Bachmannpreis ORF.at Information
FR | 11.02 | 15:52
Eröffnung TDDL 2007 (Bild: Johannes Puch)
Eröffnung der 31.TDDL
Mit der fast schon traditionellen zwanzigminütigen Verspätung ging es Mittwochabend um etwa 20. 50 vor dem Webteppich-Bühnenbild H.P. Mayas mit der Eröffnung des Klagenfurter Wettlesens los.
Übrigens: "Ich bin Ernst A. Grandits"
Zur Einstimmung gab es Musik des Klaus Paier Trios. Vorher hatte sich der langjährige Moderator des Bachmannpreises, Ernst A. Grandits noch mit dem lapidaren Hinweis "Ich bin Ernst A. Grandits" vorgestellt.
Klaus Paier Trio (Bild: Johannes Puch)
"Wahrhaftigkeit" als Auszeichnung der Literatur. ORF-Landesdirektor: " Kein Seidenfabrikant"
Dann kam der neue Landesdirektor des ORF Kärnten, Willy Haslitzer zu Wort: Der wehrte sich eingangs gegen den ihm von Grandits zugedachten Titel als "Bachmannpreis-Hausherr" mit den Worten: "Ich bin ja kein Seidenfabrikant".

Haslitzer verwies in seinem Diskurs auf den gesellschaftlichen Sonderstatus des Literaten. Der Wahrheiten gebe es viele, was den Autor jedoch auszeichne, sei dessen "Wahrhaftigkeit": "Wenn sie es nicht sind, wer dann?"
Landesdirektor Willy Haslitzer (Bild: Johannes Puch)
Eine Übung, um wieder zuhören zu lernen
Der Landesdirektor erinnerte sich "coram publico" an ein Erlebnis am Times Square. Damals wären die Menschen in 4-er Reihen in Schlangen angestanden, um einen der ersten "Alien-Filme" zu sehen.

Dort sei zu lesen gewesen: "In Space nobody can hear your call". In diesem Sinne sei der Bachmannpreis als "Übung zuzuhören und Menschen Aufmerksamkeit zu schenken" anzusehen – eine Fähigkeit, die laut Haslitzer immer mehr verloren gehe.
"Arbeit bis an die Grenzen der eigenen Physis". Monschein erhielt Handke-Erstausgabe
Zum Schluss ging Haslitzer auf die Arbeit der Organisatorin, Michaela Monschein, ein: Diese gehe bei der Organisation des Bewerbs immer an die "Grenzen ihrer Physis". Zur Honorierung ihrer Leistung hatte sich Haslitzer etwas Besonderes ausgedacht: "Das Geschenk soll ein echtes sein, deshalb muss es mir auch ein bisschen wehtun".

Er überreichte Monschein eine Erstausgabe der Anthologie Peter Hankes, erschienen in den 60-ern. Als "ehemaliger Sportreporter" bezeichnete Haslitzer den Wettbewerb dann auch als "Champions League" des Literaturbetriebs.
Chefkameramann Anton Wieser (Bild: Johannes Puch)
Grandits: "Ohne Politik geht es ja auch nicht"
Mit den Worten "Ohne politische Grußworte geht es ja auch nicht" kündigte Moderator Grandits dann Stadtrat Albert Gunzer vom BZÖ an. Der versicherte den Weiterbestand des Bewerbs und lobte die "Win-Win-Situation" zwischen Kultur, Kunst und Wirtschaft, die sich durch den Bewerb ergebe.
Kulturreferent Gunzer: "Untötbare Institution"
Warum der Bachmann-Preis "so geliebt wird", ließ sich laut Stadtrat und Kulturreferent Albert Gunzer (BZÖ) auch ohne Kenntnis der Rede von Hanns-Josef Ortheil sagen:

"Weil er so viel neue deutschsprachige Literatur präsentiert, weil er so ein schönes Literaturbetriebsspektakel ist und weil er eine unwankbare, untötbare Institution mit vielen Ritualen ist". Es sei wieder "Klagenfurt-Zeit", die "fünfte Jahreszeit" im Literaturbetrieb, so Gunzer.
Albert Gunzer, BZÖ (Bild: Johannes Puch)
Hörfunkdirektor: Niemand denkt an Reduktion
Der ehemalige Landesdirektor und langjährige Begleiter des Bachmann-Wettlesens, Willy Mitsche, überbrachte in seiner neuen Funktion als Hörfunkdirektor "beste Grüße und Wünsche" von Generalintendant Alexander Wrabetz nach Klagenfurt.

Und er bekräftigte: Der Bachmannpreis sei ein "literarisches Aushängeschild", niemand im Öffentlich-Rechtlichen-Bereich denke an irgendeine Form von "Reduktion". In dieser Konstante manifestiere sich auch die "Unverwechselbarkeit" und "Unterscheidbarkeit“ des ORF.
ORF-Hörfunkdirektor Willy Mitsche mit Kolleginnen (Bild: Johannes Puch)
Verhältnis Literatur-Rundfunk ein "fragiles"
Dennoch wolle er, Mitsche, nichts "beschönigen". Das Verhältnis "Literatur-Rundfunk" sei ein fragiles. Die Autoren würden über zu wenig Honorar und Sendezeit klagen, der ORF lobe unterdessen sein "breites Angebot".

Mitsche erinnerte mit Bert Brecht an die Anfangzeiten der Zusammenarbeit von Literatur und Rundfunk. Dieser wollte das Radio als "epochale Angelegenheit", von einem Distributions- in einen Kommunikationsapparat umgewandelt sehen. Allerdings bezweifelte Mitsche, dass Brecht mit der derzeitigen Situation allzu glücklich wäre.

Dennoch: "Kaum einer, der nicht für den Rundfunk gearbeitet hätte, ob Schnitzler, Nestroy oder Hofmannsthal. Das Radio hat die Kultur demokratisiert", so Mitsche. Auch die Biographie Ingeborg Bachmanns sei eng mit der Kunst des Hörspiels verknüpft.
Höhepunkt der Eröffnung am Mittwoch war die "Klagenfurter Rede zur Literatur". Klagenfurter Rede zur Literatur
Ernst A. Grandits kündigte dann den diesjährigen "Klagenfurter Redner", Hanns-Josef Ortheil, mit den Worten an: "Es heißt, er sei ein großer Liebender von Literatur, Italien und den Frauen - in jeweils wechselnder Reihenfolge".
Der in Köln geborene Autor machte seinen Bezug zum Ingeborg Bachmann Preis an einer, wie er es nannte, "biographischen Anhänglichkeit" fest.
Hanns-Josef Ortheil (Bild: Johannes Puch)
"Das waren unschuldige Zeiten"
Er habe bei seiner eigenen Teilnahme 1978 zum ersten Mal überhaupt "vorgelesen". Das seien "ganz unschuldige Zeiten" gewesen. 1982 habe er einen Preis erhalten, der überhaupt nur einmal vergeben worden sei. Ortheil forderte dazu auf, diesen "Preis der Lektoren" wieder ins Leben zu rufen: Damals habe ihm jeder Lektor ein Mittagessen spendiert, was seine Literatur "tief geprägt" habe.
Im Krebsgang zur "Klagenfurter Rede"
Der Autor und Dozent für Kreatives Schreiben näherte sich im Krebsgang der Frage an, "Warum wir Klagenfurt so lieben".

Ortheil führte in einem humoristischen Frage-und Antwort-Spiel das aus, was für jene, die den Klagenfurter Literaturzirkus schon einige Zeit mit verfolgen, zu "liebevollen Vertrautheiten" geworden ist:

Vom Alpenpanorama vor Beginn der Sendung ("Es ist wie Meditation, wie Zen"), über die Moderationen von Ernst A. Grandits ("Hüter des Bachmannschatzes") bis zu den "immerfort spazierengehenden, kaffeetrinkenden" Jungautoren in ihren Jungautorenportraits.

Diese wären sowieso, so Ortheil, eine "erste, hammerharte" Prüfung: "Wenn du da einen Fehler machst, brauchst du gar nicht mehr zu lesen".
"Jedes Mal entsteht eine große Szene, jede Einstellung ist da von Bedeutung, jeder Schwenk, jedes Fortlegen einer Brille..." "Gesamtkunstwerk" aus Nichtalltäglichkeiten
Über und neben den zum Vorschein kommenden "Nicht-Alltäglichkeiten" des Bachmannwettbewerbs, seinen Routinen und Wiedererkennbarkeiten, brachte die Selbstbefragung Ortheils auch das letztendliche "Gerüst" der Veranstaltung zu Tage: Die mediale Inszenierung des Bewerbs, der schließlich ein einziges großes "Gesamtkunstwerk" sei.

Jedes Mal entstehe eine "große Szene", "jede Einstellung sei da von Bedeutung, jeder Schwenk", jedes Fortlegen einer Brille..."

Das Fernsehbild verhindere ja ein "Meistersinger-Format", so Ortheil, das an sich ja die "Urform" der öffentlichen Lesung und Wiege des Poetry Slam sei - aber eben doch zu idyllisch. Klagenfurt, das sei "Feier! Fest! Rausch! Grüner Veltliner! und Erotik!", und verlange vor allem eines von allen Beteiligten: Präsenz.

Dann stellte er die Frage, ob Franz Kafka wohl nach Klagenfurt gekommen wäre, um sie umgehend zu bejahen. Ob eine Lesung aus "Der Prozess" von der Jury für preiswürdig gehalten worden wäre, stellte Ortheil allerdings in Frage, für den "Ernst Willner-Preis" hätte es vermutlich aber ausgereicht.
Hanns-Josef Ortheil (Bild: Johannes Puch)
"Ästhetik des Schreibens". Vom Spielen nach den eigenen Regeln
Letzten Endes käme es aber, so Ortheil, eben doch nicht darauf an, bestimmten Regeln des Bewerbs zu folgen, außer jenen eben, die in jedem Text bereits zu Beginn als "innewohnende Anlage" zu erkennen seien, als ureigene "Ästhetik des Schreibens".

Einziger Punkt auf Ortheils Wunschliste für die Zukunft? Den "Triumphmarsch aus Aida" oder "irgendetwas aus der Götterdämmerung" beim Einzug der Jury-Mitglieder in die "Arena". Weil: "Das ist nicht gut, dass sich die Jury-Mitglieder da so verlegen in das leere Halbrund quetschen".
Grandits als "sprechendes Insert"
Nach Ortheils Rede meinte Ernst A. Grandits, ganz in Ortheilscher Manier: "Ernst A. Grandits sagt, in einer Nachdenkpause hören wir jetzt wieder die Musik des Klaus Paier Trios. Natürlich muss ich Hanns-Josef Ortheil enttäuschen und bringe jetzt kein Bachmann-Zitat".

Der Moderator bezeichnetet sich schließlich noch als "sprechendes Insert", bevor er – wie alljährlich - die Kooperationspartner und Stifter der Bachmanntage bekannt gab.
Radisch: "Juryarbeit damals und heute"
Die Vorsitzende der Jury, Iris Radisch, zeichnete die Arbeit der Jury "damals" und "heute" nach. Jedenfalls habe man die "Gruppe 47" in Bezug auf die "Lebensdauer" geschlagen. Aber Radisch stellte sich auch die Frage: "Hatten sie uns eine ganze Menge voraus?"

Obwohl es sich damals um eine Versammlung "rhetorischer Schwergewichte" und um die "Elite der deutschen Literatur" gehandelt habe, sei sie froh, "heute" hier zu sein.
Iris Radisch (Bild: Johannes Puch)
Patriarchentum: Damen blieb oft die Luft weg
Damals hätten die "Patriarchen in der ersten Reihe" wie Hans Werner Richter bestimmt, wer eingeladen worden sei, und wer nicht. Bei diesen "wichtigen Herren" sei den Damen in der Jury"oft die Luft weggeblieben".

Auch die Autoren hätten damals wohl noch "brave Ehefrauen" zu Hause sitzen gehabt, die wohl zum Abtippen der Texte abgestellt gewesen wären.

Heute wären die Tische rund und es würden "keine Plätze mehr in der ersten Reihe vergeben", so Radisch. Welche Form der Kritik besser sei, werde man "in 100 Jahren" entscheiden müssen.
Juror Corino erinnerte an "Wunder" Hilbig
Juror Karl Corino erinnerte an den vor kurzem verstorbenen Autor Wolfgang Hilbig, der 1989 auf seinen Vorschlag eingeladen und ausgezeichnet worden war. Dessen Schreiben sei geradezu ein "körperliches Bedürfnis" und ein "Wunder" gewesen angesichts des analphabetären Umfelds, in dem Hilbig aufwachsen musste, so Corino.

"Hilbig konnte Sätze schreiben, Perioden wie Thomas Mann, obwohl er weiß Gott ganz andere Voraussetzungen hatte, seine Wahrnehmungen sollte nicht in der Finsternis untergehen", schloss Corino.
Zahlreiche Ehrengäste wohnten der Eröffnung bei (Bild: Johannes Puch)
Telekom: Wunsch nach "breitbandigen" Texten
Der Gebietsleiter der Telekom Austria Kärnten, Manfred Erian, wünschte sich kurz und bündig - und bezugnehmend auf das neue Breitbandnetz ADSL - "ein breites Band an guten Texten – möge der breitbandigste Text gewinnen". Dann klang der Abend im ORF-Theater musikalisch mit dem Klaus Paier-Trio aus.
Alle Lesungen sind bei freiem Eintritt öffentlich zugänglich. Auslosung der Lesereihenfolge
Im Anschluss an die offiziellen Eröffnungsansprachen und die Rede zur Literatur erfolgte die Auslosung der Reihenfolge, in der die Autoren an den folgenden drei Tagen lesen werden.
Die Lesungen
Gelesen wird am Donnerstag und am Freitag von 9.00 bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 18.00 Uhr. Am Samstag von 9.00 bis 13.00 Uhr. Alle Lesungen finden im ORF-Theater Klagenfurt statt, der Eintritt ist frei.