Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Richard
David Precht
Kritik an Prechts Technik
Der deutsche Autor Richard David Precht las auf Vorschlag Daniela Strigls aus dem Text "Baader Braun". Von der Jury wurde die "technische Ausführung" bemängelt.
Richard David Precht (Bild: ORF - Johannes Puch)
Traum eines "gefährlichen Lebens"
Die "geistige Mitgliedschaft" bei der RAF wird für einen heranwachsenden Jungen, der ausgerechnet Briefmarken sammelt, zur Möglichkeit gegen das in Deutschland der 70-er Jahre herrschende System der Erwachsenen zu rebellieren. Dargestellt wird der Traum eines "gefährlichen Lebens.
Lob und Kritik
Von der Jury wurde der Text vor allem hinsichtlich der "technischen Ausführung" bemängelt. Dennoch fand die Jury auch lobende Worte für den jungen deutschen Autor.
Ursula März "Briefmarken und Fahndungsplakate"
Ursula März hob vor allem den ihrer Meinung nach guten Einfall des Autors hervor, "Briefmarken und Fahndungsplakate" aus der Sicht des Protagonisten miteinander zu überblenden.


Ursula März (Bild: ORF - Johannes Puch)
März kritisierte allerdings, dass der Autor selbst zu sehr mit dem Leser korrespondiere. "Da liegt etwas in der Luft des Textes, ein Flüstern", so März. Dadurch würde die Perspektive, die der Text biete, gestört würde. Autor und Erzähler müssten sich trennen, sonst würde die Geschichte unglaubwürdig.
Iris Radisch "Text ist zu wohlsortiert"
Iris Radisch betonte hingegen, sie habe sich im Text sehr zu Hause gefühlt, da er es schaffe, die "Vertrautheit der 70-er-Jahre-Kindheit mit ihren kleinen Revolten im biederen Alltag" widerzuspiegeln.

Die "Wasserglasrevolte" im Text, die den Terrorismus als "lustiges Räuber und Gendarm-Spiel" darstelle, "beame" den Leser ihrer Meinung nach in eine "kindliche Perspektive" der tatsächlichen Ereignisse zurück.

Allerdings fehle es dem Text an "Tempo": "Zu wohlsortiert - wie die Briefmarken!", lautete ihr Urteil.  
Heinrich Detering "Witzlos, konstruiert, abgeschmackt"
Heinrich Detering konnte dem Text so gar nichts abgewinnen und meinte: "Witzlos, konstruiert, abgeschmackt!" Zwar werde durch die Erzählhaltung eine präzise Erinnerung suggeriert, der Text weise aber einige evidente Fehler auf.
Heinrich Detering, Ernst A. Grandits (Bild: ORF - Johannes Puch)
"Der Name Raspe kommt im Text dreimal vor und ist dreimal falsch geschrieben!" Dies sei symptomatisch für die Figuren, weshalb er dem beschriebenen Kind jedwede "Authentizität" absprach, meinte Detering.
Klaus Nüchtern "Ein zu putziger Text"
Klaus Nüchtern fand die "Konstruktion magischen Denkens" an Prechts Geschichte gut - allerdings fühle auch er sich als Österreicher im Text zu Hause, wodurch ihm dieser verdächtig würde.

Der Text sei insgesamt "zu putzig", so dass der Juror zu dem Schluss kam: "Die wilden Felder der Kindheit darf man nicht aufschreiben, das wird zu sentimental." 
Daniela Strigl "Exotische Geschichte"
Daniela Strigl, die den Text vorgeschlagen hatte, kennzeichnete die Geschichte demgegenüber als "exotisch". Die Tatsache des Wiedererkennens sei kein Qualitätsmerkmal.
Daniela Strigl (Bild: ORF - Johannes Puch)
Prechts "Baader Braun" thematisiere die Weltbetrachtung eines Kindes durch die Folie der Briefmarken, sagte Strigl. Diese Perspektive ändere sich, so wie sich die Sicht eines Kindes auf die Welt im Laufe der Zeit auch ändern müsse.
Burkhart Spinnen Autor/Erzähler-Verflechtung
Burkhart Spinnen kritisierte vor allem die bereits von Ursula März angesprochene Autor/Erzähler-Verflechtung. Insgesamt kennzeichne den Text ein zu "großes Spektrum, wobei die Bewegungen zu wenig choreographiert" würden. Das Ende der Geschichte "dämmere so weg".
Norbert Miller Kritik an Perspektive
Norbert Millers Textbetrachtung deckte sich in diesem Punkt mit der Spinnens, auch er fand die Verflechtung von Autor und Erzähler nicht gelungen. Insgesamt besprach Miller die Geschichte jedoch recht wohlwollend.
Martin Ebel "Blüte vom Sympathisantensumpf"
Martin Ebel lobte den Text als "hochamüsant" und hob vor allem den "brillanten Vortrag des Autors hervor. Dessen Protagonist sei "die schönste Blüte aus dem Sympathisantensumpf", die er kennenlernen durfte.
Ein Einwurf des Autors
Ungewöhnlich an dieser Jury-Runde war, dass Precht, der seine Erzählung exzellent vorgetragen hatte, sich zu Wort meldete, um den Juroren zu widersprechen. Prinzipiell ist dies ja für jeden Autor möglich, allerdings machen nur die wenigsten davon auch Gebrauch.
Zusammengefasst von Barbara Johanna Frank