Christopher Kloeble (D)

Christopher Kloeble las als Letzter des ersten Lesevormittags. Sein Auszug aus dem Roman "Ein versteckter Mensch" handelt von einer ungewöhnlichen Vater-Sohn-Beziehung.

Sohn erfährt vom Sterben des Vaters

Der Vater, Fred, ist auf eine nicht näher genannte Art und Weise beeinträchtigt, der Sohn hat gerade seine Matura absolviert und erfährt nun, dass der Vater an einer nicht näher beschriebenen Krankheit sterben wird.

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"Sohn bringt keine Sensibilität auf"

Hubert Winkels konnte dem Text nichts Positives abgewinnen und sah diesen eher auf einer "abschüssigen Bahn". Dies, da Vater und Sohn nicht einmal die "kleinste Minimalkommunikationsbasis" herstellen könnten. "Was fast weh tut ist, dass Sohn Albert nicht einmal die Minimalsensibilität aufbringt, um das wenige, was dem Vater von Bedeutung ist, wertzuschätzen. Der Text rollt sich selber von hinten auf".

 

Christoph Kloeble Lesung (Bild: Johannes Puch)Christoph Kloeble Lesung (Bild: Johannes Puch)

"Text operiert mit falschen Bildern"

Meike Feßmann fand Winkels Bewertung der Figurenkonstellation zu streng. "Ich finde schon, dass der Text von dem ungleichen Vater-Sohn-Paar und der Umkehrung der Vorzeichen lebt - das bringt ihm aber auch einige Umständlichkeiten ein, weil dem Leser eben klar gemacht werden muss, das es hier umgekehrt zugeht."

Der Text wolle sprachlich "locker und flüssig" und "unterhaltsam" sein, operiere aber sehr oft mit falschen Bildern. Aber: Die Grundkonstellation habe ihr gut gefallen. Wenn es skurril wird, muss man aber sprachlich extrem genau sein, so Feßmann.

"Wahnsinn und Demenz"

Paul Jandl meinte: "Wahnsinn und Demenz sind in der Literatur besonders schwer herzustellen - weiß der Himmel, warum der Bachmannpreis ein Auffangbecken für diese Texte ist". Der Text immunisiere sich gegen Kritik durch die ihm immanente "Logik der Demenz", sei aber weder in einem menschlichen Sinne noch sprachlich plausibel dargestellt. "Der Text entzieht sich der Kritik".

 

Publikum (Bild: Johannes Puch)Publikum (Bild: Johannes Puch)

Umkehrung normaler Verhältnisse

"Was mich an diesem Text fasziniert hat, war die Umkehrung der normalen Verhältnisse", relativierte  Alain Claude Sulzer die doch harsche Kritik seiner Kollegen. Schon von Anfang an müsse sich der Sohn um seinen Vater kümmern.  Eine Situation, die man "unglaubwürdig" nennen könnte, wenn sie nicht wie hier mit den richtigen literarischen Mitteln gelöst sei. 

"Text hat komisches Potenzial"

"Ich glaube, dass der Text komisches Potenzial hat, nicht so sehr realistisches", begann Karin Fleischanderl. Das Kriterium, alles müsse psychologisch richtig sein, verfehle den Text damit. "Die verkehrte Welt ist immer Quell der Komik - darum reiht sich auch eine komische Szene an die andere. Ich finde, auf dieser Ebene funktioniert der Text eigentlich ganz gut".

"Figuren wehren sich gegen Autor"

"Dann wäre das aber so, wie wenn ein Hochspringer sagt: Leg mal auf 1.60 und guck wie elegant ich rüber komme. Da ist doch etwas mehr angelegt", so Burkhard Spinnen. Das sei bereits der dritte Klagenfurter Text, der sich mit einem Menschheitsthema anlege.

Man habe es mit einer ganz exakten "Versuchsanordnung" der Marke "Wir drehen die Sache um und sehen was rauskommt" zu tun. "Bei den Texten vorher interessierte mich das sehr - hier habe ich das Gefühl, die Figuren wehren sich gegen das, was der Autor mit ihnen vorhat".

Beim Schluss pflichtete Spinnen Hubert Winkels bei: "Das ist wie eine Flucht der Figuren, als würde Hamlet sagen: Die Ehre zu rächen muss doch nicht sein, wir fahren erst mal 14 Tage nach Fuerteventura".

Christopher Kloeble bei Jurydiskussion (Bild: Johannes Puch)Christopher Kloeble bei Jurydiskussion (Bild: Johannes Puch)

Kryptische Analyse von Sulzer

"Sehr viel zu hoch gehängt", widersprach Alain Claude Sulzer. Es gehe um eine "unerhörte Konstellation", die er so aber auch noch nie vorher gelesen habe. "Was ein Argument dafür ist, auch einen kurzen Text wie diesen interessant zu finden - oder eben nicht", schloss Sulzer kryptisch.

Text funktioniert auf mehreren Ebenen

Hildegard Elisabeth Keller meinte dann: "Dieser Text, der auf mehreren Ebenen gut funktioniert, hat mein Interesse sehr geweckt. Vor allem das Ende, der Angriff des Vaters auf den Sohn, habe wieder viele Fragen aufgeworfen. Grundsätzlich sei die Figuren-Konstellation aber "interessant" und "wert, durchgespielt" zu werden. 

"Ich frage mich immer noch, wer ist Fred?"  Nicht richtig einordnen könne sie die Lexikonlektüre des Vaters, die bekanntlich keine leichte sei. "Fred ist ein Kind, wie kann er Lexikon lesen?"

Barbara Johanna Frank

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