Bachmannpreis ORF.at Texte
FR | 11.02 | 15:50
Fridolin Schley (Bild: Johannes Puch)
Fridolin Schley
Kaum eine Chance für Fridolin Schley
Der Deutsche Fridolin Schley war auf Vorschlag von Ijoma A. Mangold zum Klagenfurter Wettlesen gekommen. Sein Text mit dem Titel "Unannehmlichkeiten durch Liebe", ein Roman-Auszug auf der Suche nach den "Überresten einer einst drängenden Liebe" konnte die Jury nicht begeistern.
Fridolin Schley (Bild: Johannes Puch)
Klaus Nüchtern "Ein mächtig anschwellendes Pathos"
"Ich finde der Nachmittag hat eine sehr hübsche Dramaturgie: Es gibt zwei Mal Neele - einmal mit zwei ee, einmal ohne". Er fände es - bezugnehmend auf den Texte Jörg Albrechts - "schon spannend, einen Einblick in die "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" zu gewinnen.

Die zwei Autoren der gleichen Generation - Albrecht und Schley - würden hier auf ganz andere Weise mit Literatur umgehen. Einmal werde auf "atemlose Präsenz", einmal auf die "Tiefe der Jahre" gesetzt.

"Schleys Text ist bedächtig, fast klassisch erzählt, die Dramatik bildet sich nicht in der Sprache ab, alles bleibt im Fluss". Der Blickwinkel auf das Kinderglück der endlosen Strandtage sei sehr schön gezeichnet. "Ein mächtig anschwellendes, aber durchaus mit schöner Dramaturgie versehenes Pathos", lobte Nüchtern.
Publikum (Bild: Johannes Puch)
Auch Klagenfurts Kulturstadtrat Albert Gunzer ließ es sich nicht nehmen, die Lesungen zu besuchen.
Karl Corino Konventionell, aber nicht zu unterschätzen
Karl Corino meinte: "Zu meiner Verblüffung bin ich mit Klaus Nüchtern sehr einig - obwohl wir einen durchaus verschiedenen Literaturbegriff haben". Man habe es hier mit einer "guten Geschichte" in der Tradition "psychologischen Erzählens" zu tun.

"Da gibt es keine falschen Bilder, keine falschen Sätze". Der Autor Brand wird nach dem biographischen Hintergrund einer literarischen Skizze befragt - das rechtfertige auch die indirekte Erzählweise, die einem ja "auch leicht auf die Nerven gehen" könne.

"Das wirkt sehr organisch und geschlossen - von daher habe überhaupt nichts an der Geschichte auszusetzen", sagte Corino. Der Text wirke vielleicht nur in Konfrontation mit Jörg Albrechts Text etwas "konventionell", aber: "Ich finde wir sollten diesen Text nicht unterschätzen".
Ursula März Konventionelle Erzählweise mit viel Risiko
Ursula März schloss sich der positiven Kritik ihrer Kollegen an. Sie meinte, im Protagonisten 'Brand' die reale Person Rolf-Dieter Brinkmann zu erkennen. Die Erzählung müsse sich die Frage gefallen lassen: "Wie viel Brinkmann hält Brand eigentlich aus, wie stark ist die Fiktion?"

Das "tolle Ergebnis" sei, so März, dass die Erzählung auch wunderbar funktioniere, wenn man sie nur als Fiktion kennenlerne. "Natürlich" sei die Erzählweise "konventionell" zu nennen, auf der anderen Seite werde "sehr viel riskiert".
Ursula März (Bild: Johannes Puch)
"Die Erzählung funktioniert auch wunderbar, wenn man sie nur als Fiktion kennenlernt", ist Ursula März überzeugt.
Daniela Strigl "Handlung ist psychologisch nicht motiviert"
"Ehrlich gesagt: Ich persönlich hätte lieber eine Prosaskizze gelesen", warf Daniela Strigl ein, "und nicht dessen autobiographischen Hintergrund - mit oder ohne Brinkmann". Es sei klar, dass der Text "gediegen" gemacht sei, aber es sei eine "psychologische Geschichte".

Dies wiederum werfe die Frage auf: Stimmt es mit der Psychologie und stimmen die Sätze? "Ich glaube nicht", so Strigl. Sie ortete "hochgradige Alarmzeichen" im Text, die Handlung sei oft "psychologisch nicht motiviert". Sie verstehe manches am Text nicht.
Martin Ebel Ein in sich schlüssiger, überzeugender Text
"Welche Wirklichkeit schafft denn dieser Text durch Sprache?", fragte sich Martin Ebel. Und gab sich selbst die Antwort: "Eine gedämpfte und mehrfach gefilterte". Hier sei eine sehr große Distanz vorhanden, die dem vorherigen Text gefehlt habe.

Die Sprache des Textes, dessen Perioden, erinnerten ihn an die eines Lateinlehrers, an Cicero und Tacitus. Ebel meinte, es sei "wunderbar, so etwas zu lesen". Diese Lehrernatur "bewältige seine Welt durch Sprache" und "halte sie sich so vom Leib".

Man habe es mit einem einem Spiel mit sprachlichem Filter zu tun, für ihn sei das ein "in sich schlüssiger, überzeugender Text", lobte Ebel.
Publikum (Bild: Johannes Puch)
Das Publikum zeigte sich von einigen Textpassagen durchaus amüsiert.
Iris Radisch Für Radisch eine "Sommer-Sonne-Meer-Prosa"
Iris Radisch gefiel der Text "gar nicht": "Er will sich selbst in eine große klassiche Erzähltradition stellen, wirkt dabei aber doch sehr schablonenhaft". Der Autor schlage einen "Seminarton" ein, hier werde in schlagwortartiger Manier fatale "Sommer-Sonne-Meer-Prosa" abgehandelt.

Der Text sei voller "abgegriffener Bilder" über Liebe - und auch, wenn er "diese gleichsam vorführen" wolle, bleibe der Liebesdiskurs im Eheberater-Jargon stecken. "Die Sprache der Liebe geht hier nicht über jene der Brigitte-Kummer-Ecke hinaus", bemängelte Radisch.
Ilma Rakusa Stimmig aber altmodisch
Ilma Rakusas Lob fiel verhalten aus: Das sei eine "sehr stimmig gemachte Novelle", sie meinte jedoch gleichzeitig: "Jeder Tschechow ist moderner als dieser Text".
Ijoma Mangold Ein Hochamt der Verlogenheit
Ijoma Mangold stellte die für ihn "ästhetische, zentrale Frage des Textes" in den Mittelpunkt seiner Kritik: Die Geschichte arbeite mit ihrer eigenen Konventionalität und stelle dabei die eigene "Formvollendetheit" dezidiert dar.

"Die Form will stärker sein als der scheußliche Bericht der Geschichte", erläuterte Mangold. Der Text, als "Melodram der Gleichgültigkeit" sei - um ein Wort des Textes selbst zu verwenden - auf eine sehr wuchtige Weise durchgespielt. Der Diskurs des Autors sei "wahrhaftig", ein "Hochamt der Verlogenheit", schloss Mangold.

Daniela Strigl merkte schlussendlich jedoch noch kritisch an: "Wenn das der Auszug aus einer Novelle ist: Wo soll uns das noch hinführen?"