Zurück zur Homepage Bachmann-Preis 3. Klagenfurter Literaturkurs

20. - 23. Juni 1999
Musil-Haus, Klagenfurt

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Anreas Neeser

Studium der Germanistik, Anglistik und Literaturkritik in Zürich. Im Januar 1990 Lizentiat an der Uni Zürich. Hauptlehrer im Teilamt für Deutsch in Aarau.

Auszeichnungen:

  • Förderpreis des Kantons Aargau 1991 und 1992.

  • Werkjahr des Kantons Aargau 1998.

Publikationen:

  • Abschied und Erinnerung. 35 Gedichte. In: Deutsche Lyriker der Gegenwart. ars nova, 1991.

  • Schattensprünge. Roman. Pendo Verlag, 1995.

  • Treibholz. Gedichte. Pendo Verlag, 1997.

Der Klagenfurter Literaturkurs ist ein Forum , in dem junge Autoren mit erfahrenen Kollegen ihre mitgebrachten Texte diskutieren. Neue Text entstehen während des Kurses nicht. Andreas Neeser, einen der Stipendiaten , haben seine Erfahrungen beim Literturkurs und seine Beobachtungen beim Ingeborg Bachmann Bewerb aber zu einem Text inspiriert:

" Die Häschenschule"

Die Kleinen von Sonntag bis Mittwoch. Von Mittwoch bis Sonntag die Grossen. Danke, Verena Auffermann, dass Sie vor zwei Jahren, als Sie noch in der Jury des Bachmann-Wettbewerbs waren, diesen Begriff für uns geprägt haben. Vielleicht war das despektierlich gemeint, und vielleicht haben auch wir nur aus der Not eine Tugend gemacht - jedenfalls: Wir finden Häschen okay. Vermutlich fühlt man sich nirgends so wohl als Häschen wie diese Woche in Klagenfurt. Wir sind hier nur dabei - aber mitten drin. Und wir werden uns am Sonntag nicht die Wunden lecken müssen, weil wir vor laufenden Kameras von gnadenlosen Juroren zerfetzt worden sind. Danke.

Hasenbichl, Habenicht, Hechenleitner, Rauchenwald oder Semmelrock. So heissen hier die Geschäfte. Den Namen sucht sich halt keiner selbst aus. Hat McDonald eigentlich auch einen Vornamen? hat einer gefragt.

Beim grossen Buffet am ersten Abend vorsichtige Kontaktaufnahmen - allerdings auf Distanz. Die alten Hasen mögen sich nicht zu uns gesellen, sind schliesslich hier, um den Häschen in täglichen Tutorien väterlichen bzw. mütterlichen Schreibbeistand zu leisten. Ilma Rakusa verströmt bei Scampi und Lachs Eleganz und Dezenz, Ferdinand Schmatz trinkt nur Weisswein und Birgit Vanderbeke hält sich rauchend an den Erdbeertörtchen schadlos. Auch die Späher sind schon da, noch nicht in Truppenstärke, aber eine Handvoll Agenten und Lektoren markieren schon jetzt Präsenz - wenigstens am Buffet. - Morgen gehen die Häschen zur Schule.

In den Gassen der Stadt verkünden Plakate die eigentlichen Top-Ereignisse dieser Tage: Der Bulle von Tölz tritt im Café Pendolino auf, und eben in die Plattenläden gekommen ist der "Toni-Polster-Hit-Mix. Zu Ehren unseres Torjägers. Toni, Toni, Superstar. Featuring Edi Finger jun." Das beruhigt.

Thomas kommt vom Tutorium mit Ilma Rakusa zurück, zufrieden bis begeistert, schliessen wir. Der von ihm eingereichte Text wurde in einer siebzigminütigen Sitzung auf Herz und Nieren sprich Ton und Authentizität geprüft. Er bestellt einen Verlängerten - eine Art Café Mélange - und fühlt sich noch immer irgendwie psychologisiert. Authentisch versus autobiografisch, le ton qui fait la littérature: Rakusas Zugang zu unseren Texten; ein persönlicher, der Text und Autor jederzeit ernst nimmt.

Wo sind sie denn, die Slowenen, auf die Klagenfurt angeblich so stolz ist? Gut, der "Bierjokl" ist zweisprachig angeschrieben, "Pri joklnu". Aber wenn der Abend fortgeschritten ist, redet dort kaum noch jemand - schon gar nicht slowenisch. Ab und zu ein paar Fetzen auf der Bahnhofstrasse. Und die andern? Die Minderheiten sind hier minderer als anderswo.

Birgit Vanderbeke hat acht Bücher ohne Ausrufezeichen geschrieben. Sabine weiss jetzt allerdings auch, welche Kommas in ihrem Text falsch gesetzt sind. "Absenzen" sind in Deutschland "Abwesenheiten" oder "Fehltage", und das Wort "Tarnung" ist im Zusammenhang mit Make up ein unnötiger Militarismus. Ganz schön forsch geht sie zur Sache, nimmt's sehr genau mit den Junghasen-Texten. Doch wenn man's wagt, Einspruch zu erheben, wird auch Inhaltliches diskutiert und Aspekt für Aspekt auf seine Motiviertheit geprüft. - Nach den drei Tagen sind wir uns einig: Nicht alles, was laut ist, ist ein Ausruf.

Wenn der Haider seine Drohung wahr macht und den Preis des Landes Kärnten am Sonntag tatsächlich persönlich überreicht? Wird er vielleicht nicht können. 120 000 Schilling vom ultrarechten Landeshauptmann in die Schreiberhand gedrückt bekommen? Gehört sich das? Bestimmt werden dadurch die Minderheiten in Kärnten nicht grösser. Hasenprobleme sind das nicht.

Dem Marco hat Ferdinand Schmatz die Langohren in formaler Hinsicht gestutzt; wiederum ein anderer Ansatz. Marco hat das Gespräch offenbar einigermassen verwirrt; er bestellt in der nachtutorialen Aufregung einen Verkürzten. Schmatz ist es auch, der uns an der öffentlichen Podiumsdiskussion zu Hilfe kommt und sich gegen den von Birgit Vanderbeke ausgemachten Trend zum Psychopathologischen in der jungen Literatur verwahrt. Die Leichen, Epileptiker und Geisteskranken haben ihr offensichtlich auf den Magen geschlagen. Gute Besserung mit Ausrufezeichen.

Nach unseren öffentlichen Lesungen im Musil-Haus verschiebt sich das Agenten-, Lektoren- und Journalisten-Interesse ein paar hundert Meter nach Nordwesten: offizielle Eröffnung des Bachmann-Wettbewerbs mit Startnummernauslosung. Diesmal ist das Buffet noch üppiger. Nach den kalten Köstlichkeiten, bei Filet Wellington und Kartoffelgratin, bringt's Jürgen, der Vorarlberger, auf den Punkt: Häschenschule, passt scha! Eh scha wissn!

Kontaktadresse:

ORF Kärnten Ingeborg-Bachmann-Preis
Sponheimer Straße 13,  A- 9020 Klagenfurt
Tel: +43 (463) 5330 29529 (Frau Salbrechter)
mail:
bachmann.preis@orf.at

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