Urs Jaeggi - Ein "Spätberufener" wird 80

Mit dem Auszug "Ruth" aus seinem Roman "Grundrisse" gewann Urs Jaeggi 1981 den Bachmannpreis. Dieser Tage feiert der in Solothurn in der Schweiz geborene Schriftsteller seinen 80. Geburtstag.

 

Spätberufen, schnell  "erkannt"
Jaeggis künstlerischer Werdegang zum Schriftsteller und Bildenden Künstler verlief alles andere als geradlinig, verlief oft über Seitenstraßen und Umwege - wenngleich natürlich auch hier Heimito von Doderer rechtzugeben ist, wenn dieser schreibt: "Umwege erhöhen die Ortskenntnis".

Der am 23. Juni 1931 in Solothurn geborene Jaeggi fand erst mit etwa 54 Jahren zur Kunst, wurde aber schnell anerkannt und ausgezeichnet, unter anderem von den Städten Solothurn und Tel Aviv. Dabei gehörte Malerei neben Architektur zu seinen frühesten Berufswünschen. Urs Jaeggi besuchte schon als Jugendlicher Malkurse, aber dann ging er "dummerweise zu den Pfadfindern", wie er in einem Radiointerview bekannte.

 

Bankbeamter, statt Jurist und Politiker
Nachdem sein Vater früh verstorben war, änderte der damals 12-Jährige sein Karriereziel und wollte wie der Papa Jurist und Politiker werden. Weil das Geld zum Studium fehlte, machte er eine Banklehre - eine Fehlentscheidung, wie er bald merkte. Dennoch beendete er die Lehre und arbeitete fünf Jahre lang im Beruf. Daneben verschlang er welt-, kunst- und literaturgeschichtliche Bücher, bereitete sich auf die Matura vor und schrieb Theater- und Kunstkritiken.

 

Später Berufswunsch: Schiftsteller
Sein Berufswunsch wechselte erneut - auf Schriftsteller. Da man "daneben noch etwas Anderes können muss", studierte er Soziologie - damals eine noch junge Disziplin. Nach der Promotion 1959 war er unter anderem Privatdozent in Bern, wo er 1964 habilitierte. 1972 bis 1992 war er ordentlicher Professor an der Freien Universität Berlin.

 

"MACHT UND HERRSCHAFT IN DER BRD"
Seine Arbeit "Macht und Herrschaft in der BRD" (1968) - eigentlich die nicht zum Druck bestimmte Antrittsvorlesung an der Ruhr-Universität Bochum - wurde zu einem der Hauptwerke für die Studentenbewegung und ist mit einer halben Million verkauften Exemplaren eines der erfolgreichsten deutschsprachigen Sachbüchern.

 

BRANDEIS folgten GRUNDRISSE
Dem breiteren Publikum bekannt wurde Jaeggi als Romanautor: "Brandeis" (1978) gilt als eines der wichtigsten belletristischen Werke über die Studentenbewegung und die Zeit danach. Mit einem Auszug aus dem Nachfolgewerk "Grundrisse" gewann Jaeggi zudem 1981 den renommierten Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Preis. "Rimpler" (1987) ergänzte die 68er-Trilogie.

Schon sein erstes belletristisches Werk, der Erzählband "Die Wohltaten des Mondes", hatte 1963 den Literaturpreis der Stadt Bern erhalten, sein zweites, "Die Komplicen", denjenigen der Stadt Berlin. Urs Jaeggis vorerst letzten literarischen Bücher waren die Romane "Weder noch etwas" (2008), "Wie wir" (2009) und "Eudora" (2010).

Heute lebt der Soziologe, Autor und Bildende Künstler vorwiegend in Mexiko und Berlin.  Aus Anlass seines 80. Geburtstaghes zeigt das Berliner Kulturzentrum Malzfabrik die Retrospektive "Kunst ist überall".

 

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