Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Artur Becker Text war Jury "too much"
Der deutsche Autor Artur Becker las auf Vorschlag von Albert Miller aus einer noch titellosen Novelle vor. Die Jury fand den Text zu überladen, er wolle zu viel.
Artur Becker (Bild: ORF - Johannes Puch)
"Too much" bis "neue Sprache"
"Too much" lautete die mehrheitliche Reaktion der Jury in Bezug auf den Text, der einfach zuviel auf einmal wolle.

Eine Ausnahme in der Beurteilung der Geschichte bildeten Burkhart Spinnen und Albert Miller, die in Beckers Sprache einen neuen Umgang mit der deutschen Sprache orteten.
Iris Radisch "Ein ungeheures Unterfangen"
Juryvorsitzende Iris Radisch fand es "ungeheuerlich" was in der Leseprobe geboten wurde: "Das ist ein ungeheures Unterfangen, das überhaupt nicht gelingt", meinte Radisch.

Der Novellenauszug sei "eine vollkommen wahnsinnige Geschichte" die den Holocaust noch einmal aus der Sicht eines Massenmörders erzähle, durchsetzt mit "Ossi-Wessi-Plattheiten". 

Die Erzählung würde sprachlich überhaupt nicht aufgelöst, was diese insgesamt zu einer "nicht sehr gut erzählten Geschichte" mache. 
Heinrich Detering "Geschichte redet zuviel"
Heinrich Detering meinte: "Die Geschichte redet ein bisschen zuviel, wie wir selbst an diesem Vormittag!".
Heinrich Detering, Ernst A. Grandits (Bild: ORF - Johannes Puch)
Nach Ansicht von Detering wäre die Entscheidung für eine "Story" besser gewesen, da der Text insgesamt mehr wolle, als die Geschichte vertrage.
Daniela Strigl "Wenistens die Fische sind stumm"
Daniela Strigl problematisierte den Anspruch des Textes als "Novellenauszug", was diesem durch die eigentlich verlangte "stringente Durchführung" nicht zum Vorteil gereiche.

"Am besten gefallen haben mir die Fische, die sind wenigstens stumm", meinte Strigl. "So redet man einfach nicht", deshalb wirke es nicht "echt", wenn hier gesprochen würde. 
Ilma Rakusa "Es fehlt an Leerstellen"
Ilma Rakusa ging wiederum den genau umgekehrten Weg. "Es sollte noch viel mehr von diesem fremden Idiom drin sein". Sie betonte, in Beckers Prosa würde ihrer Meinung nach kein "neues Deutsch" gesprochen, was ihr gefallen hätte.

Die Jurorin forderte "mehr Verfremdung, weniger Banalität" von Texten, die diesen Ansprüchen genügen wollten. Überhaupt fehle es an "guten Leerstellen", da der Text die Phantasie des Lesers durch sein zuviel an Dichte gefangen nehme.
Burkhart Spinnen "Sprache als Kunstidiom"
Burkhart Spinnen warf ein, das es für das Verständnis der Beckerschen Prosa durchaus von Vorteil sei, dessen Werk zu kennen. Dessen Protagonisten seien keine Deutschen, sondern meist "eingewanderte Polen oder Russen".
Burkhart Spinnen (Bild: ORF - Johannes Puch)
Beckers Sprache sei als "Kunstidiom" zu betrachten, das ein völlig anderes Bewusstsein transportiere, meinte Spinnen. Dieses artifizielle Element sei mithin bei der Beurteilung der zu vorschnell als banal gekennzeichneten Sprache Beckers zu berücksichtigen.
Martin Ebel "Idiome passen nicht zusammen"
Martin Ebel rätselte sogar: "Was will der Autor uns damit sagen?" Dieser verwende eine Vielzahl an Idiomen, die allesamt nicht "zusammen passen" würden: "Moderne Slangsprache, ein saloppes veraltetes Idiom, ein gestelztes Deutsch und den raunenden Imperfekt".
Klaus Nüchtern "Angekündigter Porno kommt nicht"
Auch Klaus Nüchtern konnte dem Text wenig Positives abgewinnen. Er sah darin "schon wieder einen angekündigten Porno" der nicht ausgeführt werde. Außerdem sei ihm die im Text zur Anwendung gelangende "Politmythologie" einfach zu kokett.
Totale ORF-Theater (Bild: ORF - Johannes Puch)
Norbert Miller "Das Deutsche neu erfunden"
Norbert Miller meinte schließlich, Texte die im "Gewand des Realismus" daherkämen, hätten es immer schwer. Ihn fasziniere der durch die Sprache hervorgerufene "bohrende Sog" der Erzählung.

Der mythisierende Ton verweise auf eine Parallelität der einzelnen Motive: "Keine einzige Wahrnehmung will hier bei sich selber bleiben", so Miller. Darüber hinaus betonte auch er noch einmal die durch Becker "erfundene Sprache", die das Deutsche "neu erfinde".

Zusammengefasst von Barbara Johanna Frank