"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Andreas Isenschmid

Foto: ORF Kärnten

 

Karl Corino, Frankfurt /BRD
Peter Demetz, New Haven /USA
Volker Hage, Hamburg /BRD
Andreas Isenschmid, Zürich/CH
Hellmuth Karasek, Hamburg/BRD
Werner Krause, Graz/A
Werner Liersch, Berlin-Ost/DDR
Gisela Lindemann, Hannover/BRD
Peter von Matt, Dübendorf/CH
Helga Schubert, Berlin-Ost/DDR
Heinz Schwarzinger, Paris/F


Für eine Woche liegt Sevilla am Wörthersee: Blut soll fließen unter den Karawanken.

Hellmuth Karasek (links im Bild - im Gespräch mit Werner Krause), seit kurzem mit Ex-Klagenfurt-Matador Marcel Reich-Ranicki auf dem "Aspekte"-Luxusliner der Literaturkritik schippernd, verteilte vor drei Jahren, bevor er den Klagenfurter Musikdampfer betrat, noch verbale Rettungsringe an die Autoren. Inzwischen kennt man seine Vorliebe für den gezielten Ruderschlag, mit dem er die sich an das Holz des Lesetischs anklammernden Autoren zu erledigen pflegt. Für ein Bonmot wollte schon Heine sein Vaterland verraten - an ein gutes Wort denkt auch der böse Mensch von Hamburg zuletzt.

So weit, so schlecht - denn auch Karasek scheute sich, sein böses Hand- und Maulwerk unter dem hellen Licht der Scheinwerferlampen auszuüben. "Kann man diese ScheißScheinwerfer vielleicht mal ausmachen", giftete er genervt ins Publikum.

Warum denn partout aus einer öffentlichen Hinrichtung kein Horrorvideo machen? Delektierte sich doch sogar Frank Schirrmacher von der FAZ, Deutschlands medienkritischer Literaturpapst, schon beim Frühstück an den schmerzhaften Zuckungen der lesenden Folteropfer, wie sie ihm das Kabel aus Klagenfurt an seinen Frankfurter Frühstückstisch überspielte. Das Zucken der gepeinigten Autorin wurde dem Glossenschreiber zur Metapher für das Unwesen der Kritiker, die sich die "Weltliteratur" zurichteten mit ihren rüden Interpretationen.

Genau das ist es aber, was man den fünf Millionen verkabelter Haushalte im deutschsprachigen Europa keinesfalls vorenthalten sollte: den voyeuristischen Blick in den Kreißsaal einer Kunst, die am Schreibtisch entsteht, aber öffentlich und unter Schmerzen geboren wird.

[Heimo Schwilk, Rheinischer Merkur / Chridt und Welt, 7.7.1989]


Video Peter von Matt

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Die Verwurstungsstrategie des Fernsehens war der Jury offensichtlich wurst. Ansonsten wirkten die zwei Damen und die neun Herren gutwillig und aufgeschlossen, aber andererseits auch ohne großes Engagement, oft sprunghaft und manchmal unkonzentriert.

"Immer dem Text verpflichtet" könnte man diesem fröhlichen Brötchen-Tanz der Kritiker als Motto voranstellen. Natürlich ging es auch anders: Karl Corino meldete sich einige Male wortmächtig, ließ sich aber vom flinken, Bonmot-süchtigen Hellmuth Karasek öfter den Schneid abkaufen; Volker Hage überwand manchmal sein Harmoniebedürfnis und wurde kritisch; Peter Demetz war witzig und souverän, wie in den Jahren zuvor; Peter von Matt belehrte über den Undine-Mythos (was wesentlich unterhaltsamer war, als der mit Bildungsgut und Symbolismen überladene Text von Kerstin Hensel aus der DDR).

Und eben dieser Peter von Matt, seriöser Schweizer Professor seines Zeichens, ließ sich auch zu einem wunderbar komischen (weil ernstgemeinten) Ausfall hinreißen. Auf wiederholte Anmerkungen einiger Jury-Kollegen, die Schreib- und Leseweise der Schweizer Autoren sei zu langsam, was wohl mit der gebremsten Lebensart in der Alpenrepublik zusammenhänge, holte er zu einem Rundumschlag gegen diese perfide Form der Kritik an der Schweiz, den Schweizern und ihrer Literatur aus, der in dem fulminanten Satz gipfelte (gerichtet an die westdeutschen Kollegen): "Schauen Sie doch auf ihre eigenen dicken Bäuche."

Wenn nicht alles täuscht, hat er in diesem Moment Hellmuth Karasek scharf angesehen. Das Publikum jedenfalls war begeistert.

Allzeit präsent und nur dem Text verpflichtet wirkte eigentlich nur der junge Schweizer Kritiker Andreas Isenschmid, der präzis argumentierte, sich keine Atempause gönnte und dem verbreiteten Hang "mal ins Ungefähre zu formulieren" nicht nachgab.

[Claus M. Bielefeld, SFB III, Buch am Sonntagnachmittag, 9.7.1989]


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