafen, lass mein koffer in meiner kabine im bot, ge noch a par sachen im zentrum besorgen. Brasil is für mich ein zimlich ärgerliches land geworden, ich werd nu in den läden dauernd gesiezt. In Brasil is generell das "arbeits-pronome", also das alltägliche pronomen das 'você' (oder einfach /se/), also das 'du'. Das wort für 'Sie' is 'O Senhor' (oder kurz /sjo/), und es hat nix mit distanz zu tun, es wird nur für deutlich ältere leut oder chefs als zeichen des respekts gebraucht, es heisst ja auch 'der herr'. Da ich kein chef bin, kann es nur wegen meim alter sein. Das ich alt bin, weiss ich ja, aber muss ma das mit jedem pronomen kundtun, kann ma mich nich sprachlich wie die andris behandeln? Das pronomen wird nur einseitig gebraucht, das heisst, der ältere (oder der chefe) siezt nich zurück. Dazu kommt, das ich südbrasileiro deutsh gelernt hab. Ich bin zwar de lituana, russa und deutsh abstammung, in Südbrasil is aber nur die deutshe cultur übriggebliben, und das simplifizierte und ser durchmischte brasileiro deutsh kennt nur das 'du'. Nu ja, wenn abzuseen is, das ich die leute öfter sen werde, sag ich inen so was wie: "Bitte, ich weiss ich bin steinalt, ich bin trotzdem kein herr, OK?" Da lachen sie und siezen mich nich mer. Manche leute ham da andre anreden, wie "querido" (liber), "jovem" (junger mann) oder "amigo!". Ich weiss das das auch nich grade stimmt, trotzdem find ich es vil freundlicher.
Ich komme zurück zum hafen und das bot is wek. Wie, wek? Die abfart is um 12, nu is erst 20 vor 12? Egal, es is wek. Ich krige die krise, frage rum, bis mich einer informiert, es hat woanders am hafen kurz geparkt, und er rät mir, ein taxibot zu nemen. Ich werd hingefaren, muss auf den kei klettern, rutsch an eim stoszdämpfer-reifen aus, häng am reifen und fall fast ins wasser. Aber ich erwische noch mein bot, schweissgebaadet.
Meine kabine hat zwei betten, ich teile sie mit Padre Nego, eim simpatischen pater aus dem süden. Seine vorfaren kamen aus Italia, und waren weinbauern in Brasil. Der pap arbeitete in a schreinerei und kaufte sie auf. Die eltern hatten 8 kinder, 4 jungs und 4 mädchen. Sie hiszen Edelir, Evanir, Edir, Edair, Elzir, Elonir, Eliane und Elisete. Die Edair heiratete übrigens später a mann namens Aldoir. Evanir scheint nach den wenigen verblibenen haren zu urteilen blond gewesen zu sein, seine haut war aber etwas dunkler als die seiner zwei älteren brüder, weshalb man ihn 'Neguinho' nannte - Negerlein. Diser spitzname war übrigens sein glück, dá der Edelir zum Eddie wurde und der Eloir zum Elo, also wenn er nich Neguinho wer, müsste man ihn Eva nennen.
Die familia-mitglider waren católicos practicantes, und hielten ser zusammen. Neguinho hatte en der kindheit vile freunde, má schwamm im weier, machte mit der schleuder jagd auf vögel und vögelte kälber - eben a glückliche kindheit auf dem lande. Was Neguinho nich mochte, war fussbal spilen.
Als er erwaxen wurde, wehrte er sich contra die bezeichnung 'Neguinho': er war ja nich mer klein, da konnte man ihn schon 'Nego' nennen, one dás diminutiv. Er studierte am ende weder kunst noch matemática, wi er ursprünglich geplant hatte, sondern filosofia und dann teologia. So wurde er zum pater. Er war der 'Padre Nego', der 'Pater Neger', so nannten ihn alle, ausser dem Bischof, der in seinen brifen schrib: An Evanir Rosa. Und dann em klammern: (Padre Nego). Bald schickte man ihn nach Maranhao im nordosten. Dort dachte er, nu is schluss mit dem 'Nego', es mousse etwas mer respecto her. Leider kam ihn seine mamãe mal besuchen, sprach von irem son 'Nego', und imediatamente wurde dás von der população übernommen. Er blib der Padre Nego.
Em der conversa über sexualidade em seim beruf spricht er fiel von keuschheit. Seine jungfräulichkeit kann ma leicht verliren, und die is unwiderbringlich. Aba keuschheit kann má jederzeit erlangen. Wobei die keuschheit, die er meint, nich unbedingt die sexual is, sondam im reinen sein mit sich selbst und mit Gott. Er is nich contra dás celibato, wenn es a persönliche decisão is, aba nich wenn es von der Kirche zur pflicht gemacht wird. Er meint auch, má wird als padre immer wider belagert, und manchmal belagert má selber andre. Ich versuch, aus ihm vás zu entlocken, vás er im beichtstul selbst gebeichtet hat oder beichten müsste, er antwortet: "Ich hab nie vás unbotmäsziges getan, und dás vás ich unbotmäsziges getan hab, hab ich immer ser gut kaschiren können!"
Inzwischen sind wir im stado Pará, vou die nuss herkommt. Die para-nuss, noz do Pará, naturalmente. Die delfine springen frölich im wasser des Amazonas. Am ufer ham nu auch die kleinsten dörfer electricidade. Sie kommt ausch den generadores. Licht vär den indios und caboclos (mischlinge aus indios und weissen) nich so wichtig, aber one TV get rein gar nix.
Ich entreviu endlich mal jemand ausch der região. Raiol kommt aus Soure, auf der Marajó-Insel, der gröszten flussinsel der welt, und wont em Belém. Ich dachte, nur die cariocas, die wonis von Rio, sprechen dasch S, das von keinem vogal gefolgt wird, als SCH aus, die paraensesch tun das aber auch. Als vär esch nich genug, das ich jetz im Stuttgart won, jetz musch ich mir auch dasch noch anhören. Er meint, dasch portugisische do Pará wird alsch dasch beschte und richtigschte im Brasil angeseen. Dasch kann ich mir schwer vorstellen, seit wann gilt zanlückendiccion alsch perfecta pronuncia? Raiol is sportlich, trinkt nich, raucht nich isch trotzdem kein evangelical. Er is professor de informática, va nie en lebensgefahr, die schlimmschte krankheit, die er erwischte, va pocken, und er findet die regiru nich gut, es get alles den bach hinunter, die ganze corrupção... Ich wend ein, aba die economia wäxt doch? Ja, ja! Brasil isch nu die sexte potência econômica der welt, eine gigante indústrie, es wird hir fil investido und wir investimos auch! Is interessante vie antipetisten (die leute die Lula nich mögen) erkennen, dasch es dem land gut get, und die regiru trotzdem kritikiren. Aba petisten, die lula-fäns, waren aoch nich anders, als der vorgänger FHC das land regierte. Simplesch logischesch denken is dem menschen fremd. Wenn Hans mer geld hat als Peter, und Peter mer geld als Robert, dann is der schluss nich, das Hans mer geld hat alsch Robert, sondern das alle drei corruptos arschlöcher sind, wenn ma sie nich mag. Oder wenn ma z.b. Peter mag, is der schluss, das Peter kein materialist vie Hans is und nich so faul vie Robert. Irgendwie kann der mensch nur zweckdenken, dasch heisst, zum eigenen vorteil, oder so, das er seine hirnbibliotek nich umbaun muss - auch das hirn is ein fauler sack.
Da ich nich veiss, wo ich in Belém übernachten soll, folg ich dem japano, den ich im bot kennengelernt hab. Das heisst, er folgt mir: er hat die adresse vom hoschtel, ich weiss wie ma hinkommt, oder besser: ich veiss es auch nich, kann aber fragen. Er heisst Hiroshi, is ein ganz gewönlicher japano, ich frag ihn was er in Japan so zum leben macht, er antwortet, "I cut chicken, in restaurant". Jetz hat er urlaub: in einu der flüsse, die den Amazonas bilden, kam er von Atalaya in Südperu mit eim selbstgebauten flosz runter. Nach 5 tagen knallte das floosch auf ein baum, er gerit in senot, oder besser, in flussnot, schrie eine stunde lang nach helf und wurde gerettet. Er baute dann noch ein flosz und zog weiter bis nach Iquitos, er war dann noch 20 tage unterwegs. Vor a par jaren ging er zu fusz von Shanghai nach Lisboa in Portugal, er brauchte dafür 3 jare. Nach eim langen tag hatte er kein Toyota farzeug, kein Sony-recorder gebaut, sondern lediglich sein körper durch die sibirische taiga 40 oder 50 kilometer weiter geschleppt. Eigentlich kein guter japano.
Mit Belém bezeichnet ma nich nur die elftgröszte stadt von Brasil, sondern auch die stadt, in der Jesus geboren wurde, Bethlehem. Der fussballo Claudiomiro vom FC Internacional aus Porto Alegre, der zum ersten mal in Belém spilen sollte, gab in eim interviu zu protocol, dasch er sich freut, in der stadt spilen zu dürfen, in der Jesus geboren wurde. Sag ich ja, nich nur Gott sondam auch Jesus is brasileiro.
Das Hotel Amazonas, ein unscheinbares hostel das die rucksackturis gern aufsuchen - billiger kann man es nich haben, sicher stet es in der "Bibel", dem Lonely Planet reisefürer - is nett eingerichtet, leider darf ma hir nich rauchen. Klar. Normal bin ich ein verbrecho und rauch im zimmer, aber dasch zimmerfenster get hir direkt zur rezepzion. Ich muss immer wider raus aus dem hotel, was tagsüber mit vil nässe verbunden is und später am abend auch mit überfällen. Ab 10 ur abends muss das schloss aufgemacht werden, alsch hätt ich freigang vom knast. Irgendwie komm ich mir zimlich blöd vor, ich zal um ein dach überm kopf zu haben und für die sicherheit, und hab beides nich. Wenn ich überfallen werd und das hotel oder den stado verklage, wird der richter sagen, ich war selber schuld, warum hab ich geraucht? Ein mensch, der von Europa nach Brasil und zurück fliegt, war alein verantwortlich für die verwandlu von 500 litern treibstoff in luftgift, und trotzdem, wenn das flugzeug abstürzt und die familie die fluggesellschaft verklagt, kommt kein richter auf die idee zu sagen, selber schuld, der passagir war ein unverbesserliche umweltbelaster, und hat unbeteiligte passivfliger mit dem unfall gefärdet! Wir essen hergeflogene tropenfrüchte, verbrauchen täglich atomstrom, fast alle unsere activitäten schaden der umwelt und unseren mitmenschen, aber "selber schuld" sind nur die rauchis. Naja, ich zie in ein benachbartes hotel um. Das kostet fast doppelt so vil, dafür bin ich unter brasilis, offensichtlich können sich die armen ausländer hir nur das billigste leischten.
Ich far bis nach Castanhal mit dem buss, der näxten stadt ausserhalb Belém. Dann trämp ich weiter, und zimlich bald, direkt vor der Oficina do Negao, der Werkstatt vom Groszen Neger, hält ein auto an, ich bin erstaunt wie leicht das get. Vorne sitzen als beifarer ein schönes mädchen und als farer ein hässlicher mann, la belle et la bête. Samara und Antonio sind etwas erstaunt, als ich sie interviun will, stimmen aber zu.
Ich: "Was hast du früher gemacht, was machst du nu im leben?"
Samara: "Früher ging ich in die schule, nu studir ich geschichte. Ich hab auch eine 8-monatige tochta, und ge mit ir in die uni. In den ferias arbeit ich in a lotto-laden."
Ich: "Isch dás nich problematisch in der uni? Is dás kind wenigstens ruig?"
Samara: "Ja, ser ruhig. Die professoren sagen immer, sie is die einzige die aufpasst."
Ich zu Antonio: "Und was hast du beruflich gemacht, was machst du nu?"
Antonio: "Mit 16 hab ich angefangen, in a sägewerk zu arbeiten, danach bin ich aufs taxi umgestigen und dás mach ich bis heute."
Ich: "Taxifaro? Is dises auto etwa a taxi?"
Faro: "Ja."
"Ach so... also musch ich zalen?"
"Schon!"
Ich frag ihn wi fiel der spasz costan wird, es sind keine 5 euro für 50 kilômetros, es is a sammeltaxi und naja, wir ham dás enterviu schon angefangen... nur, was sol dás werden, gibt es nu überall im land sammeltaxis? Hatte ich noch nie geseen. Ich frage se nach irer religião, er is católic und get zweimal im jar em die kirche, ostern und weinachten. Se is deista. Was bist tu, ateista? Nein, DEISTA. Vasch is denn das? Ja, se glaubt an Gott, 'Deus' auf português. Und is dás a neue religião, get se em irgendeine kirche? Nein, se kommt aus einer evangelical família, get aba nich em die kirche. Und futebol, spielt Antonio futebol? Nein, er mag es nich, er is zu schlecht, oder ví man im Brasil sagt, er hat a perna-de-pau, a holzbein. Der lieblingssport von disem baum von a mann var immer federball. Samara zu fragen, ob se futebal mag, erscheint mir zeitverschwendu, ich frage se trotzdem, und da schau her, se spielt gern futsal, vas für 'futebol de salao' stet, also hallenfussball. Dançar tut er nich, se schon. Sou is es bei den meisten brasileiros, fraun dancem, männer nich. Und vermutlich is esch ao sou bei den meisten deutshen, austríacos, russos, canadenses... Und samba? Samba is a músic aus Rio, die meisten brasileiros kennen es nur vom hörensagen.
Ich überquer die grenze zum bundes-stado Maranhao, jetz bin ich im nordosten, der ärmsten região do Brasil. Da kursiert der spruch, arme leut essen nur fleisch wenn sie sich im die zunge beissen. Inzwischen is aber alles fiel bessa, die leuti sind motorizados, die autobanen vermeren sich, die städte sind sauberer. Die leuti haben alle möglichen farben - von blond bis pechschwarz - und formas - wirklich, es gibt leuti mit gesichtszügen, bei denen ma denkt, sie müssen von ausserirdischen stammen. Die meistis sind jedenfalls braun, wobei ma nie vais ob es von den genen oder von der sonne kommt. Wenn man es unbedingt wissen vil, kann ma die leuti bitten, die hose runterzulassen, am weissen (oder nich weissen) arsch, der nie von der sonne beschinen wird, erkennt ma's am besten.
Sprechen tun sie etwas anders, sie schluck fil mer buchstab, und ham ein lustig singsang. In einer bar fang ich ein gespräch mit Louro an, der sich dauernd im wald rumtreibt. Das wort 'louro' heisst blond, Louro is gar nich blond, sondern hat braune haut und schwarzes har, var aber als kind blond. Er mag den jungel, auch wenn der nich immer ungefärlich is. Er erzält mir von mereren brenzligen situacionen mit tiren, eine von inen var mit einer boa: da var er mit seinen 2 hundis unterwegs und plötzlich lag eine boa vor inen. Die hunda stürzte sich auf die boa, vas vileicht nich ser klug var. Die boa rollte sich um die hunda und var dabei, sie zu püree zu machen, Louro zog an irem schwanz bis sie von der hunda loslisz. Die schlangi schlang sich stattdessen um Louro und wollte ihn erdrücken, er widerum hilt sie an der gurgel, konnte sie aber nich mit der machete töten weil er dazu eine der hände um iren hals hätte loslassen müssen, wenn ma von eim hals bei schlangis reden kann, und mit einer hand hätte er iren kopf nich halten könn. Die hunda war nich mer zu gebrauch, sie wusste inzwischen was der enge kontakt zu einer boa bedeutet und blib auf distanz, der hundo widerum biss auf die boa so lange ein, bis die bestie von Louro loslisz. Der dann die machete nam und ir den kopf abschnitt. Klingt wie jägerlatein, aber ich glaub ihm, der mensch is so was von echt, er is ein original, auch wenn er kein richtiger indianer is.
Die eltis von Louro hatten 16 kind, aber 2 sind tot, und eino taugt nich mer.
"Taugt nich mer? Is er ein kriminello?"
"Nein, er liegt nur noch im krankihaus, an lauter aparaten angeschlossen."
"Was is ihm passiert?"
"Er hat schon vor jaren ein schuss in den bauch gekriegt, die ham ihn operiert, und jetz mussten sie ihn wider operieren - ich glaub nich das er noch aus dem spital rauskommt."
"Überfall, streit, oder was?"
"Nein, ein typ hat ihn angeblich aus verseen angeschossen. Der hat grade mit dem gewehr von meim brudo gespielt, und ein schuss hat sich unerlaubterweise gelöst - sagt er."
"Und woran sind die 2 brüdos gestorben?"
"Eino bei der geburt, der andro wurde erschossen."
"Überfall, streit, oder was?"
"Nein, der gleiche typ, der mein brudo angeschossen hat, hat dem andren brudo das hirn wekgeblasen. Er sagt er hat gespielt, ich glaubs nich, der hat ja auch seine nichte angeschossen - dreimal verseen?"
"Ja spinn ich? Und ham sie den dann endlich verhaftet?"
"Ach was, beim ersten schuss war er 12 jare alt, beim letzten 17. Der is vor eim oder zwei jaren volljärig geworden."
Naja, woll ma hoffen, das mit der volljärigkeit vernunft einkeert und er auf weniger leute schiszt.
Ich zie weiter nach Fortaleza, der hauptstadt des states Ceará. Ich bleib in eim vorort, muss mal in die stadt um einiges zu erledigen, und neme dann ein buss zurück. Als ich aussteigen will, stell ich fest, das der buss zimlich voll is, das is ein langer langer buss, ich bin ganz vorne und der einzige ausgang is ganz hinten. Ich kämpfe mich durch, der buss erreicht die haltestelle, ich bin immer noch weit von der tür, er färt weiter, die näxte haltestelle kommt schon, ich bin immer noch ein par meter wek von der tür, und erreich sie erst als sie schon wider zumacht. Ich halt sie mit aller macht fest, krig sie wider halb auf und schaff es raus. Leider nur das meiste von mir - die tür is nich zum spassen da, die hat den befeel zu schliszen, das tut sie pflichtbewusst und behält mein fusz. Ich fall mit dem gesicht auf die plattform der haltestelle. Und der blöde buss färt los, mit mir im schlepptau. Die leut im buss schrein den farer an, der nach ein par metern sten bleibt, die tür get wider auf und ich hab mein fusz wider. Gott sei dank, weil 5 oder 10 meter weiter käme am rand der plattform a mauer, meine beine wären mitgefaren und mein oberkörper wär gebliben.
Ich bedanke mich bei den busspassagiren und bei der organisacion des Bachmannpreises, die zusammen ermöglicht ham, das ich noch heute abend hir vorlesen durfte.