Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Thomas Raab Keine Einigkeit bei der Jury
Mit dem Text des Österreichers Thomas Raab, der auf Vorschlag der Jurorin Daniela Strigl las, begann der zweite Tag des diesjährigen Bachmannwettbewerbs.
Thomas Raab (Bild: ORF - Johannes Puch)
Frühstückstext bis "Orgie der Beherrschung"
Der Text "Einführung in die doppelte Buchhaltung" thematisierte die absolute Konformisierung der "ökologischen Nische Mensch" (Raab) in einer Casting-Show.

Die Haltung der Jury reichte von "ein guter Frühstückstext" (Klaus Nüchtern) zu "eine Orgie der Beherrschung", so Spinnen.
Klaus Nüchtern "Subtiler und sehr depperter Humor"
"Solche Texte gewinnen dann immer", lautete der Kommentar von Klaus Nüchtern, der in Raabs Prosa einen "hochartifiziellen" Text erblickte, dessen guter Humor gleichzeitig "sehr subtil und sehr deppert" sei.
Iris Radisch, Klaus Nüchtern und Martin Ebel (Bild: ORF - Johannes Puch)
Durch das Kollidieren der Stillagen und Ebenen würde der Text in einer "selbstdenunziatorischen Rede" des Selbst münden, was durchaus "humoristische Funken" versprühe. Der Text spiegle die Zeit der "Postsubjektivität", in der jeder sein eigener Regisseur und Kameramann sei, sehr gut wider, so Nüchtern.
Heinrich Detering "Wir sind die Dieter Bohlens"
Heinrich Detering konnte die Begeisterung nur bis zu einem gewissen Grad teilen, da der Text seines Erachtens "zu didaktisch" sei und zu viele Messages enthalte".

Dennoch lobte auch er den gesellschaftskritischen Aspekt des Textes: "Das ist ein Text über Klagenfurt, über unserer eigene kleine Casting-Show hier, und wir sind die Dieter Bohlens", lautete seine Meinung.
Iris Radisch "....werden von RTL zugerichtet"
Iris Radisch zeigte sich im Gegenzug sehr begeistert. Die eigentlich "biedere und anständige engagierte Literatur" sei hier sehr "comedyhaft" dargestellt: "Heute werden wir eben nicht mehr von Siemens, sondern von RTL zugerichtet", so Radisch. Der Text liefere eine "Fortsetzung der Kulturkritik von der Innenseite des Systems".
Iris Radisch (Bild: ORF - Johannes Puch)
Martin Ebel "Wie eine Betriebsanleitung"
Martin Ebel konnte sich dieser Meinung nicht anschließen. Ihn erinnere der Text an eine "Betriebsanleitung", die er eigentlich nicht so gern lese. Der Text zeige dem Leser nur Dinge, die er bereits wüsste, meinte Ebel denn auch. Alles erinnere zu sehr an Theorien der Kulturindustrie.
Daniela Strigl "Hab nicht alles ganz verstanden"
Anders Daniela Strigl, die zwar meinte: "Ganz verstanden hab ich nicht alles", um dennoch die "raffinierte Form" des Textes zu loben.
Burkhart Spinnen "Nutze meine Zeit für anderen Text"
Burkhart Spinnen konnte sich dem nicht anschließen. Der Text sei ihm nicht böse genug, darüber hinaus meinte er lapidar: "Ich möchte meine Redezeit lieber für einen anderen Text nutzen".

Schließlich merket er doch noch an, der Text sei ein "Kollaborateur seines eigenen Gegenstandes". "Sowas funktioniert einfach immer!", so Spinnen.
Norbert Miller "Satirisch gemeinter Spieltext"
Norbert Miller meinte, Raabs Text nutze die Möglichkeiten seines Themas aus, der seiner Meinung nach ein "satirisch gemeinter Spieltext sei".

Nichtsdestotrotz verstünde er, Miller, die Aufregung über die heutige Zeit nicht ganz: "Wir leben doch recht gemütlich unter den Bedingungen des Textes!"
Ursula März und Norbert Miller (Bild: ORF - Johannes Puch)
Ursula März "Wunderbarer Humor"
Ursula März lobte den "wunderbaren Humor" des ersten Teiles, kritisierte jedoch die etwas "biedere Dialektik", nach der dieser funktioniere: "Zu pädagogisch!" lautete denn auch ihr abschließendes Urteil.

Zusammengefasst von Barbara Johanna Frank