Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:52
Guy Helminger Ein amüsant-spannender Krimi
Guy Helminger las auf Einladung der Juryvorsitzenden Iris Radisch die Erzählung "Pelargonien". Die Jury war äußerst angetan und fand den Krimi spannend und amüsant zugleich.
Guy Helminger (Bild: ORF - JohannesPuch)
Ist die Nagelschere die Mordwaffe?
"Pelargonien" lautete der Titel der von Guy Helminger vorgetragenen Erzählung. Die Einladung des Autors zum Bachmannwettbewerb erfolgte auf Vorschlag der Juryvorsitzenden Iris Radisch.

Der von der Jury im Genre des Krimis eingeordnete Text stellt einen offensichtlicht wahnsinnigen Mann in den Mittelpunkt, der vom Leben eines Unfallopfers auf unheimliche Weise Besitz ergreift.

Die gesamte Jury zeigte sich von Helmingers Prosa äußerst angetan, so dass es schließlich nur noch um die Frage ging: "Wird die Nagelschere auf Seite 14 (des dreizehnseitigen Textes) zur Mordwaffe umfunktioniert, und wenn ja, warum nicht schon vorher?"
Klaus Nüchtern "Ohne Zweifel richtige Kunst!
"Es handelt sich ohne Zweifel um richtige Kunst!", konstatierte Klaus Nüchtern, der damit die Meinung der Jury vorwegnahm. Es sei ein Text der ihn "mitnehme": "Obwohl ich Radfahren hasse, verspüre ich die Lust mich auf ein Rad zu schwingen, um den Wörthersee zu fahren und den Leuten auf den Hinterkopf zu schlagen!"
Klaus Nüchtern (Bild: ORF - Johannes Puch)
Der Text stehe in der "schönen Tradition der Dodererschen Hasstexte" über einen Menschen, der im Sinne Burkhart Spinnens "einen an der Klatsche" habe. Der hier praktizierte "infantile Narzissmus" sei in bestechender Art und Weise ausgeführt, so Nüchtern.

Der "gutstrukturierte Wahnsinn", wie ihn Frau Radisch verlange, sei hier "berauschend", wobei der Text ihm auch etwas Greifbares liefere und eben nicht dauernd singe: "Ich bin so schön unklar, ich hab ein Geheimnis!"
Klaus Ebel "Ich mag die windschiefen Geraden"
Klaus Ebel gefielen an Helmingers Prosa vor allem "die windschiefen Geraden", da er Bewegungen vermittle, die keine wären und das Unerwartete eben NICHT eintrete.

Die "Innenausstattung" der Geschichte schaffe eine ganz eigentümliche Atmosphäre, die die Erwartungen des Lesers unterlaufe.
Daniela Strigl "Ich bin beunruhigt"
Jurorin Daniela Strigl zeigte sich beunruhigt, "dass Guy Helminger selbst auch Rad fährt". Für sie sei das "keine hübsche Geschichte", sondern die zutiefst verstörende "Inbesitznahme eines anderen Menschen".

Die Glücksmomente des Protagonisten bestünden darin, sich des Lebens anderer zu bemächtigen, um es ganz die Hand zu nehmen.
Ilma Rakusa,  Heinrich Detering (Bild: ORF - Johannes Puch)
Ilma Rakusa "Natur und Wahnsinn vereint"
Ilma Rakusa schloss sich der mehrheitlichen Meinung an, allerdings betonte sie, die verwendete Lyrismen wären an manchen Stellen "überakzentuiert".

Allerdings bilde die ungewöhnliche "Verschränkung von Natur und Wahnsinn" im Text eine äußerst ungewöhnliche Konstellation, so dass sie von dem "zusammenführen eigentlich unvereinbarer Dinge" beim Lesen sehr angetan gewesen sei.
Burkhart Spinnen Blumenfreunde und Sadisten...
Burkhart Spinnen widersprach sofort, in dem er meinte: "Blumenliebhabererei und ein tendenzieller Sadismus gehören doch zusammen wie Modelleisenbahnbesitzer und Massenmörder zugleich sein!".

Seiner Meinung nach wähle der Text aus dem "großen Kanon von Genrebestandteilen" sehr variantenreich aus, so dass er "alles bisher positiv Gesagte gerne unterschreibe".

Die Figuren wären auf sehr interessante Weise konstruiert, allerdings hätte er sich einen "Showdown" gewünscht, während der Text mit einer Hilfskonstruktion auszukommen versuche.
Norbert Miller "Zu viele Naturmetaphern"
Dem widersprach neben Klaus Nüchtern auch Norbert Miller, der in einem ausgeführten Showdown das "Desavouieren der Komik des Textes" meinte erkennen zu können.

Auch er lobte den Text, allerdings sei es ihm bei den im Text verwendeten "Naturmetaphern" manchmal etwas "zuviel geworden, so dass er immer an den Satz: "Und der Cowboy deckt sich mit dem Regen zu", habe denken müssen.
Norbert Miller (Bild: ORF - Johannes Puch)
Heinrich Detering "Vegetabile Charakterisierung"
Heinrich Detering erwiderte, dass die Metaphorik insgesamt sehr geglückt sei, da sie zur "vegetabilen Charakterisierung" der Figur beitrage, er Miller aber insofern recht gebe, als einige Stellen störend auffielen.
Iris Radisch "Der Mord darf nicht passieren"
Iris Radisch zitierte gegen den Einwurf Spinnens, der Showdown fehle, einen evident häufig im Text vorkommenden Satz: "Etwas fehlt immer!" und erntete damit Zustimmung beim Publikum.

Ihrer Ansicht nach wäre es schrecklich, wenn der Mord stattfände, da damit die "subtile Komik" des Textes unterlaufen würde.
Ursula März "Ein amüsanter Krimi"
Auch Ursula März schloss sich dieser Ansicht an. Sie habe sich köstlich mit einem Text amüsiert, der ein so "lockeres Verhältnis" zu seinem Genre besitze, "ohne es zu verleugnen".

Diskussion zusammengefasst von Barbara Johanna Frank