Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Rolf Schönlau Wenig Freude an Schönlau-Text
Der deutsche Autor Rolf Schönlau wurde von Heinrich Detering empfohlen. Er las aus seinem Text "N° 9". Der Text sei zu wenig "bizarr", wurde häufig kritisiert.
Rolf Schönlau (Bild: ORF - Johannes Puch)
Iris Radisch "Wozu soll man das brauchen?"
Radisch stellte Detering gleich zu Beginn an die Spitze ihrer Kritik. Detering musste sich den Vorwurf gefallen lassen, er hätte zwei Texte nach Klagenfurt gebracht, die "einfach nachgemachte, erborgte Tonlagen und literarische Kostüme" verwenden würden.

Schönlaus Prosa sei "völlige Kostümierung", die ein skurril-kauziges Behaglichkeitsgefühl vermittle, ohne dies zu verbergen.
Iris Radisch (Bild: ORF - Johannes Puch)
Deshalb stellte Radisch die Sinnhaftigkeit des Textes selbst in Frage und meinte: "Wozu soll man das brauchen?" Schönlaus Literatur "spiele wie in einer Streichholzschachtel nach, was es in der Literatur bereits überzeugend und echt gegeben hat".
Ilma Rakusa "So what?"
Auch Ilma Rakusa kritisierte das stark "pastiche-hafte" des Schönlauschen Textes, dessen Hauptfigur sie an eine "zwangsneurotisch-verschrobene Spitzwegfigur" erinnere. Zwar beweise der Text, dass der Autor gut schreiben könne, allerdings werfe Schönlaus Prosa beim Lesen immer wieder die Frage auf: "So what?"
Daniela Strigl "Zu selbstgenügsamer Text"
Jurorin Strigl, die vorerst ihre "Schwäche für den Kanzleistil" einräumte, da dieses literarische Feld gewissermaßen "das Biotop für Sonderlinge" bilde, musste Iris Radisch in der Feststellung Recht geben, das der historisierende Stil der Erzählung hier nicht "aufgehe".
Daniela Strigl (Bild: ORF - Johannes Puch)
Strigls Hauptargument gegen den Text bestand in dessen "Selbstgenügsamkeit", da jener "nicht mehr wolle als stimmig zu sein", was sich im Endeffekt als unbefriedigend herausstelle.
Norbert Miller "Nicht bizarr genug"
Norbert Miller kennzeichnete die von Ilma Rakusa problematisierte "Pastichehaftigkeit" der Erzählung als eigentlich "aufregende Sache". In der Pastiche sei auch der Versuch angelegt, durch das Brechen von Übernahmen auf etwas Neues" zu verweisen. Auch fehle es dem Autor nicht an Einfällen, wie der Text beweise.

Das Problem der Schönlauschen Erzählung liege darin, "nicht bizarr und bösartig genug" zu sein: "Es ist ein so gemütlicher Text!", so Miller, den er "irgendwo zwischen Wilhelm Raabes schwächeren Stücken und Romanen und Filmen der 20-er Jahre" verorten würde. "Ich seh` so recht nicht, wo der Sprengstoff liegen könnte!", lautete denn auch Millers abschließendes Urteil.
Heinrich Detering "Entautomatisierte Sprachmaschine"
Detering zeigte sich tief getroffen von Radischs Kritik, da diese gewissermaßen beide von ihm vorgeschlagenen Texte als epigonal bezeichnet habe. Zwar sei Schönlaus Text all das, was ihm vorgeworfen würde - gemütlich, selbstgenügsam, kauzig - aber eben darum habe er ihn ausgesucht.
Ernst A. Grandits (rechts) und Heinrich Detering (Bild: ORF - Johannes Puch)
Die Geschichte bilde vielmehr eine Metapher auf die Erzeugung von Literatur selbst und sei eine "entautomatisierte Sprachmaschine" da der Text Sprache "wörtlich nehme". Die "grauenhaftesten Kalauer" würden so "geistreich-anmutig verarbeitet".

Dem auf den Text angewendeten Kritikpunkt "fehlender Wildheit" konnte Detering wiederum etwas Bemerkenswertes abgewinnen. Gerade im "Nichtstattfinden des Ausbruchs" manifestiere sich der Wahnsinn als immanenter Teil der Ratio.
Burkhart Spinnen "Unberührbarkeit historischer Stile"
Burkhart Spinnen gab Detering insofern Recht, als auch er im Text die "zeitgenössische Vorstellung kybernetischer Systeme" verpackt sah, was kein "literarisches 19.Jhdt." darstelle. Dennoch partizipiere der Text an einem Stil, den die literarische Öffentlichkeit als "historisch" empfinde.

"Eine selbstgenügsame Angelegenheit!", lautete deshalb auch sein Urteil. Gleichzeitig verweise der Text so ungewollt auf die potentielle "Unberührbarkeit historischer Stile". 
Klaus Nüchtern "Text kreist um sich selbst"
Klaus Nüchtern konstatierte: "Der Text kreist um sich selbst und hat seinen Spaß damit. Dann ist es wieder vorbei und man geht sich eine Tüte Pommes kaufen". Auch ihm sei der Text "zu wenig wild" und enthalte "zu wenig Skurrilitäten". Der Wahnsinn sei in der Geschichte vielmehr etwas völlig normales.
Martin Ebel "Virtuos gebaut"
Martin Ebel stellte zwar fest, dass der Text seine eigene Intention erfülle - allerdings sei die Frage zu stellen, ob diese Form der Literatur dies beim Bachmannpreis dürfe. Der Text an sich sei virtuos gebaut und weise eine "subjektive Nostalgie" auf, die in sich betrachtet "schön sei".

Radisch konterte hier, dass Technik allein nicht reichen könne, da Literatur nicht nur in sich selbst stimmig sein müsse.

Zusammengefasst von Barbara Johanna Frank