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"Arrest" fiel völlig durch
Mit Ina Strelows Erzählung "Arrest" ging das Wettlesen in Klagenfurt 2006 zu Ende. Die Berliner Autorin war von Burkhart Spinnen für den Bachmannbewerb vorgeschlagen worden. Der Autorin gelang es nicht, zu überzeugen.
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"Arrest" erzählt in personaler Erzählweise von der Lebeweise einer gewalttätigen Verrückten, die ihren Alltag mit Hilfe eines "Farbpunktesystems" und einem zugehörigen "Kalendarium" strukturiert.
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Ina Strelow
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Detering |
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"Anstrengungsniveau will beachtet werden"
"Burkhart Spinnen hat offenbar eine Vorliebe für eine Rollenprosa, zu deren Rollenhaftigkeit die kalkuliert-verrutschen, angestrengten Metapher gehören. Hier halte ich es auf einem Anstrengungsniveau misslungen, das immerhin beachtet sein will", begann Detering.
Der "Psychothriller" sei in Klagenfurt des öfteren zu hören, "aber nicht in diesem Ausmaß der Opferstatistik". Dieser sei bewusst "Over the top" - "Bei dieser Überinstrumentaliserung ins Geschehensführung, Figurenkonstellation und Sprache will ich nicht mehr mit. Es wird mir hier zu dick aufgetragen". Andererseits gäbe es für einen völligen Umsturz ins Groteske wieder zuwenig Opfer. Die Metaphern, die an manchen Stellen gelungen, an anderen völlig ins "manieristisch-übersteigerte" abgleiten würden, wären durch die Figuren "durch nichts gedeckt", so Detering.
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Heinrich Detering, Moderator Ernst A. Grandits
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März |
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"Bedrohliche Sexualität ist geschlechtermuffig"
Ursula März meinte: "Die falsche Sprache geht schon in Ordnung. Man hat es mit einer Buchhalterin zu tun, die eine doppelte Buchführung treibt. Ich verstehe das Paranoide dieses geöffneten Bewusstseins als totalitäres Weltbild, das sich flächendeckend ausbreitet". Der Text schreite die Welt dem Alphabet nach ab, "er geht von A nach Z".
Dennoch sei ihr angesichts der weiblichen Erzähltradition, in die sich der Text stelle, "nicht wohl". Es gäbe eine "Ideologisierung von bedrohlicher Sexualität", die sie als "geschlechtermuffig" empfinde. Das "hermetische, elliptische Erzählen" scheine ihr, März, beinah als "Instrument der Verdunkelung", das "suggestiv" auf den Leser einwirke.
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Corino |
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"Autorin lebt stilistisch über ihre Verhältnisse"
Karl Corino schloss sich in seinem Urteil an Heinrich Detering an: "Wir erleben hier ein armes Hascherl, das auch mal eine große Nummer werden möchte". Der Stoff sei "durchaus tragisch", aber:
"Selbiges gilt für den Umstand, das sich die Autorin dazu verleiten lässt stilistisch über ihre Verhältnisse zu leben und den Leser mit ihren Metaphernverrenkungen heftiger quält, als alle in den Keller gesperrten Opfer". Die Prosa der Autorin "stelze auf geschnittenen Beinen" und stolpere von "Lapsus zu Lapsus".
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Karl Corino
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Radisch |
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"Gespreizte Sprachgestik wird zelebriert"
"Der Stil geht ganz und gar nicht in Ordnung. Es weißt nichts darauf hin, dass die Autorin mit Absicht so furchtbar schreibt", begann Iris Radisch. Der Text sei "mit weißer Halskrause" geschrieben, hier werde in "gespreizter Sprachgestik" eine "literarische Hochsprache" zelebriert".
Allerdings wolle sie niemanden "mit weiteren furchtbaren Beispielen" quälen, die zuhauf im Text zu finden wären. Die Vorsitzende betonte dennoch die "Substanz" der Geschichte: "Wie kann man im Thema so mutig und in der Schreibweise so zugeknöpft sein?", bedauerte Radisch den "Einbau zu vieler Sicherheitsnetze". "Dieser Widerspruch ist für den Hörer schmerzend, beendete Radisch ihren Kommentar.
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Ursula März |
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März gemahnte Kollegen zur Vorsicht
An diesem Punkt schaltete sich Ursula März wieder in die Diskussion ein: "Der Text geht ein sehr hohes Risiko in jeder Hinsicht ein. Wir haben auf dem gleichen Niveau, auf dem wir jetzt zerreißen, schon Texte gehabt, die überhaupt keines hatten. Ich möchte vor einer Diskussion wie sie jetzt stattfindet wirklich warnen".
Die Kollegen widersprachen. Ein Text, der sich selbst auf derart hohem literarischen Niveau ansiedle, müsse sich Kritik gefallen lassen. "Das Risiko ist die Autorin selber eingegangen, das haben wir ihr doch nicht vorgeschrieben", meinte Radisch.
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Ursula März
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Strigl |
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"Der Text redet sich kaputt"
"Ich nehme diese Warnung gerne an, muss aber trotzdem sagen, was ich sagen muss", entgegnete Daniela Strigl. Die Sprache "gehe nicht o.k.", obwohl die Idee des "Stellvertreterlebens" literarisch sehr reizvoll wäre. Sie hätte sich mehr "wohltuendes Dunkel" im Text gewünscht, das Offenkundige würde "gnadenlos ausgestellt". "Das kann einfach nicht funktionieren.
"Ein Text, der mit dem Dämonischen arbeitet, kann nicht soviel über dieses Dämonische reden - da redet er sich kaputt", bedauerte Strigl.
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Ebel |
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"Krankheitsbild konsequent abgebildet"
Martin Ebel meinte, die Sprache sei in ihrem "Schwanken zwar schrecklich", das Krankheitsbild der Protagonistin sei dennoch literarisch "sehr konsequent" abgebildet. Die angeführten Gewaltakte und Mechanismen würden der Protagonistin dazu dienen, "sich selbst habhaft zu werden".
"Da gehe ich mit", meinte Ebel, obwohl die "schizophrene Kraft" des Textes nicht völlig ausgebildet sei. Allerdings werde die dem Text attestierte Konsequenz durch die Männerfigur wiederum fragwürdig.
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Klaus Nüchtern, Martin Ebel
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Spinnen |
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"Hier wird gegen Regeln verstoßen"
"Die Jahre hier in Klagenfurt haben immer die Sorge in mir befördert, dass wir mit einem ähnlichen Dogmatismus an die zeitgenössische deutsche Sprache herangehen, wie vor 20 bis 30 Jahre die Avantgarde gesetzt wurde. Damals kriegte man noch Haue wenn man Anführungszeichen machte", versuchte Spinnen seine Kollegen etwas einzubremsen.
Wenn man von der "Suche nach dem Wohltemperierten" wegkommen wolle, müsse man "in Kauf nehmen, dass das auch weh tut". Weniger die Geschichte, sondern die eigene Verstörung, "dass hier gegen die Regeln die ich im Kopf habe verstoßen wird" sei, spreche, so Spinnen, für den Text.
"Ich bin gewollt, hier der Verwirrung, und nicht der Gewissheit zu folgen". Dieser Text sei unter den eingesandten 200 jener gewesen, der ihn am meisten verunsichert habe. "Ich bitte sie dies mit zu bedenken", so Spinnen.
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Detering |
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"Text steht in alter österreichischer Tradition"
"Der Text hat doch einen respektablen Traditionsstrang in der österreichischen weiblichen Avantgarde der Moderne - in dieser sehe ich ihn auch, allerdings in dem "überanstrengten Bemühen, dem vertrauten Sprachschema noch Reize abzugewinnen", entgegnete Detering.
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Rakusa |
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"Risiko lobenswert, gehen sie doch weiter"
Ilma Rakusa widersprach der Nähe, die Detering zur Literatur Elfriede Jelineks einschlug, weil der Text "sprachlich nicht weit genug" ginge. "Das eingegangene Risiko ist sehr lobenswert, Frau Strelow, aber gehen sie doch weiter", meinte Rakusa zum Abschluss begütigend.
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