"DIE LUST
AM ERZÄHLEN" 25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.
Die Jurorinnen und Juroren 1977 Sie diskutierten damals schon recht hitzig über die gelesenen Texte. Von links: Gertrud Fussenegger, Hans Weigl, Manès Sperber und Friedrich Torberg. Foto: H.G. Trenkwalder Rolf Becker, Hamburg Eine halbe Stunde erzählender Prosa Die Veranstalter wählten die Jury und stellten gemeinsam mit ihr die Liste der teilnehmenden Autoren auf. Einige der ursprünglich Nominierten lehnten ab. Eine der Begründungen hieß: man wolle sich nicht mit Sportlern auf eine Stufe stellen. Der Vergleich mit dem Sport hat viel für sich, denn der Wettbewerb verlief so, dass jedem Autor für seine Kür eine halbe Stunde Zeit blieb, und dann entschied sich sein Schicksal. Die Preisrichter hatten es allerdings nicht so einfach, bloß Kärtchen mit Zahlen zücken zu müssen, sondern waren dazu angehalten, Argumente vorzubringen. Oft geschah dies auch, und es blieb durchaus nicht immer bei puren Äußerungen des persönlichen Geschmacks. Rund eine halbe Stunde - oft viel weniger, für ein Dictum über ein Manuskript. Sonst dauert dieser Prozess im Literaturbetrieb halt ein bisschen länger. Aber der Hochmut gegenüber den Sportlern ist unangebracht, denn die Wettbewerbsbedingungen sind zu ähnlich. Jurymitglied Peter Härtling vor der Veranstaltung zu dieser Frage: "Es isch grässlich." Klagenfurt hatte den Vorteil, dass die Betroffenen der Urteilsbildung, die sonst hinter verschlossenen Türen vor sich geht, beiwohnen konnten. Das Reglement sah freilich vor, dass sie sich nicht rechtfertigen durften; nur das Vorgelesene sollte zählen.
War es das Geschick, war es der Zufall, dass bei der Zusammensetzung der Jury eine ungewöhnlich breite Palette von Positionen zustande kam? Wohl zeichneten sich bei manchen Urteilen deutlich zwei Lager ab, ein österreichisches, mit Friedrich Torberg, Hans Weigel, Manès Sperber und Gertrude Fussenegger auf der einen Seite, und ein deutsches, mit Heinrich Vormweg, Peter Härtling und Rolf Becker, auf der anderen. Diese einfache Zweiteilung zu kaschieren, waren noch andere da: der bedächtige Schweizer Kuno Raeber, der um Analysen bemühte Alfred Kolleritsch, Rudolf Walter Leonhardt mit glatten, einwandfreien Formulierungen und Marcel Reich-Ranicki, der viel Temperament aufwendete, um Ambivalenzen nachzuspüren und das Sowohl als Auch zu bedenken; außerdem ließ er es aber nicht an rein apodiktischen Feststellungen fehlen: "Ich kann diesen Text nicht akzeptieren" oder "Historische Romane mag ich nicht". Bei komplexeren Gebilden scheute sich die Jury nicht, ihre Hilflosigkeit einzugestehen oder das Gewicht auf Einwände von Seiten der Sprachpolizisten zu verlegen. [Werner Thuswaldner, Salzburger Nachrichten, 23.6.1977]
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