"DIE LUST
AM ERZÄHLEN" 25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.
Literatur, lebendige Literatur, noch lebendiger und plastischer gemacht durch den Widerstreit der Meinungen darüber, das war bisher der Ingeborg Bachmann Literaturpreis und sollte es auch in Zukunft sein. So hoffen wir, dass sich der angeblich "schönste Betriebsausflug des literarischen Zirkels" am Schluss für alle gelohnt haben wird und das nicht nur wegen der romantischen Sonnenuntergänge am Wörthersee. In der Jury gab es einige Veränderungen, Veränderungen, die darauf zielen, durch einen ständigen Prozess der Erneuerungen, Erstarrungen in den Diskussionsritualen zu vermeiden und neue Seh- und Argumentationsweisen zuzulassen. Wir hoffen, dass es damit gelungen ist, eine ausgewogene Mischung zwischen den Generationen und den verschiedenen Sichtweisen des literarischen Urteils zu schaffen. In wenigen Monaten jährt sich zum 20. Mal der Tag, an dem die Autorin Ingeborg Bachmann in Rom tragisch ums Leben gekommen ist. Die Erinnerung an die große Autorin lebendig zu erhalten, war vor nunmehr 17 Jahren einer der Gründe, diesen Wettbewerb zu schaffen. Einen Wettbewerb, der durch seine Art bisher zwar Nachahmer aber noch keinen wahren Konkurrenten gefunden hat. Ob Ingeborg Bachmann mit diesem Prozedere einverstanden gewesen wäre, wissen wir nicht. Aber sie hat sich immerhin den Diskussionen der "Gruppe 47" gestellt, die sich auch nicht immer durch Zurückhaltung auszeichneten. Und wir vertrauen auf den Satz in ihrer Rede zur Verleihung des Hörspielpreises der Kriegsblinden, " Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar". Hannes Hauser, Landesintendant ORF Kärnten Gezuckertes Sentiment Was geschieht mit den 22 Autoren, die an vier
Tagen vor gleißenden Fernsehscheinwerfern aus unveröffentlichten
Texten lesen? Der Autor sollte die Schlagfertigkeit der Juroren weder
über- noch unterschätzen. Der Juror wird es schätzen, wenn
er erst einmal Kafka, Döblin, Dostojewski oder Thomas Bernhard als
Anhaltspunkt hat. Der gewitzte Autor kann es dann in seinem Abschlusswort
wagen, unter dem Gelächter der Zuhörer mitzuteilen, dass er
keinen dieser Autoren gelesen habe. Dirk Brauns, der 1968 geborene Berliner
Autor, leistete sich diese Freiheit. Sein Text "Paradebeispiel"
erhielt ein Stipendium. Doch Vorsicht! Die Texte sollten sich nicht allzu
sehr Witz und Leichtigkeit verschreiben. Der Juror Werner Fuld zum Beispiel
wird dann verkünden: "Wir haben uns unter unserem Niveau amüsiert."
Zum Glück wiesen die beiden Professoren in der Runde, Peter Demetz
und Iso Camartin, sein Diktum mit Lichtenberg-Zitat ("Die Deutschen
lachen nicht, weil sie es als unschicklich empfinden") und Kant-Zitat
("Lachen ist die Auflösung einer gespannten Erwartung in nichts")
zurück. Doch aufs Ganze gerechnet half das nichts. Was die Jury braucht,
sind Bedeutungsschwere und leicht gezuckerte Sentimentalität. Bedeutsam
und schwer kam der Text von Kurt Drawert daher: ein Überwältigungs-
und Entwaffnungstext, dessen Imponiergestus die Jury nicht widerstehen
konnte: Bachmann-Preis für ein sehr kalkuliertes, Schmerz und Verstörung
nur simulierendes Stück, das weniger über die DDR erzählte,
als die Jury glauben mochte.
KONTAKT: ORF Kärnten Ingeborg-Bachmann-Preis Sponheimer Straße 13, A- 9020 Klagenfurt Tel: 0463-5330-29528 (Binia Salbrechter) e-mail: bachmann.preis@orf.at WEBMASTER:
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