"DIE LUST
AM ERZÄHLEN" 25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.
Die Autorinnen und Autoren 1993
Wenn die Kultur baden geht... Klagenfurt: Eindrücke vom 17. Ingeborg-Bachmann-Preis Kärnten liegt am Meer, alle Jahre wieder. An einem Meer aus Wörtern, das 22 geladene Autoren an dreieinhalb Tagen über die Jury und eine Horde von Journalisten, Lektoren, Pressedamen und Literaturbegeisterten ausschütten. Skandalstadt Klagenfurt Die Kärntner Landeshauptstadt und ihre "Woche der Begegnung" (Doof-Motto: "Wenn die Kultur baden geht") wird derzeit von einem Skandal erschüttert, gegen den sich die Schreibbewegungen der Kandidaten leblos ausnehmen. Das Werbelied "Die Rose vom Wörthersee" erregt die Gemüter der Kärntner. Da heißt es im Refrain "Lass los, lass dich inspirieren. Leg dich hin, lass deinen Geist deflorieren. Mach dich frei, vergiss all deine Sorgen, bis du merkst, du fühlst dich in Klagenfurt geborgen. " Dergestalt animiert wendet sich der Besucher dem ORF-Theater zu und findet sich in einer graublauen Literaturfolterkammer wieder, deren Wandgestaltung mit den Schmetterlingsflügeln an "Das Schweigen der Lämmer" gemahnt. Verschlafen . . . Der Beginn war furios: Christina Günther, die erste Autorin, erschien nicht. Von Nervosität geplagt, war sie erst gegen sieben Uhr morgens eingeschlafen und musste geweckt werden. Die Zwangspause legte den Charakter des Wettbewerbs mit einem Schlag bis auf den blanken Knochen frei: Was tun mit dem Nichts, wenn man live auf Sendung ist? Unterstellen wir dennoch einmal, dass Klagenfurt etwas mit Literatur zu tun hat. Was war zu hören- Wenig genug, was sich halten wird. Viele, viele Ich-Erzählungen, therapeutisches Schreiben auch - und das Ringen um Geschichten, die der Generation der Dreißigjährigen offenbar abhanden gekommen sind. Die Ausnahmen, etwa Matthias Altenburg und der Münchner Helmut Krausser, mussten ohne Preis nach Hause. Beide sind Vertreter eines (Neo-)Realismus, der auf die Wiederentdeckung des Erzählens setzt, dabei allerdings die schöpferische Spracharbeit vernachlässigt. Der Sieger Der spätere Sieger Kurt Drawert, ein nietzscheanisch verschatteter Mensch, trug seinen Text "Haus ohne Menschen" in Stakkato-Manier mit brechender Stimme so selbstzerfleischend vor, dass er zweimal in Tränen ausbrach. Der Monolog eines Abgewickelten im Leipzig nach der Wende beschreibt in Bernhardschen Spiralsätzen den "Substanzdreck": "die Entsorgung beschädigter Jahre". Die Jury war überwältigt von solchem Leidensdruck, böse Zungen attestierten Drawert einen "Apokalypse-Bonus". Wie auch immer, gegen die Wucht seines Endzeitszenarios hatten es Texte mit duftigeren Sujets schwer. Immerhin reüssierte die etablierteste Autorin, Hanna Johansen, mit einer aparten Geschichte über die Prägungen der Jugend und deren Spätfolgen im Alter: In der Sommerfrische schläft die zwanzigjährige Heldin mit einem wesentlich älteren Mann. Die Autorin macht daraus ein hintersinniges Lehrstück über männliche Phantasien: "Es ekelte ihn an, unter dieser Dusche stehen zu müssen und sich wie ein Mann fühlen zu müssen, den das belebt." [Hannes Hintermeier, Abendzeitung, 29.6.1993]
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