"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


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Autoren im ORF-Theater. Von links: Julia Franck, Georg Klein, Birgit Kempker und Martina Kieninger. Fotos: ORF Kärnten




Stephan Alfare, Wien
Martin Amanshauser, Wien
Ulrike Draesner, Berlin
Julia Franck, Berlin
Daniel Goetsch, Zürich
Birgit Kempker, Basel
Martina Kieninger, Montevideo
Georg Klein, Heinitzpolder
Patrick Kokontis, Seon
Andreas Maier, Bad Nauheim
Birgit Müller-Wieland, Berlin
Georg M. Oswald, München
Stephan Reimertz, Wien
Susanne Riedel, Berlin
Malin Schwerdtfeger, Berlin
David Wagner, Berlin


Das Gerede von der Spaßgesellschaft ist nicht tot zu kriegen. Dafür sorgt schon die sogenannte Spaßkultur, die heute allerorten gesichtet wird. Dabei ist angeblich alles Pop, selbst die Literatur ist Pop; deswegen heißt sie ja auch so: Pop-Literatur. Nicht Literatur über Pop, sondern Literatur als Pop - was immer das heißen mag. Es sind junge Autoren, die, glaubt man den Feuilletons, in der Szene frech den Ton angeben: Leute, die flott schreiben, sich flott anziehen, flott leben. Sie haben keine Botschaft (worüber sie nicht traurig sind) - und im übrigen verhalten sie sich irgendwie affirmativ. Eben wie Pop-Literaten.

Dass der Begriff "Spaßgesellschaft" während der gestern in Klagenfurt zu Ende gegangenen "24. Tage der deutschsprachigen Literatur" (ehemals: Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb) nicht ein einziges Mal fiel, ist unter diesem Aspekt bemerkenswert, ein Ereignis geradezu. Und sofern Literatur etwas mit Gegenwart zu tun hat, könnte es ein Zeichen dafür sein, dass es die Spaßgesellschaft gar nicht gibt.

Aber die Klagenfurter Literaturtage, die gibt es; auch wenn Jörg Haiders mehrmals aufgegriffene Bemerkung, es handle sich hier um eine tote, sterile Veranstaltung, den Leuten zugesetzt haben muss. Das Gegenteil sollte also bewiesen werden, aber das gelang nicht restlos. Der souveräne Moderator Ernst A. Grandits war hinterher jedenfalls der Meinung, alles sei lebendig und "voller Widerstandskeime" gewesen.

[Edo Reents, Süddeutsche Zeitung, 3.7.2000]


Im Vorfeld hatte der vorsitzende Jurysprecher Robert Schindel die angerauhte Parole ausgegeben, in Klagenfurt wolle man nun "den Kulturkampf aufnehmen". Das klang nach einem Erich Ribbeck der frohgemut anreisenden Bachmann-Truppe, wurde aber friedlich ins Wortbild gesetzt.

Und tatsächlich enttäuschten die vortragenden Autoren in diesem Jahr nicht. Viereinhalb Ausfälle unter sechzehn Teilnehmern war ein hervorragender Schnitt: Deutschland wäre mit einem solchen Wert mindestens bis ins Halbfinale hineingestolpert. Der Grund für diese Leistungsdichte war, dass fast alle Anreisenden der talentprobenden "Häschenschule" vergangener Jahre längst entwachsen waren und einige von ihnen - Ulrike Draesner, Birgit Kempker und Georg Klein - schon ein Schreiberfahrungsalter besaßen, in dem selbst Lothar Matthäus das Trikot abgeben muss.

Auch junge Autoren wie Andreas Maier oder Malin Schwerdtfeger wussten, dass der bereits unterschriebene Verlagsvertrag in ihrer Hosentasche kaum während der Klagenfurter Tage ungültig würde. Aus Häschen waren Hasen geworden. Das machte die wenigen Beispiele peinigender Bekenntnisprosa zur Ausnahme und wäre im dichten Feld des stark gehobenen Mittelmaßes gar nicht weiter aufgefallen - hätte die Jury nicht gerade auf diese Querschläger zuweilen zu viel Aufmerksamkeit verwandt.

So aber wurde es mit zunehmender Spieldauer zu einem Problem, dass manche Kritiker nicht immer welche sein wollten. An einer Universitätsposse wurde so lange gedeutelt, bis "surrealer Witz" wunderbar aus ihr erstieg. Vor allem die Zürcher Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen pflegte eine weichgekochte Hermeneutik, die das Allesverstehen mit dem Allesverzeihen verwechselte. Als eine Anspielung auf die Todeslager sie gar an Celan erinnerte, war dem auflachenden Publikum zum Weinen zumute.

Die Wortmenge macht das Gift, in der Nacht zu vieler Worte sind alle Hasen grau. Zu selten demonstrierten Iris Radisch und Denis Scheck, dass sich auch das Undiskutable beim knappen Namen nennen lässt.

[Thomas Wirtz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.7.2000]


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